Direkt zum Inhalt wechseln
|

„Man braucht ein dickes Fell“ – Interview mit dem Verkehrsüberwachungsamt

Elke Schmitt (59) leitet das Mainzer Verkehrsüberwachungsamt. In unserem 2×5 Interview spricht sie über Vorurteile, Anfeindungen gegen Kollegen und verrät, wohin sie gern auswandern würde.

Was passiert im Verkehrsüberwachungsamt?

Wir haben hier 122 Mitarbeiter in drei Abteilungen: im Außendienst, also klassische Kontrollen, im Volksmund Blitzer und Knöllchen genannt. Dann gibt es die Bußgeldstelle, also mehr der Innendienst, Sachbearbeitung und Verfahren. Und die dritte ist die Verkehrsabteilung, also Fahrerlaubnisse, Kfz-Zulassungsstelle, Taxen- und Fahrschulangelegenheiten.

Ein für viele ungeliebtes Amt also.

Ja leider. Außendienst, sowas muss man können. Man ist hier sehr nah am Menschen dran. Vor allem, wenn es um den Führerschein geht. Da kriegt man viele Emotionen ab. Innendienst ist aber auch nicht einfach, etwa bei der Verweigerung einer Fahrzeug-Zulassung, da erlebt man auch so manche Sachen. Wir verstehen uns trotzdem als helfende Verwaltung, machen auch mal Fehler oder drücken ein Auge zu.

Trotzdem haben die psychischen Belastungen zugenommen. Wir verzeichnen einen hohen Krankenstand. Auch der Ton ist rauer geworden und zwar deutlich. Man braucht manchmal schon ein dickes Fell. Dabei erfüllen wir grundsätzlich eine wesentliche Aufgabe. Wir können Parkplätze nun mal nicht klonen und wenn jeder parkt wo er will, dann könnte hier bald gar keiner mehr parken.

Verkehrsämtern wird nicht selten Abzocke vorgeworfen …

Da hat jeder seine eigene Sichtweise. Wie beim Thema, wo wir blitzen sollten und wo nicht. Da gibt es einige Kritik. Ich selbst wurde früher auch schon öfter mal geblitzt und mein Wagen wurde abgeschleppt. Ich kenne das und kann vieles verstehen, auch dass wir egal wo, immer „falsch“ stehen. Aber der Job muss halt gemacht werden. Und wir müssen den Bogen schlagen zwischen Verwaltung, Politik und Verkehrsteilnehmern – mit Augenmaß.

Es gibt auch nicht umsonst ein Verkehrskonzept. Zwar rechnet die Stadt tatsächlich mit gewissen Einnahmen und wir müssen auch erklären, wenn diese unterschritten werden. Die Mär aber, dass Mitarbeiter Provisionen pro Falschparker erhalten, ist und bleibt totaler Quatsch.

Warum gibt es nicht mehr feste Blitzanlagen in Mainz?

Rheinland-Pfalz setzt stärker auf mobile Kontrollen, weil diese effektiver und flexibler einsetzbar sind. In Wiesbaden ist es anders. Aber es wurden jetzt 15 feste Stationen für das gesamte Bundesland beantragt – an manchen Stellen wären diese sicherlich auch in unserem Stadtgebiet sinnvoll, ansonsten müsste man in der Rheinstraße abends bei Tempo 30 immer ein Auto platzieren.

Ende Februar ist Fastnacht. Was passiert da bei Ihnen?

Wir begleiten jeden Umzug, Schwerpunkt ist der Rosenmontag. Da klingelt mein Wecker um 3.33 Uhr. Wir treffen uns dann alle um 4.30 Uhr, es gibt auch Urlaubssperre an den Tagen. Ab 5 Uhr geht’s raus, Autos auf der Zugstrecke wegholen. Da stehen bereits seit zehn Tagen Hinweisschilder. Ich sitze also um sechs Uhr früh im Wagen mit Lautsprecher und wir fahren entlang der Zugstrecke mit dem Lied „Steht auf wenn ihr Mainzer seid“: Liebe Verkehrsteilnehmer, bitte fahren Sie ihr Auto weg. Der Schmitt’sche Weckruf heißt das mittlerweile. Da kommen dann schnell ein paar Bewohner in Bademantel und Schlappen und auch der Abschleppdienst steht bereit. Etwa 400 Verwarnungen sind jedes Mal dabei und um die 100 Autos, die abgeschleppt werden müssen.

Mensch

Sie wollten früher im Umweltschutz arbeiten.

Ja, aber das war mir letztlich doch zu mathematisch. Für das Studium brauchte man ein gärtnerisches und ein planerisches Praktikum, das ich bei der Stadt Mainz gemacht habe. So rutschte ich dann mehr in die Verwaltung und habe schließlich die Ausbildung für den gehobenen Dienst gemacht. Auf dem Weg bin ich zur Kongressdirektion Mainz gekommen, also der Vergabe von Rheingoldhalle, Schloss usw. Dann kamen meine Zwillinge zur Welt und ich musste erst mal kürzer treten und mich neu ausrichten. So kam ich über das Einwohnermeldeamt zur Bußgeldstelle und schließlich zur Leitung des Amtes. Bei allem Frust den ich manchmal schiebe, komme ich aber immer noch jeden Tag gerne zur Arbeit.

Sie fahren gerne Motorrad. Haben Sie eine Lieblingsstrecke?

Ich würde gerne mal die französische Küste runterfahren bis an die Algarve nach Portugal. Meine Hausstrecke hier ist am Rhein entlang, mit der Fähre rüber, dann über die Hunsrückhöhe bis ins Naheland und zurück. Besonders schön ist es morgens an der Loreley einen Kaffee zu trinken. Ich habe den Motorrad-Führerschein übrigens erst mit 45 Jahren gemacht und fahre am liebsten auf den alten schweren Motorrädern, als es noch keine Lärmbegrenzung gab.

Was sind sonst noch Ihre Hobbys?

Ich handarbeite gerne. Ich nähe, ich sticke. Monogramme zum Beispiel auf Servietten und die verschenke ich dann. Ich schaue auch gerne Fußball, bin großer Schalke Fan und fahre da auch manchmal hin. Ich bin aber auch Mainz 05 Mitglied und habe meine Dauerkarte im Q-Block.

Wohin würden Sie gerne auswandern?

Nach Schottland. Vor allem in die Highlands. Die Luft, die Menschen, die Landschaft, die Toleranz. Ich habe da sehr schöne Erlebnisse gehabt, auch in den dortigen Pubs. Einfach toll, auch das wandern in der Natur. Früher war ich dort sogar mit meiner alten Ente unterwegs, vorbei an den Schlössern und Burgen, auch da, wo der Highlander-Film gedreht wurde. Mich kribbelt es total in den Fingern, wenn ich dort bin. Das hat etwas Besonderes für mich.

Haben Sie ein Lebensmotto?

Ja. Leben und leben lassen.

Interview: David Gutsche  Foto: Jana Kay