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ASV Mainz 88 – Ringen um die Zukunft


von Benjamin Schäfer, Fotos: Katharina Dubno

In Mainz ist das Fieber des Ringsports ausgebrochen. Der ASV Mainz 88 ist deutscher Mannschaftsmeister. Doch nach dem Sieg der Schock: Ringen soll ab 2020 als olympische Disziplin abgeschafft werden. Ein Porträt von Unbeugsamen.
„Man wird abgehärtet, steht einfach wieder auf“, lautet das lakonische Credo von Pascal Eisele. Ringen ist ein harter Sport, und der Zwanzigjährige, der im Trainingsanzug mit Bundeswehr-Emblem auf der Matte in der Sporthalle herum lümmelt, hat sich ihm voll verschrieben. Er spricht in seinem eigenen ruhigen Tempo am Abend des Aschermittwoch, während sich gut zwanzig Männer in der Halle des ASV 88 Mainz in Weisenau verkeilen, werfen, kämpfen. „Morgen wird gewogen, am Freitag ist Kampf. Vor zwei Tagen hatte ich noch fünf Kilo mehr Gewicht. Ich habe einen trockenen Mund“, keucht der Sportler.

Bangen um Olympia
Mit fünf Jahren fing Eisele mit dem Ringsport an – durch eine befreundete Familie. Eisele kämpfte sich hoch: Vom Heimatverein SV Fahrenbach im Odenwald ging es über Schriesheim schließlich zum ASV, wo er gerade den Vertrag für sein drittes Jahr unterzeichnet hat. „Ringen ist mein Leben. Und wir trainieren alle auf Olympia hin“, erklärt er eindringlich. „Es wäre eine Katastrophe, wenn dieser Sport herausfallen würde.“ Erst im September entscheidet das Olympische Komitee endgültig, ob die Ringer aufs Kreuz gelegt werden. Die Anspannung wird also bis dahin mit Training niedergerungen, bei Eisele zwei Mal am Tag. Denn er ist seit 2010 Sportsoldat bei der Bundeswehr, die ihn für Wettkämpfe und Training freistellt. In Bruchsal stationiert, trainiert er in der Sportschule Schifferstadt. Alles lief für ihn auf den Leistungssport Ringen hinaus, auch wenn er dafür eine Ausbildungsstelle als Mechatroniker in den Wind geschlagen hat, sehr zur Sorge seiner Eltern. In der Schulzeit musste er seinen Freunden „immer absagen“ wegen des Trainings im entfernten Aschaffenburg. Und auch heutzutage richte sich die Urlaubsplanung der Freunde nur nach ihm, erklärt der Sportler.

„Dann funkeln die Augen, dann brennt es so“
„Der Ringsport ist nichts Existenzielles“, räumt Trainer Baris Baglan ein, und nur durch die Sportförderung von Polizei und Bundeswehr gebe es „semiprofessionelle Sportler“. Auch Pascal Eisele möchte nach Abschluss von Fachabitur und Soldatenzeit zur Polizei gehen. Was ist also das Besondere an diesem Sport, an diesem Verein? „Auf der Matte bist du nervös, unter Druck, da gibt es nichts mit Ausreden“, so Ringer Eisele. „Bei hohen Zuschauerzahlen kommt die Aggression von alleine. Dann funkeln die Augen, dann brennt es so.“ Man müsse aber „ganz da sein“ und nicht nur wild auf den Gegner losrennen, beschreibt der Sportler. „Wenn du dann gewinnst, hast du Glücksmomente und vergisst dein Leid.“ „Wir sind die verschworenste Gemeinschaft“, beschreibt Baglan, der auch sportlicher Leiter des ASV ist, den Teamgeist seines Clubs. Dem kann auch Eisele beipflichten: „Egal ob Rumäne, Georgier, Türke, Deutscher – einer ist für den anderen da.“ Denn der ASV 88 Mainz ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, viele der Sportler kommen aus Osteuropa und der Türkei, „Traditionsländer“ der Ringer.

Ringen bei Wasser und Brot
Der Mix scheint zu stimmen: Seit 2007 war der ASV von der Regionalliga bis in die Bundesliga aufgestiegen. Nach den „goldenen Zeiten“ in den Siebzigerjahren, in denen man zweimaliger deutscher Mannschaftsmeister wurde, sei man nun wieder „erstklassig“ geworden, erklärt Baglan. Den Team-Geist des Vereins wollen die Sportler auch in die Schulen bringen: „Raufen nach Regeln“ heißt das Programm, in dem seit Anfang des Jahres in fünf Mainzer Brennpunkt-Schulen Ringsport-AGs angeboten werden. Das Projekt kann noch wachsen, Sponsoren und qualifizierte Lehrkräfte werden gesucht. Nachwuchshoffnung Eisele hat seine Lektion schon gelernt: Er wird am nächsten Tag nach Bulgarien abreisen – mit trockenem Mund. „Beim Ringen lernst du Wasser und Brot wieder zu schätzen“, stellt der Ringer fest.