Sylvain Thollon – der neue Leiter des Institut francais – über Rock’n’Roll, Deutschland und seine Projekte in Mainz.
Was macht das Institut français ?
Das Institut français ist eine staatliche Institution zur Förderung der französischen Sprache und Kultur, im engen Austausch mit anderen Kulturen. Es gibt außerhalb von Frankreich 143 Einrichtungen, die der Institution angehören. Sie unterstehen dem französischen Außenministerium und Kulturministerium und haben somit etwa die Struktur und Funktion der Goethe-Institute. Ich bin also hier, um Netzwerke mit institutionellen und kulturellen Partnern in Rheinland-Pfalz aufzubauen. Mein favorisierter Bereich ist die Musik und der deutsch-französische Kulturaustausch.
Wieso spielt Musik für Sie eine so große Rolle?
Das war schon in meiner Kindheit so. Da gab es viel Musik in der Familie, ich habe Klavier gespielt und später in Bands in den 80ern zu Zeiten von The Clash und den Sex Pistols. Ich bin eigentlich Bassist und habe auch in der bekannten französischen Band „Les Porte-Mentaux“ gespielt, die einen großen Hit hatten: „Elsa Fraulein“. Es gab aber irgendwann einen Konflikt und die Band hat sich schließlich 1990 aufgelöst. Ich habe dann mit 30 Jahren wieder studiert und zwar BWL, war aber auch drei Jahre lang Tour-Manager und bewarb mich schließlich in die französische Kulturarbeit.
Wo waren Sie für Frankreich überall unterwegs?
Ich war hauptsächlich in Deutschland, im Institut francais Stuttgart und München, aber auch in der Kulturabteilung der französischen Botschaft in Berlin sowie beim deutsch-französischen Jugendwerk, und dann als Leiter des Musik-Export- Büros in Berlin und in London. Da habe ich französische Musik exportiert, also Touren und Konzerte in Europa veranstaltet. Das wurde von den französischen Labels finanziert. In Berlin habe ich übrigens auch noch eine Wohnung: in Mainz bin ich seit September. Das war bisher hier sehr interessant, aber auch anstrengend, und es wird voraussichtlich auch meine letzte offizielle berufliche Station sein.
Warum sprechen Sie so gut Deutsch?
Ein Teil meiner Familie ist deutsch. Meine Schwester wohnt in München. Ich bin nahe an der schweizerisch-französischen Grenze am Genfer See aufgewachsen. Einige Familienmitglieder haben deutsch eingeheiratet. Und jeder macht übrigens auch Musik, aber man sollte es lieber nicht zu seinem Beruf machen, wurde uns immer beigebracht…
Welche Projekte planen Sie aktuell?
Ich höre gern Punkrock und Indie, daher gibt es am 11. Juli zusammen mit dem Kulturclub schon schön ein Konzert der Band „Bandit Bandit“. Dann haben wir öfters den Rundgang mit der Kunstinitiative PART, aber auch zuletzt die Eröffnung des Kultursommers in Trier, oder französische Autoren, die bei uns lesen, sowie Kooperation mit der Hochschule für Musik – hier haben wir eine gemeinsame Konzertreihe, die jeden Monat eine offene Bühne für Talente bietet. Ich promote gerne junge Künstler und diskutiere über aktuelle Themen, etwa den Klimawandel, LGBT, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern sowie Digital Media vs. Fake News.
MENSCH
Sie wirken eher wie ein Konzertveranstalter / Booker als ein Attaché oder ähnliches. Wie passt das zusammen?
Die große Frage: Verwaltung oder Rock’n’Roll? Viele Leute haben aber solche Lebensläufe. Man muss auch den Kulturbereich verstehen, ich halte das für gut. Oder Kenntnisse über Finanzen haben, die sind sehr nützlich. Ich bin auch kein Diplomat, das ist nicht meine Aufgabe, dafür gibt es einen Honorarkonsul. Ich versuche mich hauptsächlich im Kultur- und Musikbereich aufzuhalten.
Haben Sie Familie, Kinder, Hobbies?
Familie nein. Ich habe so viele berufliche Stationen, das würde vermutlich nicht klappen. Sonst mache ich immer noch Musik und spiele Bass. Und Motorrad fahre ich seit 40 Jahren, da habe ich eine Harley. Mir gefällt auch alles, was sich auf einer Bühne abspielt, also Tanz, Theater, hier in Mainz auch tanzmainz oder das Figurentheater. Da habe ich zuletzt ein Stück hierher geholt zusammen mit Nike Poulakos vom Kultursommer, die in Mainz das Figurentheater- Festival „No Strings Attached“ veranstaltet, das im Oktober wieder stattfindet.
Wie gefällt Ihnen Mainz ansonsten?
Ich lebe seit 25 Jahren im Ausland, wusste aber nicht, dass die Leute hier so viel Wein trinken. Ich wusste vorher auch nichts von der französischen Geschichte von Mainz. Hier ist man wirklich frankophil, das ist super. Die Stadt ist auch sehr kulturengagiert, mit vielen Projekten, während wir in Frankreich zum Teil nur darüber reden, statt etwas umzusetzen.
Zuletzt gab es wieder Proteste in Frankreich. Warum nicht so oft in Deutschland?
In Frankreich geht man mehr auf die Straße. Bei der Benzinpreis-Erhöhung zum Beispiel oder was auch immer blockiert der Franzose die Straßen – auch kürzlich bei der Rentenreform. Das gehört zur französischen Kultur, manchmal ist es vielleicht zu viel. In England und Deutschland findet man das eher selten. Es ist auch eine Frage, wie Gewerkschaften und Firmen, oder gar ganze Länder organisiert sind.
Wo sehen Sie sich in Rente?
Ich liebe den Schwarzwald und die Alpen, aber ich habe noch keine Ahnung, wohin mich das Leben verschlägt. Berlin vielleicht. Oder vielleicht bleibe ich ja auch hier (lacht). Ansonsten fühle ich mich meistens dort zuhause, wo ich wohne, also gerade in Mainz. Ich wohne hier direkt am Rhein, am Zollhafen. Das habe ich mir schon vor dem Job aus beruflichen Gründen gebucht. Innerhalb von vier Stunden hatte ich meine Wohnung.
Interview David Gutsche Foto Jana Kay