Eine Verkettung mehr oder weniger unglücklicher Umstände (Corona, Wahlen, neue Posten und deren Besetzungen) führten zu Jahresbeginn dazu, dass das Thema der Neuausrichtung des Landesmuseums offenbar nicht ausreichend kommuniziert wurde. Was stattdessen passierte, ist ein Zoff um die sogenannte Steinhalle des Museums, in der diverse römische Artefakte aufbewahrt und ausgestellt werden: etwa die bekannte Jupitersäule, der Augustuskopf oder der Bronzekopf der Göttin Rosmerta. Dazu gesellten sich 150 Gefäße, Amphoren und Mobiliar. Der größte Teil der in der Steinhalle untergebrachten römischen Relikte befindet sich im Besitz der Stadt Mainz. Sie werden vom Landesmuseum kuratorisch und konservatorisch betreut.
Aufschrei um die Steinhalle
Bisher hat sich der Großteil der Bevölkerung eher stiefmütterlich für diese Artefakte interessiert. Doch da der neue Landtag bald fertig ist und dann nicht mehr in der Steinhalle tagt, ist die Aufregung um diese nun umso größer. Denn die Steinhalle soll – geht es nach den Vorstellungen des Landtages bzw. Landes – verändert werden: Das Plenargestühl könnte dann dort verbleiben und als „Reallabor für Demokratie“ samt Veranstaltungen dienen. Nicht zuletzt ist dies auch der Tatsache geschuldet, dass der Landtag zum einen nicht weiß, wohin mit seinem „alten“ Gestühl, er zum anderen aber auch sehr viele Besucheranfragen hat und diese nicht ohne weitere Lokalität stemmen kann. Fast 30.000 Menschen besuchen jedes Jahr den Landtag. Das Interesse ist deutlich höher als das (Raum-13)Angebot, weshalb vielen Gruppen und Schulen abgesagt werden muss. Ein Brückenschlag zum Landesmuseum – auch thematisch zum Thema Demokratie – steht somit in doppelter Hinsicht im Raum. Der Plenarsaal in der Steinhalle umfasst dabei eine Fläche von rund 423 qm, die Steinhalle gesamt 1.400 qm. Das Landesmuseum verfügt – ohne die Steinhalle – über eine Fläche von fast 10.000 qm.
Notwendige Positionierung
Doch nicht nur die Steinhalle, das komplette Landesmuseum soll eine Neu-Positionierung erfahren und an Attraktivität gewinnen. Diesen Plan verfolgt das Land seit geraumer Zeit gemeinsam mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE). Teil des Plans ist auch das „Reallabor Demokratie“, das mit neuen Formaten der Politikvermittlung einen Teil der Steinhalle bespielen könnte. Beim Reallabor geht es um Demokratieteilhabe durch neue Beteiligungs- und Diskussionsformen, um Demokratievermittlung in Form von Seminaren etwa, als auch um das Thema „Demokratie von Anfang an“ mit Schulklassen oder für Studierende. Die Angebote des Landesmuseums könnten so auch die Bildungsprogramme des Landtags ergänzen. Doch der Aufschrei ist groß: Durch den Verbleib des Plenargestühls würde die Ausstellung der römischen Steine und Exponate zu stark reduziert werden. Zahlreiche Initiativen und Vereine protestieren. Sogar eine Petition „Für den Erhalt der Steinhalle“ wurde initiiert. Und auch einige Mainzer Parteien ziehen nach und üben Kritik oder schlagen für das Reallabor Alternativ-Standorte vor, etwa das Kurfürstliche Schloss. Dabei kennt kaum jemand das Konzept und die Idee hinter dem neu zu planenden Landesmuseum.
Idee Mainzer Museums-Karré
Bisher schlummerte das Landesmuseum etwas dahin in seinem Dornröschen-Schlaf. Ob es nun Kunstmuseum, Archäologisches Museum oder was auch immer ist, bleibt schwer erkennbar. Zwar beherbergt es die ältesten und wohl auch bedeutendsten archäologischen Funde der Region, doch neuere Funde verbleiben eher in der Landesarchäologie. Mit dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) ist zudem ein weiterer starker Akteur in der Stadt aktiv – wenn auch mehr in der Forschung –, der nun seinen Neubau und damit ein eigenes archäologisches Forschungszentrum Nähe Cinestar / KUZ eröffnet: das „Archäologische Zentrum Mainz“. Wo nähert man sich in Zukunft also am besten dem Thema Archäologie an, ohne sich gegenseitig Konkurrenz zu machen? Hinzu kommen weitere Neu-Ausrichtungen in Mainz, etwa beim Naturhistorischen und Gutenberg- Museum, die die Notwendigkeit einer Profilierung und Positionierung des Landesmuseums erhöhen. Daneben hat das Landesmuseum wiederum Fläche eingebüßt, insbesondere mit dem Verkauf der Liegenschaft „Eltzer Hof“. Die Frage also, was den Kern der Identität des Landesmuseums ausmacht, ist und bleibt schwierig. Das Thema „Mainz und Rom“ spielt sicher eine Rolle. Aber auch „Mittelalter“, „Jüdisches Mainz“, „Mainz und die Franzosen“ sind weitere Themenfelder. Hinzu kommen eine aufgefrischte Gemäldegalerie, ein grafisches Kabinett und ein attraktives Kindermuseum, in dem bislang die sehr gut gemachte Ritter-Ausstellung lief. Zudem bieten sich der Innenhof und das Erdgeschoss für eine permanente Öffnung vonseiten der Großen Bleiche an, um den Hof und die umliegenden Angebote (Café, Empfang, Shop, Garderobe, Toiletten) aufzuwerten zum Verweilen einzuladen. In der Summe ergibt sich ein Lösungsweg für das Landesmuseum aus dem „Dilemma der Identität“: Anstelle sich auf ein Modell zu versteifen, könnte es künftig schneller die Themen und auch die Zeiträume der Präsentation wechseln. Der klassische Rhythmus von „Dauerausstellung“ und „Wechselausstellung“ würde zugunsten von thematisch und zeitlich überraschenden Perspektivwechseln überwunden. Damit verbunden bleibt allerdings die Herausforderung, für die in der Steinhalle gezeigten archäologischen Zeugnisse eine adäquate Präsentationsform zu finden und das möglicherweise mit Veranstaltungen zu verbinden. Verständlicherweise wurde dieser bereits einige Jahre zurückliegende Vorstoß des Landtags von der GDKE als auch der Museumsleitung mit „Zurückhaltung“ aufgenommen. Die GDKE und das Landesmuseum hatten die Steinhalle jahrzehntelang bespielt und waren davon ausgegangen, sie bald wieder voll nutzen zu können. Dennoch: Es stehen nun eine Reihe von Veränderungen an. Heike Otto, die neue GDKE-Chefin, sieht dies auch als Chance: „Wir können unseren Museumsstandort neu denken. Wir haben die Chance, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Nutzen wir sie. Dafür möchten wir einen Konsens finden, der die Brücke von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft schlägt. Als Ergebnis haben wir dann, so wünsche ich es mir, ein attraktives Museum mit einem aktuellen und abwechslungsreichen Angebot für alle Generationen.” Auf vielen Seiten ist man demnach offen für Kompromisse, jedoch bei weitem nicht auf allen. Aktuell scheitert ein gemeinsames Konzept vor allem an den unterschiedlichen Interessen der Akteure und dem Kleinkrieg beim Thema Steinhalle.
Kompromiss?
Bis zum Herbst will eine Arbeitsgruppe nun ein detailliertes Gestaltungskonzept, insbesondere für die Steinhalle, erarbeiten. Auch Innenminister Roger Lewentz – in dessen Zuständigkeit die GDKE seit neuestem gehört – spricht von einem Kompromiss im besten Sinne. Zu den konzeptionellen und didaktischen Überlegungen, Schwerpunktsetzungen und möglichen gestalterischen Umsetzungen laufe eine interne Abstimmung, in die aber auch Freundeskreise und Verbände einbezogen seien. Der plötzliche Aufschrei hat die Politik jedenfalls überrascht. Umso besser, dass nun eine hoffentlich fruchtbare Debatte angestoßen wird. Noch im Laufe des Jahres wird der Landtag in das frisch sanierte Deutschhaus zurückkehren. Doch weil danach der Umbau des Rathauses an der Reihe ist, wird die Steinhalle sowieso noch eine Weile lang als Sitzungssaal erhalten bleiben – dieses Mal für den Mainzer Stadtrat.
Text David Gutsche