Text: David Gutsche
Fotos: Katharina Dubno
Es ist fast unwirklich, das Gelände am Geiersköppelweg 2, hinten raus bei Gonsenheim. Eine von Schlaglöchern zerklüftete Piste führt, vorbei am Hundezüchterverein, hin zu einem schmiedeeisernen Tor – und was sich dahinter erstreckt, sieht aus, als hätte Western-Regisseur John Ford seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Eine vollständige Westernstadt, angelegt auf einem fast fußballgroßen Gelände, ragt hier aus dem Sand, umrandet von Wald und Bäumen. Am Kopf des Areals thront ein Saloon, wie ihn auch Karl May nicht besser beschreiben könnte – mit Klavier, Schwingtür und zahlreichen Accessoires. Spleenige Western-Musik dudelt aus der Anlage, und den Weg quer über den Platz säumen ein Sheriffoffice, eine heruntergekommene Kapelle, eine alte Schmiede sowie die beiden Wohnhäuser „Guns‘n’Pistols“ und „Bank / Postoffice“. Augenblicklich fühlen wir uns wie im Bad Segeberg von Mainz. Und tatsächlich wurden hier schon einige Streifen gedreht: Ein Fall für Zwei mit Claus Theo Gärtner, aber auch Sonja Kirchberger und Raimund Harmstorf gaben sich bereits die Ehre.
Jesse packt aus
Noch sieht das Gelände jedoch ziemlich verlassen aus, fast so, als hätte uns jemand in einen Hinterhalt gelockt. Tapfer betreten wir die ausgestorbene Stadt und nehmen Kurs auf den Saloon. Hinterm Tresen ein erster Verdächtiger: Ein echter Cowboy mit grauem, schulterlangem Haar, Hut mit Klapperschlangenhaut und einem Outfit aus dem Texas von1870. In seinem linken Stiefelschaft steckt ein Spitzmesser, im Holster ein Patronenrevolver. Dessen sechsschüssige Trommel hält 45 mm Kaliber Munition bereit – und ist geladen. „Sind Sie Herr Hartmann?“, fragen wir vorsichtig. „Nennt mich Jesse“, sagt der Cowboy.
1967 gründete Jesse – alias Dieter Hartmann – den „Westernclub Old Trappers e.V.“, zusammen mit zwölf Freunden. Damals hatte viele Deutsche das Western-Fieber gepackt: Überall entstanden Clubs, von denen auch heute noch einige existieren. „Der Western boomte“, erinnert sich Jesse. „Wir haben Bücher darüber gelesen. Vieles, was man so hörte, war natürlich Quatsch. Aber das Interesse war auf jeden Fall groß.“ Heute ist von den Gründungsmitgliedern nur noch der 68-jährige Jesse übrig – seine Kollegen sind verstorben. Dennoch umfasst der Verein rund zwanzig Männer, die nach und nach dazustießen.
Wohnen auf der Müllkippe
Ob er selbst schon mal in den Staaten gewesen ist, wollen wir wissen. Jesse verneint: „Da gibt es auch nichts mehr zu sehen von damals – außer vielleicht ein paar Plastikkakteen. Wenn überhaupt, würde mich noch Kanada interessieren.“ Doch ob es eines Tages dazu kommen wird, ist fraglich. Schon einmal sind Jesse und seine Frau Elisabeth umgezogen. 1982 bis 1999 unterhielten beide eine Kneipe im Hunsrück. Danach übernahmen sie das Gelände am Geiersköppelweg, ein Erbe seiner Frau. Einst wurde auf dem Gelände Sand für Schotts Quarzproduktion abgebaut, später diente es als Müllkippe. „Als wir anfingen, die Stadt aufzubauen, mussten wir alles entrümpeln“, erinnert sich Jesse, „aber am nächsten Tag war gleich wieder alles voll Müll.“ So bauten sie einen Zaun drum rum, dann den Saloon und schließlich Häuser, die Werkstatt und die Kirche. Heute lebt er zusammen mit seiner Frau auf dem Gelände im Guns’n‘Pistols. „Eine Wohnerlaubnis zu bekommen, war damals kein Problem“, lächelt er, „die ehemaligen Bürgermeister Jockel Fuchs und Karl Delorme haben hier ganz gern einen getrunken.“
Um die laufenden Kosten für Reparaturen und Instandhaltung zu decken, wurde das Restaurant im Jahr 2000 öffentlich gemacht. Der Verein nimmt keine Mitgliedsbeiträge, aber von den Mitgliedern packt jeder unentgeltlich mit an. Der Jüngste im Bunde mit 32 Jahren ist Sebastian: Er kümmert sich um den Grill. Früher arbeitete er bei großen Lebensmittel-Discountern als Manager, heute studiert er wieder: Deutsch und Erdkunde auf Lehramt, aus Leidenschaft. Ein anderer Westernfan ist Manfred, 55 Jahre und Staplerfahrer bei einer Mainzer Baustofffirma. Er ist seit acht Jahren Mitglied bei den Old Trappers und heute Abend für die mexikanischen Bohnen zuständig. „Ich bin irgendwann mal mit einem Kollegen gekommen und seitdem hiergeblieben“, sagt er. „Ist super hier.“ Unserer Fotografin besonders sympathisch ist Lutz Sternberg, fünfzig Jahre, LKW-Fahrer und seit zehn Jahren Mitglied bei den Old Trappers. Wenn Lutz die Bretter im Saloon entlang schreitet, klingeln die Sporen an seinen Stiefeln. „Wir sind eine eingeschworene Truppe“, lässt er verlauten.
Grill und Chill(i) am Samstag
Jeden Samstag geht es hoch her bei den Trappers. Der Saloon wird geöffnet und viele Besucher kommen, um Western-Feeling zu erleben, abzuschalten oder einfach, um sich an den Mahlzeiten vom Indoor-Holzkohlegrill zu laben. Es gibt Bier, Whiskey und sehr empfehlenswerte 400 Gramm-Steaks vom Rind oder Schwein mit deftigen Bohnen. Manche Gäste kommen im Cowboy-Outfit, viele aber auch in Zivil oder mit ihren Kindern, Alt und Jung gemischt. Eine Frauengruppe schießt Fotosvon einigen Männern, die von Bürohengsten zu Großstadtcowboys avanciert sind. „Hier hat auch schon die komplette Frauenabteilung vom Josefskrankenhaus gefeiert“, erzählt Jesse, „das war die beste Party, die wir je hatten. Die haben in wirbelnden Röcken den Cancan getanzt und den Oberarzt haben sie im Knast eingesperrt.“ Auch das Bundeskriminalamt nutzt die Räumlichkeiten für Partys – einmal Sheriff ist eben immer Sheriff. Und so ziehen Jesse und Lutz an ihren Glimmstängeln und wir von dannen.
www.westernclub-old.trappers.de.pn
Geiersköppelweg 2
Öffnungszeiten: Nur samstags von 18 bis 24 Uhr. Gegrillt wird von 20 bis 21.30 Uhr.
Ansonsten auch für geschlossene Gesellschaften ab 50 Personen.