Wer etwas über das Leben von Maximilian Pollux wissen möchte, muss ihn nicht persönlich kennen lernen. Der 37-Jährige ist seit einem Jahr eine Internetpersönlichkeit und veröffentlicht vor allem über YouTube regelmäßig Videos. Über 150.000 Abonnenten hat Pollux hier in kurzer Zeit gesammelt: Er steht damit zahlenmäßig Seite an Seite mit bekannten YouTubern und Influencern und passt dennoch kaum zu seinen Netzkollegen.
Auf seinem Kanal berichtet der in Nürnberg und im Nürnberger Umland aufgewachsene Pollux von seiner kriminellen Vergangenheit – und die hat es in sich: Drogenhandel, Waffenschmuggel & Co. im Teenageralter und schließlich fast zehn Jahre Gefängnis. All jene Erfahrungen schildert der inzwischen in Mainz wohnende Pollux im flashigen You-Tube-Style mit Jumpcuts, aber im Grunde vollkommen nüchtern. Sein Ziel ist es nicht, mit reißerischen Gangster-Geschichten Klicks zu generieren, sondern im weitesten Sinne Präventionsarbeit für junge Menschen zu leisten. https://www.youtube.com/channel/UCN-icupwg8pLzxKmEX4xvyg
Prävention statt Poker
Pollux‘ online-Aufklärung ist das neueste Kapitel seines Schaffens und Corona-Konsequenz. Schon lange bevor sich der 37-Jährige im Netz einen Namen machte, geht er mit seinem Verein SichtWaisen e.V. in Schulen und bietet dort mit seinem Team – zu dem auch seine Frau gehört – Präventionsworkshops an. Zusätzlich ist Pollux als Autor tätig und hat nach seiner Gefängnisvergangenheit einen Roman sowie eine viel beachtete Kurzgeschichte veröffentlicht – beide im Themenkosmos Kriminalität. Den aktuellen Lebensweg hat der zugezogene Mainzer jedoch nicht schon hinter Gittern entworfen. Damals wollte er Pokerspieler werden, was nach der Entlassung weniger gut funktionierte, als er erhofft hatte: „Im ersten Jahr nach dem Gefängnis war ich äußerst gefährdet, rückfällig zu werden“, erinnert er sich und ist stolz, durch die Präventionsarbeit diese Phase hinter sich gelassen zu haben. Auch der YouTube- Durchbruch im Jahr 2020 ist mehr oder weniger zufällig entstanden. Aus Mangel an Möglichkeiten beginnt Pollux, in seiner Mainzer Wohnung Videos zu drehen, in denen er seine Vergangenheit thematisiert. So führt er online seine wichtige Arbeit fort, hilft jungen Erwachsenen und weist auch auf die angespannte Situation von SichtWaisen e.V. hin: Durch die Ausfälle der Präsenzveranstaltungen ist der Verein auf Spenden angewiesen, um seine beratenden und unterstützenden Ehrenamt-Leistungen weiter anbieten zu können.
Neues Image von Kriminalität
Die YouTube-Aktivität ist wie die Autorentätigkeit zwar vom Verein getrennt und stärker personalisiert, verfolgt aber grundsätzlich identische Ziele. Für Pollux ist es elementar, „gefährdeten“ Jugendlichen ein realistisches Bild von Kriminalität aufzuzeigen und ihnen vor Augen zu führen, wie unerfüllt das Gangsterdasein ist. Er selbst wünscht sich rückblickend, dass man ihm das mit 14 oder 15 Jahren verdeutlicht hätte: „Da hätte ich jemanden treffen müssen, der ziemlich präzise das ist, was ich heute bin. Jemanden, der mir zeigt, dass ich auch abseits der Kriminalität ein aufregendes Leben führen kann.“ Gerade das über Film und Fiktion häufig vermittelte Image von Kriminalität ist Pollux ein Dorn im Auge. So prangert er die Stilmittel und Erzählweise diverser Gangster-Filme an, die letztlich eine Glorifizierung herbeiführen und einen falschen Eindruck bei jungen Erwachsenen hinterlassen können. Diese Kritik verknüpft er auch mit einem Vorhaben für die nächsten Jahre: „Ich würde gerne den ersten Gangster- Film machen, der keinen dazu bringen wird, selbst eine Straftat zu begehen.“ Hierfür stünde er gerne bereit als Drehbuchautor oder kreativer Berater.
Absolutes Privileg
Für den Moment bleibt dieser Plan jedoch Zukunftsmusik, genau wie ein eventuelles Bühnenprogramm, mit dem Pollux liebäugelt. Durch den rasanten Aufstieg zur Internetpersönlichkeit mitsamt positivem Kritiker-Echo hat der Künstler aktuell alle Hände voll zu tun und zeigt als Beweisstück die zahlreichen Notizzettel, die an die Wände seiner Wohnung in der Neustadt gepinnt sind. „Ich habe gerade nicht wirklich ein anderes Leben“, gibt Pollux zu und wirkt damit aber keineswegs unglücklich. Obwohl er für seine Videos von einer Kamerafrau und Cutterin unterstützt wird und seit kurzer Zeit auch ein Management besitzt, bleibt dem 37-Jährigen nur wenig Zeit für seinen Hund und sein Hobby Sport, welches er gerne zum Runterkommen ausübt. Besonders zeitintensiv ist der Austausch mit seinem YouTube-Publikum, um das sich Pollux intensiv kümmert. Viele Jugendliche wenden sich mit Lob, Fragen und Problemen an ihn, was er als „absolutes Privileg“ bezeichnet. So überrascht es nicht, dass Pollux auch mit dem neuen Ruhm und dem einhergehenden Ansprechen auf der Straße gut klarkommt. „Viele Leute erkennen mich mittlerweile auch mit Maske an der Stimme. Das ist aber kein Problem, weil ich noch keine negativen Erfahrungen gemacht habe oder mir Menschen blöd gekommen sind.“ Noch eine der vielen Veränderungen im neuen Lebensweg des Maximilian Pollux …
Text Till Bärwaldt
Fotos Carolin Auer