Wenn Sie, werter Leser, zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, sind die Chancen groß, dass Sie am 13. März nicht an der Landtagswahl teilnehmen. Setzt sich der Trend der letzten Wahlen fort, liegt die Wahrscheinlichkeit dafür deutlich über 50 Prozent.
Das kann man durchaus verstehen – die besten Gründe dafür haben die Parteien in den letzten Wochen selbst geliefert. Dass es, wie Markus Lachmann in der Allgemeinen Zeitung schreibt, in Mainz „buchstäblich um die Wurst“ geht, dürfte an Ihrer Wahlmüdigkeit wenig ändern. Auch nicht, dass laut bisherigen Umfragen weder eine Mehrheit für SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihren grünen Koalitionspartner, noch für CDU-Herausforderin Julia Klöckner mit ihrer Hoffnung auf ein schwarzgelbes Bündnis zustande kommen könnte. Bliebe also nur die große Koalition. Die will aber niemand. Daher ist beiden Lagern klar, dass sie jetzt kämpfen müssen. Doch sind wir ehrlich: Welchen Nichtwähler interessiert das wirklich?
Mittelmäßige Noten
Ist das jetzt die Gelegenheit, um wieder einmal empört „Politikverdrossenheit“ zu schreien? Schon möglich, aber die kommt nicht von ungefähr. Glaubt man einer bundesweiten Forsa-Umfrage im Auftrag des „Stern“, trauen nur 23 Prozent der Bürger der CDU zu, die Probleme in der Republik zu lösen. Die SPD kommt sogar nur auf acht Prozent. Im Land sieht es nicht besser aus. Laut dem Politbarometer geben die Rheinland-Pfälzer der Landesregierung gerade einmal die Note 0,6 und der Opposition sogar nur eine 0,5 auf einer Skala von +5 bis -5.
Selbstredend haben die Parteien ihre Wahlprogramme ausgearbeitet, haben sich Antworten auf landespolitische Fragen zu Bildung, Infrastruktur und Wirtschaft überlegt. Wer aber in den letzten Wochen den Wahlkampf verfolgt hat, dürfte davon nur am Rande etwas mitbekommen haben. Mit viel Getöse ging es erst darum, ob Malu Dreyer auch dann an der Elefanten-Runde des SWR teilnimmt, wenn auch die AfD eingeladen ist. Und vor Kurzem beherrschte ein Koblenzer CDU-Mann die Diskussion, der Dreyers Multiple Sklerose-Erkrankung thematisierte. Wem nutzte der Vorfall mehr? Malu Dreyer oder Julia Klöckner, die sich davon distanzierte und als Krisenmanagerin präsentierte?
Flächenthema Flüchtlinge
Die Kampagnen der Parteien dürften wenig dazu beitragen, neue Wähler zu aktivieren. Wenn die SPD großformatig und in Versalien mit „VERANTWORTUNG“ um die Gunst der Menschen wirbt und Julia Klöckner im arrangierten Gespräch mit einem Autofahrer betont, dass sie „Zuhören.“ (mit Punkt) kann, werden diese Ein-Wort-Slogans zwar den Werbeeffekt entfalten, den sich Agenturen und PR-Berater erhoffen. Sie können den vorhandenen Wählerkuchen aber nur verteilen. Wirklich neue Wähler gewinnt man nicht mit Einzeilern, sondern mit Inhalten. Leider scheint es hier, als gäbe es derzeit nur ein Thema, das tatsächlich inhaltlich diskutiert werden kann. Und das sind die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen.
Doch in Zahlen kann damit nur eine Partei punkten: die AfD. Darüber, ob die AfD nun tatsächlich an den demokratischen Grundpfeilern der Republik rüttelt, kann man streiten. Fest steht, dass es sich bei ihr um ein rechtspopulistisches Sammelsurium handelt. AfD-Chefin Frauke Petry mag ihre Aussage zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge relativieren, an anderer Stelle wird ihr Fischen am rechten Rand dennoch deutlich. Wenn Petry in Interviews fordert, den Asylrechtsartikel aus dem Grundgesetz zu streichen, gleichzeitig aber einräumt, „Deutschland sollte wirklich Verfolgte aufnehmen“, spielt sie nicht nur mit der Angst der Menschen und potenziellen rechten Tendenzen, sie hofft auch auf die Unwissenheit der Wähler. Denn Artikel 16a des Grundgesetzes sagt nur eines: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“
Nicht-Wählen spielt „Rechts“ in die Hände
Manfred Güllner, Leiter des Umfrageinstituts Forsa, warnt, dass eine geringe Wahlbeteiligung, wie sie in Rheinland-Pfalz zu erwarten ist, der AfD hilft. Gut beobachten konnte man das bereits 2015 bei den Bürgschaftswahlen in Bremen und Hamburg. In beiden Fällen war die Wahlbeteiligung auf einem Rekordtief, in beiden Fällen zog die AfD ins Parlament ein. Lieber Leser, wenn Sie am 13. März also weder die Sympathie für Malu Dreyer noch für Julia Klöckner aus dem Bett holt, wenn die Begeisterung für die Grünen, die FDP oder die Linke nicht ausreicht, dann stellen Sie sich folgende Frage: Ist es ein Landesparlament ohne die AfD nicht wert, sich ein paar hundert Meter zum nächsten Wahllokal zu schleppen?
von Andreas Schröder
Foto: Andreas Coerper