Aus für rotes Licht am Bahnhof? Wenn es nach Rechts- und Ordnungsamtsleiter Ulrich Helleberg geht, soll das Laufhaus „Crazy“ dichtmachen. Ausgerechnet das „neue“ Prostitutionsschutzgesetz von 2017, welches die Prostituierten schützen soll, verlange dies. Denn: „Das Prostitutionsgewerbe wird hier in einem Sperrbezirk ausgewirkt“. Dieser Bereich umfasst die Neustadt bis zur Goethestraße, die Altstadt bis zum Winterhafen, große Teile der Oberstadt und einen kleinen Teil vom östlichen Bretzenheim. Hinzu käme, dass ein Bordell zu versagen ist, wenn seine örtliche Lage dem öffentlichen Interesse widerspricht. Dies gelte auch, wenn eine Gefährdung der Jugend zu befürchten ist. Und das sei im Bahnhofsbereich der Fall. Eine Schließungsverfügung mit Sofortvollzug wurde bis zum 31. Januar dieses Jahres erlassen!
Moulin Rouge
Szenenwechsel nebenan in die Schottstraße. Mitte Januar rückte die Feuerwehr mit großem Aufgebot zum Bahnhof an: Das Hotel Königshof soll brennen. Im Laufe der Brandbekämpfung wird jedoch festgestellt, dass das Feuer von der angrenzenden Stripbar „Moulin Rouge“ kommt. Später wird eine 19Jährige festgenommen. Sie steht im Verdacht, den Erotikclub vorsätzlich in Brand gesteckt zu haben. Die Ermittlungen dauern an. Die Räume der Bar wurden durch das Feuer zerstört. Betreiberin Maria Cortese (58 Jahre) will trotzdem weitermachen. Sie beschäftige ein halbes Dutzend festangestellter Stripperinnen. Eine Brandversicherung gab es nicht: „Wenn es finanziell und organisatorisch machbar ist, wollen wir definitiv wieder öffnen. Vorher brauchen wir aber auch noch die Genehmigungen der Behörden“, sagt sie in der Allgemeinen Zeitung. Und die Behörden? Die haben keine Bedenken, was das angeht. Stadtsprecher Marc André Glöckner: „Das Moulin Rouge ist kein Bordell, sondern eine Gaststätte mit Zurschaustellung von Personen. Hier ist das ProstSchG nicht einschlägig. Aktuell liegen uns keine Erkenntnisse vor, die eine Schließung rechtfertigen oder fordern würden.“ Beobachter sehen die Situation allerdings anders. Von Abzocke und einschlägigen Praktiken im Moulin Rouge ist die Rede. Schutz der Jugend – Fehlanzeige. Was Crazy und Moulin Rouge angeht, wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen.
Crazy
Wie aber geht es nun mit dem Crazy weiter? Zur vermeintlichen Schließung gab es auch noch einen Polizeieinsatz Ende Januar – Routinekontrolle. Bordelle werden im Abstand von zwei Monaten geprüft. Gefunden wurde kaum etwas. Gegen einen Mann lag ein Haftbefehl vor, der vor Ort vollstreckt wurde. Der Mann beglich den geforderten Geldbetrag und ist auf freiem Fuß. Zudem wurde eine Schusswaffe gefunden. Zwischen der Kontrolle und dem Entzug der Konzession gibt es keinen Zusammenhang. Die Betreiber des Crazy stellen jetzt auf Bestandsschutz an dieser Stelle ab. Ihr Rechtsanwalt in der AZ: „Wir haben vor, uns das Vorgehen nicht gefallen zu lassen.“ Laut Stadt Mainz sei im ProstSchG aber keine Bestandsschutzregelung enthalten. Bereits Mitte 2019 hat die Stadt deshalb ein Antrag auf Fortführung des Gewerbes abgelehnt. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Crazy-Anwalt nun einen Eilantrag gestellt, um eine Aufschiebund zu erreichen. Vermutlich Anfang März wird sich das Gericht zu dem Fall äußern. Es könnte dann durch weitere Instanzen gehen. Bis dahin bleibt das Crazy geöffnet.
Gemischte Gefühle
Helga Tauch, Referentin bei der internationalen Menschenrechtsund Hilfsorganisation Solwodi, bewertet die Entscheidung der Stadt mit gemischten Gefühlen. Grundsätzlich setzt sich Solwodi dafür ein, dass der Kauf von Sex in Deutschland verboten wird. „Noch sind Bordelle aber die Realität“, sagt Tauch gegenüber der AZ. Wenn sie von der Innenstadt ins Gewerbegebiet verdrängt werden würden, könne sich eine Stadt zwar „sauber präsentieren“, das Elend der Frauen wird damit aber nicht ungeschehen gemacht. Es wird nur aus dem Blickfeld verdrängt.“ Die Sexarbeiterinnen könnten nach einer möglichen Schließung des Crazy in die umliegenden Puffs nach Hechtsheim, Kastel & Co. ziehen – oder wer weiß, vielleicht sogar ins Moulin Rouge? Das dürfte dann als einzige Rotlicht-Bar bzw. „Gaststätte“ am Bahnhof Hochkonjunktur feiern. Und die Freier – die fahren ins Bahnhofsviertel nach Frankfurt!
Panos Lokus
Fotos: Stephan Dinges