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Vom Komiker zum Mainzer Pubertäts-Experten: Matthias Jung

Matthias Jung ruft mich von unterwegs aus an – Wind rauscht in der Leitung. Er sei auf dem Weg nach Hoyerswerda. Gestern war er in Leipzig, morgen fährt er nach Frankfurt. Am Flughafen wird er kurz seine Familie sehen – seine Frau und seine zwei Kinder – dann fliegt er nach Rom, um ein Kreuzfahrtschiff zu besteigen, das ihn fürs Abendprogramm engagiert hat. Der Pubertätscoach ist dieser Tage sehr gefragt, er selbst spricht von einer „Tour-Euphorie“. Die Corona-Maßnahmen wurden gelockert und jetzt, endlich, können viele Termine nachgeholt werden, die schon bis zu drei Mal verschoben wurden. Und neue Termine kommen laufend dazu. Dabei war der 43-Jährige schon kurz davor, sich wegen der Pandemie beruflich neu zu orientieren, um finanzielle Einbußen in Zukunft zu vermeiden. „Ich hatte gerade überlegt, Lehrer zu werden.“

Vom Lehrer zum Komiker
Studiert hat Matthias Jung Diplom-Pädagogik. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat ihn schon immer begeistert. Ein Experte für die Pubertätszeit und damit ernsthafter Ansprechpartner für Eltern, die ihre Kinder plötzlich nicht mehr verstehen, ist Jung aber er seit Kürzerem. Auf Wikipedia steht noch, er sei Komiker. Das war sein Berufseinstieg: Das Witze-Schreiben. Er lieferte Gags für andere, für TV-Total und die Heute-Show, dann kam sein eigenes Programm. Seine erste Bühnen-Persona war rein für die Comedy geschaffen: Er war der naive Dorfjunge aus Hüffelsheim – wo Jung tatsächlich aufgewachsen ist. „Das war perfekt eingetütet“, erinnert er sich. „Da wurde ich schon witzig angekündigt, von wegen man müsse nachsichtig mit mir sein. Dann bin ich auf die Bühne gedackelt, mit dem Hüffelsheim-T-Shirt, bin da so ein bisschen geschlurft, und die Leute haben schon gelacht.“ Jetzt wird er als Pubertäts-Experte angekündigt und kommt mit weißem Kragenhemd und Pullover vors Publikum. „Da lacht erstmal keiner.“ Das sei natürlich schwieriger. Erstmal war er auf der Bühne also weiterhin lustig. „Ich habs mir schwer gemacht mit dem Wechsel“, sagt er rückblickend.

Beststeller
Der neue Kurs begann mit dem Buch „Chill mal! (Am Ende der Geduld ist noch viel Pubertät übrig)“. Jungs humorvoller Ratgeber wurde 2018 zum Spiegel-Bestseller – und hat mit einem Dorfjungen nichts mehr gemein. Schon ein Jahr später veröffentlichte er „Dein Ernst, Mama?! (So peinlich kommen wir nicht mehr zusammen – das Pubertätsbuch für Eltern)“. Wenn Matthias Jung jetzt auf der Bühne steht, dann mit Fakten und Informationen zu seinem Thema. Diesen Prozess, weg von den reinen Gags, den hat die Pandemie befeuert: „Viele Comedians haben im Lockdown das Streaming für sich entdeckt“, erklärt Jung. Er selbst, in seiner Wohnung in der Mainzer Neustadt sitzend, fand aber, Humor ließe sich online nicht gut vermitteln. Die Möglichkeit, Menschen digital zu erreichen, inspirierte ihn aber auf andere Weise. „Da wurde ich Dozent“, sagt er und es klingt, als wäre ihm das einfach passiert. Ganz so war es aber nicht: Aktiv meldete er sich bei Volkshochschulen, Familienzentren und Mehrfamilienhäusern – und wurde von vielen ins Programm genommen. „Ich habe online Vorträge gegeben und Seminare, so richtig ernst.“

Heilsames Lachen
Das Wörtchen „ernst“ benutzt der ehemalige Komiker in unserem Gespräch erstaunlich oft. Dabei ist er auch dann witzig, wenn er es gar nicht drauf anlegt. Als er mir erklärt, wie unglaublich weit weg Hoyerswerda ist, bringt mich schon alleine seine Intonation zum Schmunzeln – als er dann noch einen ironischen Spruch macht, ist ihm mein Lachen garantiert. Und natürlich, gibt er zu, lachen auch die Teilnehmer in seinen Seminaren viel. Trotzdem: In klassischen Stand-up-Shows will er nicht mehr auftreten, höchstens im Quatsch- Comedy-Club, weil der ihn immer unterstützt hat. Im Mai bringt Matthias Jung ein drittes Buch heraus: „Erziehungsstatus kompliziert: Pubertät im Anmarsch (Ja, es geht wirklich schon los!)“. Diesmal geht es um Kinder von acht bis zwölf Jahren, um die Vorpubertät also. Er freut sich darauf, weiter Seminare zu geben und aufzutreten, wo es geht. Typisch ist für ihn dabei, dass er an die unterschiedlichsten Orte passt: Ins Mainzer unterhaus, ans Staatstheater, ins Willigis- Gymnasium. Dass er jemals vollkommen ernst sein wird, wage ich zu bezweifeln …

Text Felicitas Pommerening
Foto Jana Kay