Die Arschfalten leben noch und geben 2 Konzerte in der Heimat: am 13.12. im Kulturpalast Wiesbaden und am 14.12. im Baron Mainz. Wir haben Sänger Jürgen Maria Kaiser interviewt: (Interview: Swantje Francke, Foto: Ramon Haindl)
Nach zwei Jahren Pause steht das Arschfaltenquintett wieder auf der Bühne. Was erwartet uns?
Unsere jetzige Tour steht unter dem Motto „Mutanten der Liebe“. Sie markiert den Abschluss unserer Randgruppen-Symphonie oder -Trilogie, die damals mit „Voulez-vous Voodoo?“ begann und sich vor zwei Jahren mit „Klon der Angst“ fortsetzte. Ich nenne es auch weniger ein Konzert als vielmehr ein Schauspiel oder eine Performance. Ein Höhepunkt ist, wenn jeder der Falten alle Welten der Gefühlslagen durchlebt, von Suizidgedanken bis hin zu völligster Verliebtheit.
Drei von euch wohnen zusammen in der so genannten K1 in Wiesbaden. Wie muss man sich das vorstellen?
Da ich da seit 17 Jahren dort wohne, erfülle ich die Rolle des Herbergsvaters und bin auch für die Reinigung der Nasszelle zuständig. Henning besticht durch kulinarische Experimente und Markus sorgt für die gute Laune. Die anderen beiden wohnen in Mainz. Aber das Zusammenwohnen hat sich nicht nur positiv auf die Bandentwicklung ausgewirkt. Denn seitdem drei Fünftel der Band zusammen wohnen, denkt man leicht: Ok, man sieht sich sowieso jeden Tag. Das hat den kreativen Prozess gebremst. Nichtsdestotrotz: Es gibt auf der Tour zwei neue Stücke.
Wie fing eigentlich alles an?
Die Arschfalten gibt es seit 14 Jahren. Unser damaliger Schlagzeuger kam auf den Bandnamen. In welchem Zusammenhang, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Wurde aber sofort angenommen. Wir waren anfangs nur zu dritt: Franco, einer der Betreiber der Dorett Bar, Wolfgang, der Schlagzeuger und ich. Unseren ersten Auftritt hatten wir in der Fiszbah mit fünf Liedern. Nach zwei Liedern kam das Ordnungsamt und stoppte das Konzert. Das war der Beginn der sagenhaften Karriere der Formation.
Warum tritt das Arschfaltenquintett immer verkleidet auf?
Mein Jugendidol war Adam Ant von Adam & the Ants. Die haben sich gern als Piraten oder Prinzen verkleidet. Nachdem sie sich aufgelöst hatten, trat Grace Jones in mein Leben. Ihre Kostüme hatten etwas Extravagantes, Androgynes, Geheimnisvolles. Auch die Kostüme von Lady Gaga, das Fleischkostüm beispielsweise, finde ich generell sehr gut. Ich könnte damit prahlen, dass wir zuerst mit Fleisch im Kostüm gespielt haben, zum Beispiel mit dem legendären Schinkenhemd, das meine damalige Freundin entwarf. Das war der Anfang von in die Show integrierten Metzgerei-Produkten, von Schweinemett- Bergen bis zu Blutfontänen. Man sollte Blut nur am selben Tag aufbrauchen. Einmal hatte ich Schweineblut an einem Sommertag nach Köln transportiert, wo wir einen Tag später einen Auftritt hatten. Als ich nur dran gerochen habe, musste ich brechen. Und es wird ja auch klumpig. Aber aus der Blutphase sind wir schon seit Jahren raus.
Gab es auch Bühnenmomente, die Dir peinlich waren?
So richtig peinliche Momente gab es eigentlich nicht. Aber bei einem Konzert trug ich einmal eine Erwachsenenwindel, die ich zu klein eingekauft hatte. Sagen wir es so: Mein Glied wollte ich eigentlich nicht zur Schau stellen. Das fiel mir aber erst im Nachhinein auf. Ich denke, das haben nicht allzu viele Leute gesehen. Die Bühne war zum Glück ziemlich niedrig. Ein anderes Mal habe ich zum Finale der Show mit Kissen experimentiert. Das Kissen habe ich direkt über meinem Kopf aufgerissen und die ganzen Federn sind in meinen Mund, Speise- und Luftröhre gelangt. Ich musste spontan die Bühne verlassen, um mich zu übergeben, damit ich wieder Luft bekomme.
Was treibst du sonst noch so?
Ich arbeite als Disponent beim Kurierdienst Freeway und schicke Fahrrad- und Autokuriere von A nach B. Acht Stunden täglich am Stück hänge ich am Telefon und delegiere Aufträge. Abends sehe ich mich dann gerne einfach mal schweigend und lautlos im eigenen Zimmer. Da brauche ich auch gar keine Musik und keine Ablenkung durch TV. Dann lese ich etwas. Außerdem tanze ich leidenschaftlich gern. Aber die Gelegenheiten werden seltener, ob meines Musikgeschmacks. Ich stehe nicht so auf elektronische Tanzmusik. Dazu kann ich mich nicht bewegen. Wenn ich in den Kulturpalast oder in den Schlachthof gehe, an Disco-Abenden, dann bin ich dort mit Abstand der älteste und fühle mich wie der dicke Onkel, der dort nichts verloren hat. Ansonsten kannst du mich als Kinohase bezeichnen. Ich gehe sehr gern in Lichtspielhäuser, wo ich dann auch Inspiration für unsere Shows finde.
Musik ist aber deine große Leidenschaft.
Ja, das ist sie. Ich musiziere, seit ich 14 bin. Damals in einer Band in Limburg. Die Band hieß Jürgen Pornelli und seine Spanner. Ich habe auch zehn Jahre in der Fiszbah aufgelegt, diese Karriere aber beendet, da sich das mit meinen Arbeitszeiten nicht vereinbaren ließ. Was ich noch sehr gerne mache, ist an Karaoke-Veranstaltungen teilnehmen oder gar selbst mitveranstalten. In der Fiszbah habe ich mich gern als Vorsänger präsentiert, um den Leuten mit meiner wunderschönen Ein-Oktaven- Stimme Mut zu machen. Dancing Queen gebe ich in solchen Fällen zum Besten.
Bekannt bist Du als Jürgen Maria Kaiser. Steht dieser Name tatsächlich so in deinem Personalausweis?
Nein. Den „Maria“ habe ich mir irgendwann selbst dazu gedichtet, weil ich mir einen Zweitnamen wünschte. Maria trugen schon große Persönlichkeiten im Namen: Jungfrau Maria, Maria Magdalena, Klaus Maria Brandauer. Darauf fing ich an, meine Mailbox und den Anrufbeantworter mit Jürgen Maria Kaiser zu betexten. Irgendwann fragte meine Mutter mich, wo der Zweitname herkommt. Sie war sehr verwundert. Ich antwortete ihr: „Den habe ich seit fünf Jahren.“ Gut findet sie es aber, glaube ich, nicht.
Sommers wie winters pflegst Du einen recht hellen Teint?
Ich nenne mich selbst den 20-Grad-Mann. Die Sonne ist nicht mein Freud. Ich bevorzuge die blasse Haut. Außerdem wäre da noch das Argument Familientradition zu erwähnen: Die ganze Familie Kaiser kann nicht schwimmen. Diese Tradition führe ich fort. Ich habe noch nie ein Schwimmbad von innen gesehen. Daher springe ich in den Sommermonaten gerne von Schatten zu Schatten. Den finde ich im Lichtspielhaus oder ich gehe erst zur Abenddämmerung vor die Tür. Für Festivals bin ich seit Jahren auf der Suche nach einer geeigneten Kopfbedeckung. Außer meinem Matrosen-Mützchen habe ich bisher noch nichts Adäquates gefunden.
Du zeigst auf der Bühne gern und viel Haut. Wie hältst du dich in Form?
Entschlackung durch Schlaf wird bei mir großgeschrieben. Dazu kommt Schach, und seit drei Jahren fröne ich dem Federballsport. Ich merke, dass mir das konditionell gut tut. Ich habe sogar diesen Sommer am Mainzer Firmenlauf im Team unseres Kurierdienstes teilgenommen. Da habe ich mal wieder gemerkt, dass mir Laufen überhaupt keinen Spaß macht, sogar totlangweilig ist. Aber ich habe die Laufstrecke von fünf Kilometern mit Hilfe von Abkürzungen dann doch geschafft und bin als 2483er ins Ziel gekommen. Die einzige Sporturkunde in meinem Leben – neben meinem Zehn-Finger-Schreibmaschinenkurs.
Arschfaltenkonzerte am: 13.12.13 Kulturpalast (Wiesbaden), 14.12.13 Baron (Campus Mainz)