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In Mainz öffnet die erste Beratungsstelle für männliche Opfer häuslicher Gewalt

Bernd Seifried leitet die Beratungsstelle „safe“, die erste in Rheinland-Pfalz für Männer als Opfer häuslicher Gewalt

Nicht nur Frauen, auch mindestens jeder fünfte Mann in Deutschland ist von Gewalt in häuslichen Beziehungen betroffen, Tendenz zunehmend. Um diesen Männern Hilfe zu bieten, gibt es in Mainz erstmalig in Rheinland-Pfalz eine Beratungsstelle namens „safe“, die unter anderem kostenfreie Beratungen anbietet. Das Land Rheinland-Pfalz fördert die Beratungsstelle über das Familienministerium.

Zwar richtet sich Gewalt in Partnerschaften zum Großteil gegen Frauen, doch waren 2019 von 394 Opfern von Mord und Totschlag innerhalb der Partnerbeziehung 23 Prozent männlich: „Das Thema ‚männliche Opfer von häuslicher Gewalt‘ ist dabei besonders mit Scham belegt, denn es passt nicht in das traditionelle männliche Rollenbild. Wer von Gewalt betroffen ist, braucht aber immer eine gute Unterstützung. Genau hier setzt die Arbeit der Beratungsstelle an. Wir sehen das Angebot als Pilotprojekt“, erklärte Familienstaatssekretär David Profit. Ziel ist es, ein neutrales und sicheres Beratungsangebot für Männer zu schaffen. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt.

Förderung des Vereins
Die neue Beratungsstelle befindet sich in Nähe des Hauptbahnhofs in der Erthalstraße 2. Das Angebot richtet sich an Männer in den Landgerichtsbezirken Mainz und Bad Kreuznach, die Gewalt in engen sozialen Beziehungen, darunter vor allem Partnerschaft und Ehe, erleben oder erlebt haben. Bei der Beratung der Männer kann ein Hilfeplan entwickelt werden. Es soll um die Aufklärung über juristische Möglichkeiten gehen, gegebenenfalls kann eine trauma-therapeutische Erstversorgung erfolgen oder bei der Klärung von Sorgerechtsfragen unterstützt werden. Zudem sollen auch Personen aus deren Umfeld in die Arbeit eingebunden werden. Die Höhe der Förderung der Beratungsstelle der „opfer- und täterHILFE e.V.“ liegt bei 31.000 Euro. Der gemeinnützige Verein kümmert sich vor allem um Menschen, die im Bereich der Förderung der Bewährungs- und Straffälligenhilfe Unterstützung benötigen. Folgerichtig wurden im Verlauf der Jahre auch diejenigen in den Blick genommen, die Opfer von Straftaten wurden.

Offenes Ohr
Die Beratungsstelle „safe“ wird in halber Stelle von Bernd Seifried geleitet, der sich auch um den Aufbau kümmert. Seifried weiß um die Tabuisierung: „Die Dunkelziffer dieser Konflikte liegt vermutlich höher. Das Problem wird oft nicht ernst genommen. Es gibt auch Frauen, die körperlich stark sind. Und wenn dann Konflikte auftreten, ist es ein häufiges Muster, körperliche Gewalt einzusetzen, also zu schlagen. Oder wir haben Männer, die sich wehren könnten, aber eine Art ehrenhafte Gewaltblockade haben nach dem Motto: Ich fass keine Frau an. Die werden geohrfeigt oder geschlagen und das kann eskalieren.“ Seifrieds Credo daher: „Wir haben ein offenes Ohr für alle Männer, die in Partnerschaft unter Druck kommen, vornehmlich für Gewaltopfer. Wichtig bei solchen Fällen ist es in der Regel, den Kreis zu vergrößern, also andere mit ins Boot zu holen. Denn sonst entsteht ein System, in dem eventuell auch Weitere Schaden nehmen können, beispielsweise Kinder.“

Vom Täter zum Opfer
Noch gibt es keine festen Gruppen und Betroffene äußern sich nur ungern. Ein Mann (Herr Müller), der Frauen gegenüber Gewalt angewendet hat, redet dennoch mit uns. Eines Tages drehte eine Frau den Spieß um und würgte und schlug ihn – eine ungewohnte Erfahrung. Müller: „Es gehört auch eine Persönlichkeitsstruktur dazu, um Gewalt auszuüben. Ich etwa bin leicht reizbar oder war bereit dazu, Gewalt auszuüben. In der Opfer- und Täterhilfe habe ich gelernt, darüber zu sprechen. Ich habe mich freiwillig gemeldet, weil ich die Situation selbst unerträglich fand. Ich konnte nicht aushalten, dass ich so reagiere.“ Nach der Therapie habe sich seine Einstellung verändert: „Das war ein großer Schritt für mich: sprechen sprechen sprechen… das ist das Wichtigste, seine Gefühle über Sprache ausdrücken – zu sagen: Mich macht das wütend – oder auch die räumliche Situation einfach zu verlassen. Umsetzbar ist das dennoch nicht so einfach – aus seinen Mustern auszubrechen.“

safe Beratungsstelle für männliche Opfer von Gewalt in engen sozialen Beziehungen
Erthalstraße 2
Tel. 06131-2877711
www.outh.de

Text David Gutsche
Foto Stephan Dinges