“Ich bin umgezogen, wohne aber noch in derselben Wohnung.” So oder so ähnlich lauten “Umzugsmeldungen”, wenn Straßen umbenannt werden. Straßenschilder dienten immer schon als öffentlich sichtbare „Orden- und Ehrenzeichen“. Nachvollziehbar, dass mit wachsendem (und wechselndem) politischen Bewusstsein entsprechende Benennungen diskutiert werden. Seit etwa zehn Jahren haben Städte quer durch die Republik – und darüber hinaus – Kommissionen zur Überprüfung der Namen gebildet.
Namen der NS-Zeit
Die Mainzer Arbeitsgruppe „Historische Straßennamen“ wurde 2011 berufen. Von den Stadtratsfraktionen beschickt, legte sie kürzlich ihren Abschlussbericht vor. Nach Kriterien wie Mitgliedschaft in der NSDAP, Unterstützung der Nazis, öffentliche Äußerungen nach 1945 usw. versucht man eine neue „Entnazifizierung“ der Straßennamenträger. Außerdem wurden Umbenennungen zwischen 1933 und 1945 geprüft. Die Folge waren Anträge in den Ortsbeiräten. In der Neustadt etwa soll die Pfitznerstraße umbenannt werden (geachteter Komponist und Nazi-Anhänger). In Hechtsheim geht es um die Ina-Seidel- Straße. In Finthen um Agnes Miegel (Autorin mit Nazi-Nähe). Mittlerweile werden sogar Hindenburg (Helfer der Nazis?) oder Bismarck diskutiert (er habe die Arbeiter in die Sozialversicherung gezwungen und als Kanonenfutter missbraucht, so ein Antrag in Landshut). In Münster wurde der „Hindenburgplatz“ 2012 nach mehrfachem Hin und Her aufgrund eines Bürgerentscheids in „Schlossplatz“ umbenannt. Dass bei all diesen Diskussionen die politischen Mehrheitsverhältnisse in den Städten eine entscheidende Rolle spielen, dürfte klar sein. Kompliziert in Mainz: Der „117er Ehrenhof“. Vor 1933 Georg Forster gewidmet, dann für wenige Monate dem SA-Mann Horst Wessel, und im selben Jahr auf Drängen von Veteranen dem 1919 aufgelösten großherzoglich-hessischen Infanterie- Regiment. Bis heute feiert auf dem etwas verkommenen Platz in der Neustadt die Burschenschaft „Germania Halle“ die 263. Infanterie- Division aus dem 2. Weltkrieg, für die dort ein Ehrenmal steht.
Kosten und politische „Wahrheiten“
Umbenennungen von Straßen kosten nicht nur ein paar Schilder. Von neuem Briefpapier, Visitenkarten und Websites der Anlieger über Personalausweise, Stadtpläne, Grundbucheintragungen bis hin zu Google Earth, Routenplaner und Navis muss vieles geändert werden. Welche Kosten davon eine Kommune übernimmt, sei dahingestellt. Eine Alternativlösung: Das Anbringen von historisch-kritischen Informationstafeln statt der Umbenennung. Es geht ja nicht um Horst-Wessel- oder Hermann-Göring- Straßen, sondern um Personen, die einen Beitrag für die Menschheit geleistet haben: Komponisten, Dichter, Ärzte, Wissenschaftler, und auch Politiker. Und schon geraten Ferdinand Sauerbruch, Wernher von Braun oder Theodor Heuss (stimmte 1933 für das Ermächtigungsgesetz) in die Diskussion. Mitläufer, Sympathisanten, gar Steigbügelhalter?
Abwägungssache und politische Mehrheiten
Dass der Wiesbadener Ortsbeirat Nordost die dortige Pfitznerstraße kritisch mit einer Info bedenken wollte, genügte dem dortigen Stadtrat nicht. Er wollte umbenennen und kippte den Beschluss – was auch eine Diskussion über die Entmündigung der Ortsbeiräte auslöste. Dass in Mainz die Höhere-Töchterschule 1938 nach dem Minnesänger Frauenlob umbenannt wurde, ließ einige Lehrkräfte das Jubiläum des Dichters 2018 nur mit Zähneknirschen und halbherzig begehen. Verdächtig ist der Mittelaltermann selbstredend nicht. Aber was ist mit dem Antisemiten Richard Wagner? Oder Hölderlin, den die Nazis ebenso verehrten? Zu allen Zeiten haben politische Systeme Gestalten der Vergangenheit instrumentalisiert. So erging es auch noch Adam Karrillon zu seinen Lebzeiten. 1933 erhielt die Straße in der Mainzer Neustadt ihren Namen – wie es heißt, weil er der einzige bekannte lebende Dichter der Region mit „arischer“ Abstammung und politisch unverdächtig war. Strenge Kritiker sagen jedoch, diese Ehrung zu seinem 80sten hätte er ablehnen müssen. Die letzten Lebensjahre des eher unpolitischen Mannes wären dann sicherlich anders verlaufen. Die Mainzer Kommission empfiehlt hier: keine Umbenennung. Übrigens gibt es schon seit 1994 die Studie des Mainzer Frauenbüros über das Verhältnis von in Straßennamen geehrten Frauen- zu Männernamen. Derzeitiger Stand: 12 zu 88 Prozent. Auch hier könnte man(n) nachbessern.
Text Minas
Konsequenz für die Gegenwart und Zukunft: Besser Straßen, Plätze und Ort nicht nach Personen benennen. Sondern nach Dingen oder Sachverhalten. Die Gedanken, Meinungen und Taten, Handlungen eines Menschen sind nie durch und durch postiv zu bewerten ; da sind auch immer nicht so rühmliche\vorbildliche Eigenschaften zu finden . Und die Maßstäbe können sich schnell ändern.