Seit Jahren unternimmt die Stadt Anstrengungen um den Wohnungsmarkt zu entspannen und weiteren Wohnraum zu schaffen. Hierzu wurden parallel zwei Gutachten an das in diesem Bereich bundesweit tätige Planungsbüro „berchtoldkrass space & options“ (Karlsruhe) vergeben. Insgesamt ergibt sich ein Potenzial im Innenbereich zwischen 700 und 900 Wohneinheiten.
Wohnraum ist ein knappes Gut, die Zahl der Menschen, die eine Wohnung suchen, steigt – gerade in beliebten Ballungsräumen wie Rhein-Main und Mainz. Das Raum- und Stadtplanungsbüro „berchtoldkrass space&options“ aus Karlsruhe hat nun ein sogenanntes „Gutachten von Wohnungspotenzialen im Innenbereich der Stadt Mainz“ erstellt. Damit sollen systematisch noch bestehende Potenziale im Siedlungsbestand erfasst werden, die für eine weitere Aktivierung von Wohnraum genutzt werden können.
Es geht konkret um Baulückenschließungen, Gebäudeaufstockungen, Nutzung bereits versiegelter Flächen (z.B. un- oder untergenutzte Lager-/ Betriebsflächen) und die Aktivierung evidenter Gebäudeleerstände (Wohngebäude).
Nicht Teil des Gutachtens war die Erhebung und Untersuchung aktuell in der Planung und Realisierung befindlicher Wohnbauflächen, etwa Zollhafen, GfZ-Kaserne, Heiligkreuzviertel, ehem. Kommissbrotbäckerei, Lerchenberg Am Medienberg, oder sonstige bereits in der Planung oder Entwicklung befindlicher Fläche (z.B. Abriss und Neubau Große Langgasse). Auf diesen – der Verwaltung bereits bekannten Flächen – steht insgesamt ein Potenzial in einer Größenordnung von ca. 10.000 WE zur Verfügung. Die nunmehr im Gutachten erhobenen Potenziale im Siedlungsbestand sind zusätzlich. Nicht untersucht wurden öffentliche Grünflächen, Parks und Kleingartenanlagen.
Für jedes erfasste Objekt wurde ein sog. „Objektsteckbrief“ erstellt, der neben einem Foto und einer genauen Lagebeschreibung weitere Informationen enthält (z.B. Grundstücksgröße, Lage in einem Bebauungsplan oder im unbeplanten Innenbereich, öffentliches Eigentum etc.). Insgesamt konnten so rund 270 Objekte (Flächen respektive Wohngebäude) identifiziert werden.
Diese gliedern sich nach den vier Potenzialtypen wie folgt:
- Gebäudeaufstockung: 80
- Nutzung bereits versiegelter Flächen: 20
- Aktivierung evidenter Gebäudeleerstände: 81
- Baulückenschließung: 88
Während der Typus „Gebäudeaufstockungen“ (etwa in Form nur eingeschossiger Nachkriegsbebauung) vor allem in den zentralen innerstädtischen Stadtteilen (Altstadt, Neustadt) zu finden ist, konzentrieren sich Baulücken räumlich stärker auf die außenliegenden Stadtteile. Zudem wurde für die Potenzialtypen „Baulückenschließung“, „Gebäudeaufstockung“ und „Nutzung bereits versiegelter Flächen“ das möglich Entwicklungspotenzial, d.h. die Zahl der dort zu realisierenden Wohnungen abgeschätzt: So ergibt sich für die drei o.g. Potenzialtypen zusammen eine Größenordnung von etwa 550 bis 740 möglichen Wohneinheiten. Da die Abschätzung mittels flächendeckender (teil-) automatisierter Berechnungen erfolgte, kann das später realistisch umsetzbare Entwicklungspotenzial abweichen. Für den Potenzialtyp „Leerstand“ wurde kein Entwicklungspozential ermittelt, da es sich um bereits vorhandene Gebäude oder Wohnungen handelt. Bei Annahme von mindestens einer Wohneinheit pro vorhandenem Vollgeschoss bestünde ggf. ein Potenzial von etwa 150 Wohneinheiten. Insgesamt ergibt sich anhand der überschlägigen Abschätzung ein Potenzial im Innenbereich zwischen ca. 700 und knapp 900 Wohneinheiten, in zumeist privatem Raum.
OB Nino Haase: „Das Gutachten und die von berchtoldkrass erstellten Objektsteckbriefe schaffen eine sehr gute Grundlage zur weiteren Bearbeitung durch die Verwaltung. Die vorliegende Übersicht bietet auch eine nützliche Information, fast einen „Service“ für die Eigentümer, der ein Anstoß für die weitere Entwicklung sein kann. Es handelt sich um Potenziale, die jeweils vertieft geprüft werden müssen. Am Ende wird vermutlich nicht jedes der erhobenen Potenziale aktivierbar sein und es handelt sich um einen längerfristigen Ansatz. Erfolge bezüglich der Umsetzung – darüber sollten wir uns alle klar sein – sind nicht in wenigen Monaten zu erwarten. Dennoch lohnt sich die Aktivierung aus mehreren Gründen: Sie schafft nicht nur zusätzlichen Wohnraum im bestehenden Siedlungsgefüge mit vorhandener Infrastruktur und verkehrlicher Anbindung, sondern dient in vielen Fällen auch der Stadtreparatur, etwa mit Blick auf heute noch eingeschossige Nachkriegsbebauung oder leerstehende und langsam verfallende Wohngebäude.“
Link zum Gutachten (PDF, 45 MB): https://bi.mainz.de/si0057.php?__ksinr=4630
SPD sieht in künftiger Stadtentwicklung die Grundlage für stabile und bezahlbare Mieten
Im den nächsten Wochen will sich der Stadtrat mit den Potenzialanalysen für die künftige Entwicklung von Wohnungsbauflächen befassen, die aktuell bereits den Ortsbeiräten der Mainzer Stadtteile vorgestellt werden. Jana Schmöller, die Mainzer SPD-Vorsitzende, sieht darin ein „Startsignal“, weil die Diskussion zu zentralen Thema Wohnraumversorgung Fahrt aufnimmt: „Es geht um künftige Wohnquartiere, es geht um den dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum und es geht um die Kernfrage, wie wir die Mieten auch für die Haushalte mit dem schmaleren Portemonnaie bezahlbar halten.“
Den Ortsbeiräten der 15 Mainzer Stadtteile wurde bereits zu Beginn der Woche die von der Stadtspitze in Auftrag gegebene Potenzialanalyse künftiger Wohnungsbauflächen in den heutigen Siedlungsflächen, also den „Innenbereich“ der Kernstadt und der Stadtteile, vorgestellt. Die Ergebnisse sind aus Sicht von Jana Schmöller „erwartungsgemäß überschaubar“. Durch das Schließen von Baulücken oder die Aufstockung bestehender Gebäude könnten noch 700 bis 900 Wohneinheiten entstehen. Viel davon ist in Privatbesitz, nur ein Teil wird real für Wohnungsbau genutzt werden. „Viel zu wenig“, sagt Jana Schmöller, „angesichts des zusätzlichen Bedarfes von tausenden zusätzlicher Wohnungen, den uns Experten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung von Mainz als Aufgabenstellung vorgeben“.
Weit mehr Potenzial sieht die SPD-Vorsitzende, die auch die Stadtratsfraktion der SPD führt, im Potenzial, das sich im „Außenbereich“ abzeichnet. Das sind die Bereiche, die weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen noch zu einem bebauten Ortsteil gehören. „Es gibt im gesamten Stadtgebiet noch etwa ein Dutzend Entwicklungsflächen für Wohnungsbau. Wir gehen davon aus, dass mit der Vorstellung des zweiten Potenzialgutachtens, das die „Außenbereiche“ umfasst, insbesondere die Flächen außerhalb von Hechtsheim links der Rheinhessenstraße und außerhalb von Ebersheim Richtung Sportplatz in den Fokus genommen werden“, setzt Jana Schmöller einen klaren Schwerpunkt. Es handelt sich dabei um jene Flächen, die schon der ehemalige Oberbürgermeister Ebling als Areal für die Entwicklung eines Stadtteils aufgerufen hatte.
Jana Schmöller will die politische Diskussion aber nicht nur auf die künftigen Wohnungsbauflächen ausgerichtet sehen. Zusammen mit Ata Delbasteh, ihrem Co-Vorsitzenden der Spitze der Mainzer SPD, geht sie einen deutlichen Schritt weiter: „Wir wollen nicht nur die Flächen für den Wohnungsbau identifizieren, sondern auch festlegen, wie diese Flächen bis etwa 2035 entwickelt werden sollen.“ Hier kommen die städtischen Gesellschaften ins Spiel. Grundstücksverwaltungsgesellschaft (GVG) und Wohnbau Mainz (WBM) sollen in großem Maße die Potenzialflächen aufkaufen und zusammen mit den städtischen Ämtern zur Baureife bringen. Mit der eigentlichen Wohnbebauung sollen dann nur solche Unternehmen betraut werden die „Garanten für bezahlbares Wohnen“ sind. Ziel ist es, etwa zwei Drittel aller Wohnungen entweder mit öffentlicher Förderung zu binden oder per rechtlichen Auflagen mit Mieten zum Median des Mietspiegels zu verankern. So würden über Jahrzehnte mehrere tausend Wohnungen mit günstigen Mieten versehen. „Das ist genau das Angebot, das wir für viele Haushalte in Mainz brauchen. Mit dieser Perspektive und den schon für die nächste Dekade geplanten Wohnungsbauprojekten beispielsweise in Bretzenheim oder auf dem Lerchenberg kommen wir Schritt für Schritt zur Entspannung am Wohnungsmarkt und parallel zur Entlastung bei den Mieten“, ist sich Ata Delbasteh sicher.