von David Gutsche
Illustration: Hendrik Schneider
Das Fortbestehen der Mainzer Minipressenmesse sei in Gefahr, munkelte man Ende 2011 in einschlägigen Buchkreisen. Denn Kurator Jürgen Kipp schrieb am 7. Dezember eine E-Mail an alle Aussteller mit folgendem Wortlaut: „Nach dem Wechsel der Direktion (des Gutenbergmuseums) fragen wir: Ist es an der Zeit, die Messe zu einer reinen Buchkunstmesse umzustrukturieren? Und: Welche alternativen Möglichkeiten bieten sich?“ Das Merkwürdige daran: Die Minipressenmesse lief bisher bestens. Um die 300 Aussteller und an die 10.000 Besucher kommen alle zwei Jahre nach Mainz; das Treiben in den zwei Großzelten am Rheinufer ist ein kulturelles Ereignis. Warum also der Gesinnungswechsel?
Der Ärger der Buchkünstler
Der Wind weht aus Richtung Gutenbergmuseum. Dieses bzw. die Stadt ist offizieller Veranstalter der Minipressenmesse und Jürgen Kipp dort in Teilzeit angestellt. Unter der alten Museums-Leitung von Dr. Eva-Maria Hanebutt-Benz konnte Kipp die Minipressenmesse fast 23 Jahre lang relativ selbstständig organisieren. Seitdem 15. Mai 2010 hat das Gutenbergmuseum jedoch eine neue Direktorin: Dr. Annette Ludwig ist promovierte Kunsthistorikerin, die von den Städtischen Museen Heilbronn an den Rhein gewechselt ist. Sie hat die Präsentation der Messe in Frage gestellt, denn: „Einige Buchkünstler haben Kritik an mich herangetragen, weil sie Angst um ihre Exponate haben. In den Zelten ist es manchmal sehr heiß und es bildet sich Kondenswasser, das den sensiblen Büchern nicht gut tut. Letztes Jahr habe ich selbst einige Dinge festgestellt, die nicht optimal sind.“
Dazu muss man wissen, dass die Minipressenmesse eine Mischung aus hochwertiger Buchkunst, aber auch vielen Klein- und experimentellen Verlagen ist. Verschiedene Bedürfnisse und Zielgruppen prallen also aufeinander, die nicht immer in gleichem Maß befriedigt werden können. Um die Situation zu klären, bat Ludwig am 30. Januar um ein Treffen mit den Ausstellern sowie einem Vertreter des Kulturdezernates im Rathaus. Etwa 40 Personen folgten der Einladung und warteten gespannt auf was denn da komme. Zuerst verteilte ein sichtlich nervöser Kipp Zettel mit neuen Standortmöglichkeiten, darunter vier Varianten: a) Messezelte weiterhin am Rheinufer und die Buchkünstler parallel im Gutenbergmuseum, b) Messezelte am Rheinufer und die Buchkünstler im Rathaus, c) die Messe abwechselnd im Zelt oder im Gutenbergmuseum oder d) eine komplette Verlagerung der Messe in die Rheingoldhalle.
Die Verwunderung der Obrigkeit
In einer anschließenden teils emotionalen Diskussion stellte sich heraus, dass fast alle Aussteller sehr zufrieden sind mit der bisherigen Organisation und Präsentation der Messe. Hervorgehoben wurden besonders die einmalige Lage, das hohe Besucherinteresse und die Mischung der Aussteller. Selbst Ludwig gibt sich verwundert: „Die positiven Rückmeldungen haben überwogen, das hat mich überrascht. Wir diskutieren also jetzt, wie man es in den Zelten noch besser machen kann.“ Somit gehe es nur noch um die Optimierung der Rahmenbedingungen, zum Beispiel an den Messetagen Toiletten auch im Rathaus zu öffnen, ein umfangreicheres Rahmenprogramm anzubieten oder die Preisverleihung im Gutenbergmuseum abzuhalten. In der Versammlung gab es zwar auch Kritik, jedoch nur von wenigen Buchkünstlern, die ein Zelt nicht als würdigen Rahmen für ihre Werke verstehen, die zudem unter den klimatischen Bedingungen und Konditionen „leiden“. Kipp kennt diese Diskussion, zeigt sich für Änderungen aber offen: „Das Thema ist alt.
In erster Linie bleibt jedoch festzuhalten, dass die Messe sehr erfolgreich läuft. Wir haben schon versucht, mehr für die Buchkünstler zu tun und vor Jahren sogar zwei verschiedene Messen angeboten, eine für Buchkunst und eine für den großen Rest. Das hat uns viel Geld gekostet und war nicht gut besucht. Zudem sind die meisten Buchkünstler auf der Frankfurter Buchmesse vertreten und auch die Sammler gehen eher dorthin. In Mainz macht daher die Kombination beider Bereiche den größten Sinn und eine adäquate Halle wie die Rheingoldhalle können wir uns nicht leisten. Außerdem ist der Charme der Zelte für viele etwas Besonderes. Vor allem die jungen und experimentellen Verlage fühlen sich in den Zelten und auf der Messe sehr wohl.“
Der Weisheit letzter Schluss
Nun bleibt abzuwarten, ob die Verbesserungsvorschläge auf der nächsten Messe umgesetzt werden, oder ob Ludwig resp. das Kulturdezernat (das sich uns gegenüber nicht geäußert hat, Anm. der Redaktion) doch noch andere Pläne verfolgen. Wenn es beim besprochenen Wort bleibt, findet die nächste Messe 2013 wieder in den Zelten am Rheinufer statt, traditionell an Christi Himmelfahrt vom 9. bis 12. Mai. Wobei … am 9. Mai läuft auch der Gutenberg Marathon entlang des Rheins. Die Verantwortlichen denken daher bereits über einen neuen Termin für die Messe nach, möglicherweise im Frühjahr. Ob es damit wohl beim einzigen Traditionsbruch bleibt?
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