Text: Martin Frey
Illustration: Hendrik Schneider
Meine Vision von einer demokratischen Energiezukunft: Wenn wir wollen, dass der Umbau unserer Energieversorgung rasch beginnt und möglichst an jeder Ecke angegangen wird, muss das dezentral erfolgen. Vergessen wir schwärmerische Verheißungen von Wüstenstrom und Offshorewindparks – teure Gigantomanie, die – wenn überhaupt – zu spät kommen wird und nur Gewinn für die Großen bedeutet. Viel mehr gefragt ist eine Energiewende „Made in Mainz“ – von Mainzern für Mainzer. So kann es klappen.
Lokale Projekte und Mut
Die Energiewende bietet für jeden Einzelnen viel mehr Möglichkeiten als das alte Kohle-, Atom- und Erdölzeitalter dies je konnte. Prinzipiell kann jetzt jeder selbst Energie erzeugen: mit Solaranlagen auf dem Dach, Heizungen mit Erdwärme oder Biomasse wie Holzpellets oder Stückholz. Die Beteiligung an Projekten Dritter ist ebenfalls möglich, sei es im Bereich von Windkraftoder Solaranlagen, Biogas-Erzeugung oder sonstigen Initiativen. Bereits aufgelegte Beteiligungsprojekte wie die Solarsparbriefe von Schott Solar zusammen mit den Mainzer Banken und Stadtwerken wurden den Verantwortlichen binnen weniger Stunden förmlich aus den Händen gerissen.
Vor allem die Stadtwerke sind gefragt. Sie müssen neue Geschäftsfelder, wie beispielsweise Elektromobilität, Speichertechniken und intelligente Zähler, entwickeln. Wenn der Zähler „mitdenkt“, kann die Spülmaschine immer dann loslaufen, wenn Wind aufkommt und der Strompreis niedrig ist. Auch Elektroautos könnten große Mengen an Windstrom speichern. Notwendig für das Gelingen der Energiewende sind neben privaten Initiativen aber auch Menschen mit Visionen und unternehmerischem Mut. Damit deren Projekte Realität werden, müssen Investoren und Banken Gelder bereitstellen.
Denn die Energiewende ist zugegeben keine billige Angelegenheit. Dennoch zeigt eine aktuelle Umfrage von TNS Infratest, dass fast 80 Prozent der Bürger die Förderung erneuerbarer Energien über den Strompreis begrüßen. Viele wissen, dass auf diese Weise Gelder vor Ort bleiben, Arbeitsplätze entstehen, Gewerbesteuer eingenommen wird und Bauern Pachteinnahmen erzielen. Diese lokale und regionale Wertschöpfung kann für eine Stadt wie Mainz ein Plus von etlichen Millionen Euro im Jahr bedeuten – Geld, das ansonsten in Öl und Gas-Förderländer abfließt, ohne dass es je wiedergesehen würde. Vielleicht werden also unsere Handwerker und Stadtwerke zu so etwas wie den Ölscheichs der Zukunft.
Blick in die Zukunft
Wir sind auf einem guten Weg: Längst vorbei die Zeiten, als man noch ein Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue voranbringen wollte. Inzwischen werden die Bürger einbezogen und es kommen Stromspeicher, um die schwankenden, teils saisonal abhängigen, erneuerbaren Energien auszugleichen. Denn es muss immer dann Strom vorhanden sein, wenn er gebraucht wird. Dazuwollen die Stadtwerke Mainz in Niederheimbach (45 km westlich von Mainz) am Mittelrhein bis 2019 ein Pumpspeicherkraftwerk bauen. Es dient der Speicherung von elektrischer Energie durch Hochpumpen von Wasser. Wie man sieht, funktioniert die Versorgung einer Großstadt wie Mainz nicht ohne das Umland. Gute Nachbarschaft, vorausschauende Politik und Transparenz sind gefragt.
Weiterhin steht konkret an: Die bestehenden Windparks rund um Ebersheim sind auszubauen und zu modernisieren. Neue Flächen, etwa für Solarkraftwerke rund um den Layenhof, sind zu erschließen, Parkplätze vom Real bis zum Messeparkplatz können solar überdacht werden. Möglichst schnell sind auch weite Teile der Mainzer Dachlandschaft mit Solaranlagen auszustatten – zur Stromerzeugung, aber auch zur Warmwasserbereitung. Gar nicht so einfach, denn bereits gegründete Genossenschaften finden nur schwierig Flächen. Wie motiviert man also Hausverwaltungen, Projekte von Dritten auf dem eigenen Dach zuzulassen? Viele Fragen müssen noch geklärt werden.
Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien sind genauso Einsparungen sowie der intelligente Umgang mit Energie gefragt: das eigene Häuschen dämmen, Fenster nicht ewig aufstehen lassen im Winter, das marode Rathaus wieder flott machen, Busse ohne unsinnige Klimaanlagen einkaufen – das alles sind Aufgaben für den Einzelnen, für die Kommune und für die Verkehrsbetriebe. Es gibt unendlich viel zu tun – und oft ist einfach auch nur mal das eigene Hirn einzuschalten.