Text: Monica Bege
Fotos: Frauke Bönsch
Wohnen und Arbeiten unter einem Dach – ein empfehlenswertes Konzept? Leidet das Privatleben unter dem Zustand, ständig abrufbereit und vor Ort zu sein? Wir besuchen das Ehepaar Sigi und Alfred Huff vom Studio Tonmeister im Medienhaus Mainz.
Die weiße Pracht blühender Kirschbäume, ein Wasserschutzgebiet und eine Frischluftschneise für die Mainzer Innenstadt im Rücken, blicken wir in Drais auf ein großes weißes Gebäude. Harmonisch geometrische Formen aus Stein, Stahl und Glas dominieren. Innen empfängt uns eine großzügige helle Eingangshalle. „Schließlich leben und arbeiten wir ier“, erklärt Alfred Huff das angenehme Ambiente. Ein Holzboden durchzieht das komplette Erdgeschoss, wo sich auch der Konzertsaal mit angrenzender Regie, die Filmkompositions-Werkstatt und die Synchronstudios befinden. Diese Arbeitsräume weisen eine nicht alltägliche Besonderheit auf: Der Boden ist auf Edelstahlfedern gelagert, die Decke hängt an Federelementen und die Wände stehen ebenfalls auf elastischen Spiralen. Wen wundert es – geplant wurde vor über elf Jahren von einem Architekten mit der Spezialisierung auf Sumpfgebiete. So sind Saal und Studios akustisch von der Außenwelt isoliert, denn was als Getöse nicht rauskommt, kommt als Geräusch auch nicht rein. „Wir sind hier in einem landwirtschaftlichen Gebiet und auch die Frequenzen in einer Einflugschneise sollte man nicht unterschätzen“, so Alfred über die Vorzüge der unüblich hochwertigen Ausstattung.
Die Musik verbindet
Vor 25 Jahren begann alles in einem kleinen Tonstudio im Keller seiner Eltern, die Basis seiner Tätigkeit steht auf einem soliden Fundament. Er studierte Musik an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf, kann Klavier, Trompete und Schlagzeug überzeugend bedienen. Küsst ihn die Muse, komponiert er auch außerhalb der normalen Arbeitszeit seine Filmmusiken. Kurze Wege sind hier von Vorteil.
Sigi Huff ist gelernte Pharmareferentin. Als der Betrieb im Medienhaus wuchs, stellte sich die Frage: Einstellung eines neuen Mitarbeiters oder sollte sie sich einarbeiten? Die Stelle wurde nie ausgeschrieben. Seither sehen sie sich Tag und Nacht und trotzdem wirkt die Partnerschaft ausgesprochen harmonisch. Mit ein Grund sei, dass man getrennte Arbeitsbereiche habe. Werden die Räume an Werktagen von Profis gebucht, sind es am Wochenende eher Laienmusiker. Wie kommt man da zur Ruhe? Ganz einfach, man wohnt nicht unter, sondern auf dem Dach. Oben ist privat – keine Instrumente, Noten oder Arbeitsunterlagen, kein aufgeklapptes Notebook und sogar die Fachliteratur begnügt sich mit ihrem Regalplatz in den unteren Stockwerken. Dafür finden sich Massen von Kochbüchern. Sieht Sigi eines, muss sie es auch sofort haben, verrät sie lachend. „Wie andere Leute Krimis lesen, lese ich Kochbücher.“ Diese aber mehr als Quell der Inspiration, denn sie setzt keinesfalls rezepthörig, dafür aber mit innovativem Geschick die Theorie in wohlschmeckende Praxis um.
Domizil Dachterrasse
Modern, sachlich und aufgeräumt strahlt die Wohnung eine angenehme Wärme aus. Vielleicht liegt es mit an der Wildheit der Dachterrasse, denn es erwartet uns kein englischer Rasen. „Wir haben hier gar nichts eingesät“, erzählt Sigi. Die robuste Bodenbegrünung hat das ungefähr 30 Zentimeter starke Erdreich über den Luftweg aus freien Stücken besiedelt. Überblickt man die Dachterrasse, entsteht der Eindruck eines ebenerdigen Bungalows mit Garten. Im Sommer verbringen die Huffs ihre Zeit möglichst unter freiem Himmel, die Türen stehen offen und der Gasgrill neben dem Holztisch wird bald auf Hochtouren laufen. Oh ja, hier lässt es sich aushalten…
In den unteren beiden Stockwerken ist Sigi am Wochenende nur anzutreffen, wenn sie wirklich gebraucht wird. Toben sich im Konzertsaal komplette Chöre stimmgewaltig aus und bevölkern in den Pausen die großzügige Lounge im ersten Stock, so herrscht auf der Dachterrasse dennoch eine entspannte Gelassenheit. Und das scheint nicht nur daran zu liegen, dass die Huffs sich so gut mit Schallisolierung auskennen.
Ein gleichmäßiger Alltag ist nichts für das sympathische Paar, ihre Arbeit bringt dies auch nicht mit sich. Die Tage in der Musikund Fernsehproduktion beginnen selten früh und verschieben sich dann konsequenterweise in die Abendstunden. Wann ist dann noch Zeit für Kino, Theater oder Restaurant? Selten, aber das mache nichts, denn sie seien keine „Ausgeher“. Tagsüber haben sie viele unterschiedliche und immer wieder neue Menschen um sich herum, da ist das Bedürfnis nach privatem Rückzug verständlich. Und sind die Kunden auch noch so bekannt und berühmt, das Dach ist Familie, Freunden und ausnahmsweise auch mal sensor vorbehalten.
Wohnen und Arbeiten in einem Haus – trotz und wegen kurzer Wege in Verbindung mit einer konsequenten Trennung beider Bereiche funktioniert es. sensor bedankt sich für den Einblick und kehrt – zugegeben ein enig widerwillig – an seinen schnöden unaufgeräumten Schreibtisch zurück.