Text Felix Monsees Fotos Daniel Rettig
Die vor kurzem restaurierte Ignazkirche in der Kapuzinergasse gilt als eines der schönsten Gotteshäuser der Stadt. Weniger bekannt ist, dass sich hier im 14. Jahrhundert auch der immer wieder verfolgte Templerorden versammelte. Die geheimnisumwobenen Ritter mit dem roten Kreuz auf der Brust hatten innerhalb der Mainzer Stadtmauern eines ihrer Hauptquartiere. Lange erinnerte das Weinhaus Templer hier an dieses mittelalterliche Erbe. Mittlerweile trägt das Schild an der Gaststätte jedoch einen anderen Namen aus der Mainzer Stadtgeschichte: Weinlokal „Gutenberger“.
In Anlehnung an den berühmtesten Sohn der Stadt führen Tobias Franz und Marion Lohsse seit Anfang Mai die erste vegane Weinstube. Vorneweg: ein fleischloser Guten-Burger findet sich nicht auf der Karte. Von einer Doku im Fernsehen aufgerüttelt, verzichtet das sympathische Betreiberpaar seit fünf Jahren auf das Verspeisen von Tieren und deren Produkten. Weil diese Ernährungsweise Restaurantbesuche oft sehr erschwert, haben die beiden sich nun einen Traum verwirklicht: eine Gaststätte, die völlig ohne tierische Eiweiße auskommt: „Vegane Küche ist nicht nur brottrocken und nüchtern“, ist sich Tobias Franz sicher. Ihre Brot- und Butterberufe als Verwaltungsangestellte und Grafiker haben die Neu- Gastronomen allerdings vorerst noch beibehalten.
Weinhaus-Klassiker neu interpretiert
Gerade in der wurstlastigen Altstadt war es bisher für Veganer schwer, Bestellungen abzugeben, ohne die eigenen moralischen Grenzen zu verletzen. Mainzer Spunde- und Handkäs sowie Hausmacherplatten sind ohne Einsatz von Ei, Milch und Fleisch nicht vorstellbar. Im Gutenberger werden diese Weinstuben- Klassiker mit dem kreativen Einsatz von Hülsenfrüchten, Nüssen und allerlei Gemüse vegan interpretiert.
Die Mainzer Spundecreme besteht beispielsweise aus Soja (4 Euro) und der Handkäs, allerdings ohne Musik, basiert auf Cashewnuss-Basis (4 Euro). Richtig deftig wirkt die Bohnenpaste, die geschmacklich an Leberwurst anknüpfen soll (3,50 Euro). Bei den ausgeschenkten Weinen wird ebenfalls darauf geachtet, dass kein Lebewesen leiden muss. Es kommen daher nur Winzer ins Glas, die auf tierische Produkte wie Eiklar oder Gelatine verzichten. Für abstinente Veganer gibt es auch sortenreine Traubensäfte.
Vegane Nachbauten
Auch den saisonalen Standard, Schnitzel (aus Seitan) mit Spargel und Sauce Hollandaise (15 Euro) gibt es als veganen Nachbau zum Bestellen. Die begleitende Fettemulsion, die normalerweise aus schaumig geschlagenem Eigelb und eingerührter flüssiger Butter besteht, wird in der veganen Variante aus Margarine zubereitet. Der schmerzlich fehlende Buttergeschmack erinnert allerdings daran, dass vegane Ernährung auch mit Verzicht zu tun hat.
Stärkeren Geschmack entwickelt die Gutenberger-Küche, wenn sie sich aromatisch nicht an fleischlichen Gelüsten orientiert, wie beim Rezept des Monats: Linsenplätzchen mit Koriander- Chili-Kartoffeln. Die grob gemahlene Koriandersaat verleiht dem Gericht orientalische Würze und aromatischen Biss. Der in Kokosmilch geschwenkte Blattspinat hat gerade so viel Hitze wie nötig abbekommen. Gut zubereitet.
Für die Zukunft raten wir dem Team jedoch, mehr auf die Stärken einer eigenen veganen Küche zu bauen – mit gut zubereitetem, aromatischem Gemüse beispielsweise –, als nur auf den „Nachbau“ fleischlastiger Wirtshaus-Klassiker zu setzen.
Rezept
Linsenplätzchen mit Koriander-Chili- Kartoffeln (für vier Personen)
Zutaten: 1 Tasse rote Linsen, 2 Tassen Wasser, 3 EL Kartoffelmehl, 1 EL Tomatenmark, 1 Banane, 2 EL Bratöl, 1 Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, ½ TL Schwarzkümmel, 2 TL Garam-Masala, 2 TL Bockshornkleeblätter oder Liebstöckl, ½ TL Kreuzkümmel, 1 TL Salz, Öl zum Anbraten Für die Kartoffeln: 16 kleine Kartoffeln , 1 EL Koriandersamen (ganz), 4 EL Olivenöl, 1 EL Sojasauce, 1 TL Sambal Oelek, Salz
In einer Pfanne Öl heiß werden lassen und fein gewürfelte Zwiebel und Knoblauch mit den Gewürzen unter Rühren anbraten. Gewaschene Linsen und Tomatenmark dazugeben und mit dem Wasser auffüllen. Nach 10 Minuten köcheln die Hälfte der Masse entnehmen und pürieren. Restliche Linsen, Kartoffelmehl und Banane dazugeben und durchkneten. Daraus 8 Plätzchen formen und in heißem Öl je Seite 3-4 Minuten braten.
Koriandersamen in einer Pfanne ohne Fett kurz anrösten, dann im Mörser fein mahlen. Kartoffeln gar kochen, dann halbieren. Mit Sojasoße, Sambal Olek, dem gemahlenen Koriander und Olivenöl mischen und auf einem Backblech verteilt bei 180 Grad 10 Minuten im Ofen backen. Dazu wird im Gutenberger in Kokosmilch geschwenkter Blattspinat serviert.