Lina K. (Name von der Redaktion geändert) ist 26 Jahre alt und Studentin. Sie möchte anonym bleiben, da sie aktuell mit einem großen Impfstoffhersteller vor Gericht steht. Sie leidet am sogenannten „Post-Vaccine-Syndrom“, eine sehr seltene Erkrankung, die als Folge der Corona-Impfung auftreten kann. „Ich bin erschöpft, von jetzt auf gleich, habe Gedächtnisstörungen, Atemnot und Übelkeit. Manchmal alles gleichzeitig.“ Neben den körperlichen und kognitiven Einschränkungen kommen sozialer Rückzug und dadurch resultierende psychische Belastungen hinzu: „Meine Freunde machen alle ihren Abschluss an der Uni, gehen aus, starten ins Berufsleben und ich kann nicht mehr mit ihnen mithalten.“ Lina ist seit einem Jahr arbeitsunfähig, kann nicht studieren und verbringt die meiste Zeit zuhause. Wenn sie doch mal die Kraft findet, etwas mit ihren Freundinnen zu unternehmen, dann nur mit Pausen, in denen sie sich immer wieder hinlegen muss.
Kaum erforscht
Das Post-Vac-Syndrom ist bisher kaum erforscht. Weshalb den Betroffenen oft nicht geglaubt wird und auch die behandelnden Ärzte zögern, Impfnebenwirkungen zu melden. Oft ist die Sorge zu groß, damit Querdenkern in die Hände zu spielen und die Corona-Impfung in Verruf zu bringen. Eine Anlaufstelle für Betroffene gibt es aktuell in Deutschland nur eine. Das Universitätsklinikum Marburg und der Leiter der Kardiologie Prof. Bernhard Schieffer nehmen sich der Thematik an, über die Post-Vaccine Syndrom-Ambulanz. Schieffer geht nach bisherigem Kenntnisstand davon aus, dass bestimmte Vorerkrankungen wie Autoimmunerkrankungen oder ein noch schlummerndes Eppstein- Barr-Virus im Körper für Komplikationen nach der Impfung verantwortlich sein könnten. Für ihn ist auch klar, dass das Post- Vaccine- Syndrom und Long Covid möglicherweise ein und dieselbe Erkrankung sind, da die Symptome sehr ähnlich sind. Besonders junge Frauen stellen sich in seiner Ambulanz in Marburg bei ihm vor, wie Schieffer in einem Interview mit der Wissenschaftssendung Quarks berichtet. Er gehe außerdem davon aus, dass 0,02% der geimpften unter dem Post-Vac-Syndrom leiden. Dennoch hält er die Impfung für richtig und wichtig, da sie viele vor einem schweren Verlauf geschützt hat. Das Paul-Ehrlich-Institut plant indessen Studien, um dem Phänomen wissenschaftlich auf den Grund zu gehen und Erklärungen zu finden, Impfstoffe weiter zu verbessern und Betroffenen zu helfen.
Unter Wasser
Auch Pauline Behm, 21 Jahre alt, Studentin aus Mainz, ist seit März 2021, nach einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus an Long Covid erkrankt. Was das genau für sie bedeutet? „Es fühlt sich an, als wäre ich die ganze Zeit unter Wasser. Alles ist schwer und langsam. Ich bin von heute auf morgen um 80 Jahre gealtert.“ Pauline kam in die Notaufnahme mit einem Ruhepuls von 158 Schlägen die Minute. Das war der Punkt, an dem sie realisierte, dass etwas bei ihr nicht stimmt, dass sie schwer krank ist. Pauline studiert an der Uni Mainz, kann jedoch kaum am normalen Leben teilhaben. Da sie als Studentin durch alle sozialen Netze fällt, finanziert ihre Familie aktuell ihren Lebensunterhalt, fährt sie zu Arztbesuchen, erledigt Einkäufe und unterstützt sie, so gut es geht. Dies stellt eine besondere Belastung dar, das auch dem Umfeld der Erkrankten oft einiges abverlangt. An guten Tagen kann sich Pauline zwei Stunden lang konzentrieren. An schlechten Tagen sei sie schon mit einer einfachen Frage wie „Was möchtest du essen?“ überfordert. „Niemand stellt so jemanden ein.“ Die Verzweiflung von Pauline macht sprachlos. Wie ihre Zukunft aussieht, weiß Pauline nicht. Sie fühlt sich allein gelassen von der Politik und der Universität. „Die meisten Dozenten sind ratlos, wie sie mir helfen können oder mich benoten sollen.“ Pauline ist sich sicher, dass sie nicht die einzige Studentin mit dieser Erkrankung ist. Sie wünscht sich, dass sich mehr darum gekümmert wird, Betroffenen wie ihr ein Angebot zu machen, um das Studium abschließen zu können. Oft spürt sie, wie hilflos alle um sie herum sind, wie wenig Verständnis ihr entgegengebracht wird und wie schwer all das auf ihrer Seele lastet.
Müdigkeits-Syndrom?
Wie häufig Long Covid auftritt, ist noch nicht abschließend gesichert. Jedoch schätzt das RKI, dass zwischen 7,5-41 Prozent der Infizierten eine Form davon entwickeln. Eine Zahl, die das Potenzial birgt, diese Erkrankung zur neuen Volkskrankheit werden zu lassen, wie schon die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel im April dieses Jahres schrieb. Was auch klar ist: junge Frauen sind doppelt bis dreimal so häufig davon betroffen wie Männer. Wenn es wie im Fall von Pauline zu keiner Besserung der Erkrankung kommt, trotz vieler Therapien, so geht die Fachwelt davon aus, dass die Betroffenen nicht mehr länger an Long Covid erkrankt sind, sondern an ME/CFS leiden – das Chronische Fatigue Syndrom. Dieses ist der Weltgesundheitsorganisation WHO seit den 1980er Jahren bekannt und tritt gehäuft nach Virusinfektionen auf. Viele der Symptome von Long Covid und dem Post- Vaccine-Syndrom ähneln dem des chronischen Fatigue Syndroms, von welchem rund 250.000 Deutsche betroffen sind – auch hier meistens junge Frauen. Trotz des Wissens um die Erkrankung seit ca. 1984 gibt es bisher kaum Forschung dazu, und die einzige Anlaufstelle für Betroffene in Deutschland ist die Berliner Charité.
Verständnis und Sichtbarkeit
Karsten Lucke, Abgeordneter im Europaparlament und Mitglied der SPD Rheinland-Pfalz, ist in seiner Funktion als Abgeordneter Mitglied des „COVID-Pandemie-Ausschusses“ in Brüssel. Er räumt ein, dass es in der Vergangenheit Versäumnisse seitens der Politik gab, zu wenig Gelder für die Erforschung dieser Erkrankung bereitgestellt zu haben. Auch der Aspekt des „Gender Data Gap“ in der Medizin trägt zu dem Problem bei. Noch immer sind Frauen und weibliche Körper oft unterrepräsentiert in der medizinischen Forschung, da die hormonellen Einflüsse im Körper von Frauen einen Mehraufwand mit sich bringen. Lucke betont, wie wichtig es ihm ist, mehr Forschungsgelder für Long Covid, Post-Vaccine und das Chronischen Fatigue Syndrom bereitzustellen. Für das Jahr 2023 hat das Europaparlament weitere 5 Mio. Euro zugesichert. Es soll bald passende Therapien, Anlaufstellen in allen Bundesländern und effektive Medikamente geben. Doch bis dahin braucht es noch einige Jahre, in denen die Betroffenen ausharren müssen. Lucke könne daher nicht versprechen, die Lage innerhalb kürzester Zeit zu verbessern. „Wir haben endliche Geldmengen und müssen einfach schauen, was möglich ist. Wenn wir es ernst meinen und die Leute nicht zurücklassen wollen, müssen wir kontinuierlich, jedes Jahr Gelder für die Forschung zur Verfügung stellen.“ Den Vorwurf, der Staat habe sich nicht genug um die Aufklärung der Nebenwirkungen des Impfstoffes bemüht, möchte er nicht so stehen lassen. „Wir haben das Beste getan in dieser Situation und das war die Impfkampagne. Wir haben damit Millionen vor dem Tod bewahrt.“ Dass Impfen Nebenwirkungen hat, sei bekannt, aber im Nachhinein könne er niemandem einen Vorwurf machen in dieser für alle Beteiligten noch nie dagewesenen Ausnahmesituation. Umso wichtiger sei daher die Berichterstattung und mediale Aufmerksamkeit. Und die Betroffenen? Was fordern diese? Forschung, Anerkennung ihrer Situation, Verständnis und Sichtbarkeit. Allein gelassen, aber nicht allein. Denn es sind viele. Und es könnte nahezu jeden betreffen.
Text Christina Langhammer
Alle die beschriebenen Symptome quälen auch mich seit über 10 Jahren. Was diese ausgelöst haben weiß niemand.
Früher ist mit man mit einer Grippe zum Arzt gegangen wurde krank geschrieben und das war’s in der Regel. Ich hatte anfang der 2000’er eine merkwürdige kurze Sommergrippe mit anschliessenden Hirnhautentzündung. Von ärtzlicher Seite wurde ausser der Diagnose nichts weiter unternommen. Als dann 2014 diese Erschöpfungsymptome anfingen wurde das psychosomatisch erklärt und wieder gab es keine Hilfe.
Das das schon länger bekannt ist, wundert mich, denn mir hat kein Arzt geholfen. Was vermutlich daran liegt, dass das Abrechnungssystem dazu führt das ein Arzt gar keine Zeit hat sich die Leidensentwicklung anzuhören und die meisten wollen es auch nicht. Bei mir haben die Ärzte immer nur das gehört, wo sie mich dann in einen Apparat legen konnten. Beschwerden die man nicht mit Blutproben oder teueren ct, mrt, usw. feststellen konnte, waren für sie nicht existenz.
Beispielsweise wurde bei mir sowas einfaches wie eine Polyneuropathie erst von einem Orthopäden den ich privat bezahlte und der mich von Kopf bis Fuß mechanisch und mit der Hand untersuchte, festgestellt. Bis heute ist jedem Arzt dieses sehr unangenheme und teilweise schmerzhafte Symptom egal. Trotzdem habe ich glücklicherweise (weil der Arzt der Freund, eines Freundes war und mir zuhörte) einen behandelten Arzt gefunden und dadurch halbwegs eine Linderung mit der ich am Arbeitsleben teilnehmen kann.
Und was diese elendige Frau – Mann unterscheidung angeht, ja das merke ich auch. Wenn ich Frauen in meinen Bekanntenkreis erzähle wie ich beim Arzt behandelt werde sind sie regelmäßig erstaunt. Sie bekommen schnell Behandlungen und Medikamente und vermutlich auch so eine Überweisung in eine Fachklinik. Daher wundert es mich nicht das mehr Frauen in Giessen vorstellig werden. Ich muss um jede Behandlung kämpfen und diese selbst recherchieren und dann einen Arzt finden, der mich nicht für einen Simulant hält, finden. Als Frau wäre dies sicher einfacher, auch wenn meine hormonellen Einflüsse kompliziert sind. Oder kurz gesagt, hier wird wie häufig immer nur eine Sichtweise beleuchtet ohne auch andere Faktoren zu betrachten. Es kann ja kaum stimmen das Frauen eine schlechtere medinzinische Behandlung bekommen, wenn diese im Schnitt deutlich älter werden.