Seit dem Spätjahr 2021 läuft der Betrieb in der Stadtwache im Brückenturm. Bis auf ein paar Möbelstücke in neonroter Farbe erinnert heute kaum noch etwas an das „Tourist Service Center“, das vorher im Gebäude untergebracht war.
„Hin und wieder“, so Tobias Jung, Leiter der Abteilung „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“, „kommt es vor, dass Reisende Auskünfte benötigen, die sie bei uns auch erhalten.“ Für Tickets oder Infos zur Stadt und ihren Angeboten verweisen die Mitarbeiter des Bürgerbereichs der Stadtwache jedoch auf den „Mainz Store“ in unmittelbarer Nähe am Markt. Mit dem Service im Eingangsbereich wendet sich die Wache bewusst der Öffentlichkeit und ihren Anliegen rund um das Thema Ordnungswesen zu.
Ansprechbar zu sein, Auskünfte zu geben und sichtbarer im Stadtbild zu werden, waren zentrale Anliegen, die mit dem Umzug vom Stadthaus Kaiserstraße in den Brückenturm verbunden waren – es galt als ein Wahlkampfversprechen von OB Michael Ebling (SPD) im Jahr 2019. Mittlerweile hat der Zentrale Vollzugs- und Ermittlungsdienst dort seine Arbeit aufgenommen. Drei Etagen stehen zur Verfügung – ausgelegt ist die Wache auf 59 Posten, zehn davon sind bislang unbesetzt, was sich jedoch bald ändern soll, wie Jung erklärt: „Wir werden sechs Stellen demnächst besetzen, die Auswahlverfahren laufen.“ Insgesamt verfügt die Abteilung „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ nun über 94 Stellen, die im Laufe der Zeit zu immer mehr Platzproblemen im Stadthaus geführt hätten: fehlender Platz für Schulung, keine zufriedenstellende Lösung, was die Umkleiden betrifft, und ein zu kleiner Sozialraum schränkten die Mitarbeiter zunehmend ein. „Wir sind aus allen Nähten geplatzt“, so Jung. Die Vorteile des neuen Domizils hätten sich bereits mehrfach bewiesen, was sich bei Einsatzbesprechungen zu Großveranstaltungen wie dem Rheinland-Pfalz-Tag und der Johannisnacht verdeutlicht habe. Hinzu kommt, dass der Dienst jetzt kürzere Wege in die Altstadt und zu Massenveranstaltungen wie dem Marktfrühstück hat.
Außen-Problematik im Sommer
In den Sommermonaten sind es vor allem die hellhörigen Gebiete der Stadt, die der Aufmerksamkeit bedürfen. Lärm- und Müllbeschwerden häufen sich immer wieder, auch um den Winterhafen. Nach dem Aus für Bluetooth- Lautsprecher zwischen 22 und 6 Uhr, sollte der Stadtrat zuletzt auch über ein Glasverbot entscheiden. Dieses wurde allerdings wieder von der Tagesordnung genommen, da noch Klärungsbedarf bestehe. Nach Protesten am Winterhafen von überwiegend jungen Leuten folgte ein Runder Tisch, an dem das Ordnungsamt unter anderem mit den Jugendorganisationen der Parteien, Altstadt-Ortsvorsteher Brian Huck und Hyatt-Chef Malte Budde über die Lage an der Rheinpromenade diskutierte. Wichtig sei, dass diese Inhalte dann auch in konkrete Vorgaben gegossen werden, so Stadtsprecher Ralf Peterhanwahr. Trinkspiele wie „Bierpong“, „Happy Birthday“-Gesang in Dauerschleife und Glassplitter auf den Wegen setzten Mensch, Tier und Umwelt besonders zu, meint Tobias Jung. Der Vollzugsund Ermittlungsdienst müsse sich jeden Abend der Herausforderung stellen, möglichst viele Ruhestörer und Schadensverursacher in Schach zu halten. Kein allzu leichtes Unterfangen.
Einsätze im Feld
Der Feldschutz des Amtes ist auch für die Naturschutzgebiete in Finthen, Drais, Mombach und an der Alten Ziegelei zuständig. „Wildes Campieren ist wieder ein Thema“, weiß Vito Abbate und präsentiert Fotos von alten Matratzen, Beistelltischen und Zelten, die im Mombacher Sand zurückgelassen wurden. „Häufig begegnen uns kuriose Dinge schon auf dem Weg ins Einsatzgebiet.“ Ein Motorroller- Fahrer etwa, der ohne Helm, Papiere und mit abgelaufenen Kennzeichen auf dem Feldweg auftauchte und versicherte: „Den Roller hätte er gerade gefunden“, erinnert sich Abbate und schmunzelt. „Gefährlich wird es dann, wenn sich die Leute damit in den Straßenverkehr begeben.“
„Kommunikation ist der Schlüssel“
Besetzt ist die Wache im Brückenturm rund um die Uhr. Im oberen Stockwerk befinden sich der große Aufenthaltsraum und ein Ruhebereich. Noch eine Etage höher geht es auf die Dachterrasse. Bei der Ausstattung schlägt moderne Arbeitswelt alte Verwaltungsästhetik. „Einsatzberichte können auch am Laptop in unserem Sozialraum geschrieben werden“, erklärt Tobias Jung. Präsentationen werden per Flatscreen abgespielt. Es gibt großzügige Dusch- und Umkleideräume für Frauen und Männer, Kaffee- und Getränkeautomaten und eine Kooperation mit einem Fitness-Studio, in dem die Mitarbeiter trainieren können. Kraft und Ausdauer sind gefragt, wenn Anrufe in der Leitstelle eintreffen. Beschwerden wegen Ruhestörung zählen hier nach wie vor zu den Dauerbrennern. Auch der Transport psychisch auffälliger Menschen in die Klinik nach Zahlbach nimmt inzwischen einen großen Stellenwert ein. „Es kam auch schon ein Vater zu uns, der in Sorge wegen seines labilen Sohnes war. In unserem Bürgerbereich konnten wir ihm die rechtliche Situation darlegen und weitere Kontakte vermitteln. Solche Gespräche bewirken eine Menge“, weiß Tobias Jung. Davon, dass „Kommunikation immer der Schlüssel“ ist, zeigt sich auch Bernd Weiler überzeugt. Seit 14 Jahren arbeitet er überwiegend im Außendienst. Schwere körperliche Angriffe seien bislang ausgeblieben und mit verbalen Attacken könne er gut umgehen: „Das macht die Erfahrung“, sagt der große Mann mit einem Lachen. Je ruhiger und unmissverständlicher den Betroffenen die Verstöße dargelegt würden, desto einsichtiger seien sie zumeist. Erst kürzlich mussten Weiler und sein Team einem Halter einen Listenhund entziehen: „Die Person war natürlich tieftraurig, was ich auch verstehen konnte.“
Acht Kilo Montur
Neben der geschulten Kommunikation hilft auf den Streifgängen auch das äußere Erscheinungsbild. Die Uniformen unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum von denen der Polizei. „Etwa acht Kilogramm schwer ist die gesamte Montur“, sagt Tobias Jung. Eine kugelsichere Weste, Handschellen, Teleskopschlagstock, Reizgas, Pfefferpistole, Funkgerät und kleinere Werkzeuge sorgen für das Gewicht. Vor Jahren war auch mal ein Taser wie bei der Polizei in der Diskussion, es wurde sich jedoch dagegen entschieden. Die Kommunikation läuft über das Digitalfunknetz der Stadtwerke. In Zukunft soll die Einbindung in das sogenannte „BUS“-System ausgebaut werden, was die Abstimmung zwischen Polizei, Rettungsdienst und Ordnungsamt, etwa bei Großveranstaltungen, erleichtere. Und: Da der Zentrale Vollzugs- und Ermittlungsdienst nur im formellen Sinne den Polizeibegriff erfüllt, scheidet die Nutzung von Blaulicht und Martinshorn an den Fahrzeugen aus. Das Ordnungsamt umfasst eben im Gegensatz zur Polizei – mehr oder minder – die Aufgaben der örtlichen Ordnungsbehörde. Die Polizei hat damit grundsätzlich mehr Befugnisse als das Ordnungsamt. Daher auch der etwas sperrige Name „Zentraler Vollzugs- und Ermittlungsdienst“, auch wenn er in einer Stadtwache untergebracht ist und sich die Kollegen in Hessen auf der anderen Rheinseite sogar „Stadtpolizei“ nennen dürfen.
Text Alexander Weiß Fotos Stephan Dinges