Direkt zum Inhalt wechseln
|

Das sensor 2×5 Interview mit Peter Stieber

Landesmusikrat-Präsident Peter Stieber über die Musikkultur in Rheinland-Pfalz, die Probleme durch die Corona-Politik und die aktuelle Kampagne des Landesmusikrates.

Was ist eigentlich der Landesmusikrat?
Wir sind der Dachverband für das Musikleben in Rheinland- Pfalz und vertreten mehr als 500.000 musizierende und singende Menschen, die in rund 60 Mitgliedsverbänden und Institutionen im Land vereinigt sind. Die Aufgabe des Landesmusikrats besteht vor allem darin, die Musikszene in Rheinland-Pfalz zu stärken und zu fördern, die Amateure ebenso wie die Profis. Außerdem ist die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen ein zentrales Thema unserer Arbeit. Ich selbst bekleide als Präsident ein Ehrenamt, unsere Geschäftsstelle ist hauptamtlich organisiert. Der Landesmusikrat wurde 1979 gegründet, und seit 2013 ist er Träger aller fünf LandesJugendEnsembles. Auch die Landeswettbewerbe „Jugend musiziert“ und „Jugend jazzt“ finden unter unserem Dach statt. Als Sprachrohr der Musik in Rheinland-Pfalz sind wir mit allen wesentlichen kultur- und musikpolitischen Fragen des Landes befasst.

Was sind die großen Baustellen?
Unser besonderes Augenmerk gilt der Bewahrung und Förderung der Amateur- und Laienmusik. Wir haben rund 2.500 Chöre, über 800 Blasmusikvereine sowie etwa 250 Vereine, Ensembles, Orchester und Bands aller musikalischen Richtungen im Land, und wir bemühen uns darum – vor allem im ländlichen Bereich –, dass diese Szene erhalten bleibt. Denn insbesondere dort sind die Vereine, ist Musik der soziale Kitt im Zusammenleben der Menschen, und hier wird auch Kinder- und Jugendarbeit geleistet. Wir fordern auch bessere Musikfrüherziehung, denn in den Grundschulen herrscht ein eklatanter Mangel an Musiklehrern, und in den Kitas ist es ein Glücksfall, wenn die Kinder überhaupt mit Musik in Berührung kommen.

Was hat die Corona-Zeit rückblickend ausgelöst?
Corona war für die Musik ein Rieseneinbruch. In den Chören und Ensembles, überall dort, wo viele Menschen zusammen kommen, um zu musizieren, wurde Stillstand verordnet. Insbesondere die Chöre haben sehr darunter gelitten, Stichwort Aerosole. Manche haben deshalb ganz aufgehört. Katastrophal und existenzbedrohend war die Situation für die freien Musiker, Pädagogen, Dirigenten und Chorleiter, die von heute auf morgen ohne Einkommen dastanden und staatliche Hilfe in Anspruch nehmen mussten. Wir schätzen, dass nach der Pandemie 5 bis 7 Prozent der Chöre und Vereine ihre Arbeit eingestellt haben. Und selbst jetzt noch zögern Menschen, zu Konzerten zu kommen oder bei Ensembles mitzumachen.

Derzeit machen Sie eine Image-Kampagne – worum geht es?
Wir möchten das eigene Musizieren und Singen propagieren, also wieder mehr selbst Musik zu machen. Wir werben für das gemeinsame Musizieren in Chören und Vereinen aller Arten. Kinder haben heute leider (zu) viele Möglichkeiten der Ablenkung und Freizeitgestaltung; da ist das Selbst-Musikmachen oft nicht mehr vorne dabei. Auch hat Corona sehr dazu beigetragen, die aktive Musikszene zu schwächen. Daher versuchen wir durch die Kampagne „Musik vereint“, vor allem die Amateurmusik zu stützen und dabei auch das soziale Element der Gemeinsamkeit in der Musik hervorzuheben.

Kann sich jeder Musiker an den Landesmusikrat wenden?
Ja, jeder kann über unsere Website Informationen sammeln, z.B. Chöre, Anlaufstellen und Ansprechpartner finden. Auch Vereine können sich informieren und die Kampagne für eigene Aktivitäten nutzen. Für jeden ist etwas dabei, und wir hoffen, dass die gesamte Amateurmusik von den Chören über die Blasmusik und die Orchester bis zum Jazz profitieren.

MENSCH

Sind Sie selbst auch Musiker?
Ich komme nicht aus einem musikalischen Haushalt und bin in einem kleinen Dorf bei München aufgewachsen. Geboren wurde ich jedoch in Salzburg, meine Eltern waren Flüchtlinge aus Schlesien. Musikalisch sozialisiert wurde ich gefühlt erst später in meiner Jugend durch die Beatles und die Rolling Stones. Mit zwei Freunden gründete ich eine Band, ich war Sänger und spielte Gitarre. Wir wollten mindestens so berühmt werden wie die Beatles und zogen nach Berlin. Die Konkurrenz war damals allerdings unheimlich groß, und die Pop-Weltkarriere rückte in weite Ferne. Doch parallel zu Rock und Pop habe ich meine große Liebe zur Klassik entwickelt.

Sie blieben also in Berlin?
Ja, insgesamt 17 Jahre. Ich habe Gesang an der Berliner Musikhochschule studiert, mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt und dann Musikwissenschaft, Germanistik und Soziologie an der FU studiert. Neben und nach dem Studium habe ich Artikel und Rezensionen für Zeitungen und den Rundfunk geschrieben und so meine Freude an der journalistischen Arbeit entwickelt. So kam ich zum Süddeutschen Rundfunk nach Stuttgart, war dort Redakteur für sinfonische Musik und später Abteilungsleiter für Klassische Musik.

Hatten Sie noch andere berufliche Aufgaben?
Ich war auch Festspielchef in Schwetzingen; dort gibt es ein renommiertes Klassik-Festival, das ich 16 Jahre lang betreut habe. Und als der Süddeutsche Rundfunk 1998 mit dem SWF zum SWR fusionierte, ging ich nach Mainz und leitete dort neben der Tätigkeit in Schwetzingen die Musikabteilung beim SWR. So kam ich auch zum Landesmusikrat.

Wohnen Sie in Mainz? Wie empfinden Sie die Stadt?
Ich wohne mit meiner Frau Sabine Fallenstein, die auch SWR2-Musikredakteurin ist, in Nieder-Olm. Ich finde die Mainzer Musikszene abwechslungsreich und spannend. Die Stadt könnte als Landeshauptstadt allerdings erheblich großzügiger die Musik und die Kultur unterstützen. Vielleicht ändert sich das ja jetzt mit dem neuen OB und den Biontech- Steuermillionen. Insgesamt habe ich mich hier von Anfang an sehr wohl gefühlt: Die Menschen sind sehr offen im Umgang miteinander und die Lebenskultur und Genussfreudigkeit der Mainzer ist mir außerordentlich sympathisch.

Gehen Sie selbst noch auf Konzerte, oder haben Sie weitere Hobbies?
Ich gehe ganz gern auch mal zum Jazz, etwa in der Mainzer Musikhochschule. Aber sonst bin ich meistens in der Klassik unterwegs, bei unseren eigenen Veranstaltungen, bei den Jugendensembles oder bei den Konzerten des Mainzer Musiksommers und bei „SWR2 Internationale Pianisten“ im Frankfurter Hof. Und natürlich sind mir die Veranstaltungen der Amateurmusik ein Herzensanliegen. Im Hause Stieber gibt es zwar noch eine Gitarre und auch ein Klavier, aber ich spiele und singe nur noch für den Hausgebrauch. Ansonsten jogge ich mit Vorliebe in den Nieder-Olmer Weinbergen, gehe hin und wieder ins Fitnessstudio und reise gerne, bevorzugt nach Griechenland.

Interview David Gutsche Foto Jana Kay