Direkt zum Inhalt wechseln
|

Unverpackt und Bioläden kämpfen auch in Mainz um ihre Existenz

Abdelmajid Hamdaoui kämpft mit Existenznöten um seinen Unverpackt-Laden im Bleichenviertel (Foto: Lukas Görlach)

Abdelmajid Hamdaoui kämpft mit Existenznöten um seinen Unverpackt- Laden im Bleichenviertel. Den Chef des verpackungsfreien Ladens in der Heidelbergerfaßgasse plagen schon länger Existenzängste: „Wir haben einfach kaum noch Kunden.“ Der Umsatz habe sich halbiert, nicht nur für den Laden in Mainz, sondern auch im „Unverpackt Wiesbaden“, der ebenfalls von ihm geleitet wird.

Auch von der Belegschaft ist mittlerweile nur noch knapp die Hälfte übrig, Hamdaouis Frau schiebt Elf- Stunden-Schichten in Mainz. „Jahrelang haben wir in Zweier- Schichten gearbeitet, aber das ist schon lange nicht mehr möglich.“ Auf Dauer frisst das nicht nur Energie und Geld, sondern allen voran Motivation. „Ich habe keinen Bock mehr, das macht einen einfach nur fertig“, sagt Hamdaoui. „Du schimpfst den ganzen Tag gegen Gott und die Welt und fragst dich: Warum ich?“ Ukraine-Krieg, Energiekrise, Kurzarbeit und Inflation hätten die Menschen derart verunsichert, dass nun an der falschen Stelle gespart wird, so Hamdaoui. „Das Einkaufsverhalten hat sich komplett geändert“, und die Menschen seien derzeit nicht bereit, etwas mehr Geld für die unverpackten Produkte zu zahlen. Stattdessen geht das Gros wieder zum Discounter: „Wir machen das nicht, um uns die Taschen vollzumachen, sondern um der Welt etwas Gutes zu tun. Dass das keine Frage von Wohlstand ist, verstehen viele nicht.“

Mirko Krpic vom Bioladen natürlich und sein Team sind in Kurzarbeit

Wenn Bio zum Luxus wird
Auch die Biomärkte leiden. Viele Menschen steigen auf günstigere Angebote um, die Discounter profitieren. Die Biomarktkette Alnatura verspricht schon Dauerpreise, die mindestens einen Monat gelten sollen. Sonderangebote und Aktionspreise wurden abgeschafft. Der Biohändler will so Verlässlichkeit ausstrahlen. Im natürlich in der Josefsstraße (Neustadt) dagegen ist man seit September in Kurzarbeit. Auch der Laden der gemeinnützigen GPE (Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen) macht deutlich weniger Umsatz als in den Vorjahren. Bei Hofläden und Bauern oder dem Metzger liegen die Rückgänge bei rund 17 Prozent, Biosupermärkte müssen mindestens 15 Prozent Umsatzverlust verkraften. Zwar stieg der Umsatz mit den Bio- Eigenmarken der Supermarktketten und Discounter um 9,3 Prozent. Über alle Handelsformate hinweg kommen Produkte aus ökologischer Landwirtschaft dennoch auf ein Umsatzminus. natürlich-Marktleiter Mirko Krpic ist besorgt: „Die Preise aller Märkte im Vergleich nähern sich an, da Bioprodukte aufgrund der Herstellung nicht so empfänglich sind für die aktuellen Preissteigerungen. Nichtsdestotrotz haben die Leute Angst und Sorge und kaufen möglichst günstig ein. Zudem haben auch wir Preissteigerungen bei Energie und Personal. Dies alles zusammengenommen ist für uns existenzgefährdend.“ Kürzlich wurden die Zugangsbedingungen für Kurzarbeit von der Bundesregierung bis zum 31. Dezember verlängert. Krpic: „Wir können bis zu einem Jahr Kurzarbeit machen und hoffen, dass die Angst wieder weicht und die Leute mehr wissen, wie es insgesamt weitergeht.“

Sparen im Handel
Und selbst die Großen haben Probleme: Wegen des Personalmangels müssen Bedientheken in mehreren Supermärkten ihre Öffnungszeiten anpassen. Edeka und Rewe, mit ihren eigenen Fleisch-, Käse- und Brottheken schließen mitunter deutlich früher als der Rest des Geschäfts. Das Problem hier: Oftmals sei unter anderem ein Meistertitel oder ein anderer Nachweis der Fachkompetenz notwendig, um hinter der Frischetheke zu arbeiten. Dazu kommen Energie-Einsparungsmaßnahmen. In etlichen Drogerien werden etwa Teile der Beleuchtung abgeschaltet. Seit September sollen Ladentüren auch nicht mehr offenstehen, wenn der Innenraum beheizt wird. Nurmehr zwischen 16 und 22 Uhr ist Leuchtreklame erlaubt. So sieht es die Energieeinsparverordnung vor, die die Wirtschaft und die öffentliche Hand zu Strom- und Wärmeeinsparungen zwingt. Sowohl beim Elektronikhändler Saturn als auch in einzelnen Kaufhäusern von Galeria Karstadt Kaufhof werden teilweise Rolltreppen abgeschaltet. Die Parkhausbeleuchtung wird reduziert, Lüftung, Heizung und Kühlung manuell und in Abhängigkeit von der Außentemperatur gesteuert. Die Krux dabei: Manche Maßnahmen wiederum ziehen weniger Kunden in die Läden – ein Teufelskreis. Und: Es bleibt unterm Strich offen, welchen Effekt die Bemühungen der Händler insgesamt haben werden.

David Gutsche (zu Teilen aus der Allgemeinen Zeitung)