Ab Dienstag 20. Mai ist die einmonatige Tempo30-Pause in Mainz wieder aufgehoben. Grund ist ein juristisches Scharmützel. Gekippt wurde es aus Gründen der Luftreinhaltung, die „sauber“ genug war – aufgestellt wird es nun wiederum aus Gründen des Schallschutzes. Es gilt auf der Rheinachse, der Kaiser- und der Parcusstraße.
Die Stadt Mainz beruft sich bei der geplanten Wiedereinführung von Tempo 30 auf § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO, der Geschwindigkeitsbeschränkungen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm ermöglicht. Die Entscheidung über die Anordnung liegt beim Landesbetrieb Mobilität (LBM), der derzeit die eingereichten Unterlagen prüft. Eine abschließende Entscheidung steht noch aus.
Das Lärmgutachten liefert eine solide Grundlage für die Wiedereinführung von Tempo 30 in Mainz aus Gründen des Lärmschutzes. Obwohl juristische Anfechtungen möglich bleiben, erhöhen die detaillierten Messdaten und die rechtliche Fundierung die Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme Bestand haben wird.
Ein Pilotprojekt auf der Rheinstraße hat gezeigt, dass Tempo 30 zu einer Reduktion des nächtlichen Lärmpegels um 3,3 Dezibel führt. Dies entspricht einer wahrnehmbaren Halbierung des Lärms für das menschliche Gehör. Zudem ging die Anzahl besonders lauter Einzelereignisse (über 65 dB) um 40 % zurück. Diese Effekte traten insbesondere bei konsequenter Geschwindigkeitsüberwachung auf.
Das Gutachten identifiziert insbesondere folgende Abschnitte mit übermäßiger Lärmbelastung:
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Parcusstraße
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Kaiserstraße
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Rheinallee (zwischen Kaiser-Karl-Ring und Diether-von-Isenburg-Straße)
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Rheinstraße (zwischen Quintinsstraße und Holzhofstraße)
In diesen Bereichen überschreiten die nächtlichen Lärmpegel die Schwelle von 55 dB(A), die laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesundheitskritisch gilt. Die Stadtverwaltung argumentiert, dass Tempo 30 eine effektive Maßnahme ist, um die Lärmbelastung zu reduzieren und somit die Gesundheit der Anwohner zu schützen.
Im Rheinachsen-Abschnitt zwischen Quintinsstraße und der Diether-von-Isenburg-Straße sei der Lärmschutz allein jedoch keine ausreichende Begründung für Tempo 30, so Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne). Dafür würden dort zu wenige Menschen wohnen. Da es in dem Bereich aber Schulen, viel Fuß- und Radverkehr und eine komplexe Verkehrsführung gäbe, wird dort aufgrund der Verkehrssicherheit wieder Tempo 30 eingeführt. Die Polizei habe diesen Schritt begrüßt.
Steinkrüger: „Die schnelle Wiedereinführung der Tempo 30-Regelung ist mir ein persönliches Anliegen und es ist ein wichtiges Signal für diese Stadt, um die allgemeine Lebensqualität sowie die Verkehrssicherheit dauerhaft zu steigern. Durch die Anordnung können wir den Lärm deutlich reduzieren und langfristig die Einhaltung der Luftqualität auch für die Zukunft sichern. Ich habe in den letzten Wochen vermehrt Zuspruch zur Einhaltung von Tempo 30 durch Anwohner: sowie der angrenzenden Schulen erfahren. Durch die Zustimmung der oberen Landesbehörde können wir mit der Umsetzung schon morgen beginnen.“
CDU Mainz nicht glücklich über Wiedereinführung von Tempo 30
„Die CDU Mainz favorisiert bekanntermaßen Tempo 50 auf den Hauptachsen, die Verantwortung liegt schlussendlich aber beim Verkehrsdezernat.“, so der Vorsitzende der CDU Mainz Thomas Gerster. „Wenn nun wieder Tempo 30 auf den Hauptverkehrsachsen gilt, muss es zukünftig zumindest auch juristisch standhaft sein. Die Stadt Mainz muss diesbezüglich verlässlich handeln. Es scheint, dass der Landesbetrieb das mit dem aktuellen Lärmschutzplan als ge-geben ansieht.“, ergänzt Gerster. Unabhängig davon sieht Gerster die Diskussion um die Verkehrsführung auf den innerstädtischen Hauptachsen noch nicht als beendet an: „Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden wir gemeinsam mit unseren Partnern die Diskussion führen, wie wir den Verkehr in Zukunft gestalten möchten. Dazu gehört auch und ganz explizit die Debatte darüber, wo und in welcher Form Tempo 30 sinnvoll ist und wo eben nicht.“ Abschließend weist Gerster aber auch auf einen anderen wichtigen Aspekt hin, der entscheidend zu einer Entlastung des innerstädtischen Verkehrs beitragen kann: „Wir haben die Zusage des Verkehrsdezernats, dass wir auch über die Ampelschaltungen sprechen werden. Wenn wir hier erreichen können, dass die Ampeln noch besser aufeinander abgestimmt und intelligenter geschaltet sind, könnte dies eine erhebliche Verbesserung der angespannten Situation darstellen.“
AfD: „Tempo 30 in Mainz – Dezernentin Steinkrüger lernt nicht dazu“
Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und verkehrspolitische Sprecher Arne Kuster kritisiert die Entscheidung der Stadtverwaltung, Tempo 30 auf den innerstädtischen Hauptverkehrsachsen wieder einzuführen: „Die Entscheidungsgründe, Tempo 30 kurzerhand wieder einzuführen, wurden weder im Verkehrsausschuss noch im Stadtrat diskutiert. Auch das neue Lärmgutachten liegt uns nicht vor. Frau Steinkrüger lernt nicht dazu und handelt wieder im Alleingang. Der bisherige Lärmaktionsplan von 2024 ist in der Frage von Tempo 30 nicht eindeutig und daher als Entscheidungsgrundlage nicht brauchbar. Im Zweifel müsste man auch alternative und weniger einschränkende Maßnahmen zur Lärmreduzierung prüfen, beispielsweise Flüsterasphalt.“
FDP: Mainzer Verkehrsverwaltung verschärft Spaltung
„Langsam aber sicher wird das Handeln in der Mainzer Verkehrsverwaltung ein bisschen arg willkürlich!“ So kommentiert David Dietz, verkehrspolitischer Sprecher der FDP- Stadtratsfraktion die Entscheidung der Mainzer Verkehrsverwaltung, Tempo 30 auf der Rheinachse, der Kaiser- und Parcusstraße wieder einzuführen. „Während die zuständige Dezernentin die Anordnung, Tempo 50 auf den zentralen Achsen von Mainz wieder zuzulassen, weil die Verwaltung zuvor wissentlich nicht rechtskonform gehandelt hatte, volle vier Wochen verschleppt hat, werden jetzt innerhalb von 24 Stunden neue Fakten geschaffen“, kritisiert Dietz.
Dem schließt sich die Fraktionsvorsitzende der FDP, Susanne Glahn und der Stadtrat Dr. Wolfgang Klee, an. „Es ist viel Vertrauen bei den Bürgern verloren gegangen, wenn die Verwaltung sich wissentlich über bestehendes Recht hinwegsetzt und nun ohne vorherige Information und die Menschen mitzunehmen, wieder neue Tatsachen schafft. Das Rechtsstaatsprinzip ist einer der fundamentalen Säulen des Rechtsstaates.“
Die Anordnung des Rechtsausschusses, die Tempo-30-Zonen auf den besagten Strecken wieder rückgängig zu machen, hatte für hitzige Diskussionen unter den Bürgerinnen und Bürgern gesorgt. Der Landesbetriebs Mobilität (LBM) hat nunmehr einem Antrag der Stadt Mainz zugestimmt, Tempo 30 auf der Kaiser- und der Parcusstraße sowie der Rheinachse wieder einzuführen. Grundlage für den Antrag war der Lärmaktionsplan der Landeshauptstadt.
„Ob diese Zustimmung nur aufgrund der Begründung der Stadt einer eventuellen Rechtskontrolle Stand hält, ist offen“, so Dietz, Glahn und Klee. Gerade nachdem die Informationsdefizite aus dem Verkehrsdezernat nun wiederholt und über einen langen Zeitraum gerügt wurden, hätte es sich gehört, zuvor den Umweltausschuss oder aber die Stadtratsfraktion hierüber zu informieren. Akzeptanz entsteht nur durch Kommunikation mit allen Beteiligten.
„Vor diesem Hintergrund ist der erneute Alleingang der Verwaltung wenig nachvollziehbar. Es sei denn, der Dezernentin wären Bedenken und gegenteilige Positionen egal.“ Dann wäre eine Selbstreflektion für die Eignung des Amtes dringend angebracht“, macht Dietz deutlich.
Anhörung kann Debatte versachlichen
Um die aufgeregten Debatten der letzten Wochen zu versachlichen hätte es einen entschieden besseren Weg gegeben. Eine Anhörung im Mainzer Stadtrat oder Verkehrsausschuss mit Expertinnen und Experten, die die unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und fachliche Argumentationen ermöglicht hätte, wäre in der aktuellen Situation ein richtiger Schritt vor der Entscheidung gewesen.
„Die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung sieht explizit vor, dass ein solches Instrument zur Versachlichung einer Sachfrage zur Anwendung kommen kann. Für die Koalition wäre es mit ihrer 2/3- Mehrheit ein leichtes, eine entsprechende Anhörung auf die Tagesordnung zu setzen“, betont Dietz.
Koalition bei Sachfragen uneinig
Dafür müssten sich Grüne, CDU und SPD aber in einer Sachfrage mal einig sein. Während Grüne und SPD die, zumindest, vorläufige, Rückkehr von Tempo 30 feiern, kritisiert die CDU das Vorgehen und die inhaltliche Ausgestaltung.
„Die Koalition, die in der Postenverteilung ihre Priorität sieht, findet offensichtlich nach nicht mal einem Jahr nicht die Kraft, eine inhaltlich kontroverse Frage politisch zu befrieden“, kritisiert Dietz.
Verkehrsdezernentin Steinkrüger und Oberbürgermeister Haase müssten sich daher fragen lassen, wie sie dem negativen Eindruck des Verwaltungshandelns begegnen wollen.
Grüne: Tempo 30 – Ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit und Lebensqualität
BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN Mainz begrüßt den Fortbestand von Tempo 30 auf den Hauptverkehrsachsen. Diese Entscheidung des Landesbetriebs Mobilität (LBM) basiert auf dem aktuellen Lärmaktionsplan der Stadt Mainz, der Im Oktober 2024 von einer breiten Mehrheit im Stadtrat unterstützt wurde: „Die Einführung von Tempo 30 hat in den vergangenen Jahren nachweislich zur Verbesserung des Schutzes der Anwohner*innen vor Lärm und Abgasen und der Verkehrssicherheit für Schulkinder und anderer Verkehrsteilnehmenden beigetragen. Durch den Fortbestand von Tempo 30 wird dieser Zugewinn an Lebensqualität erhalten“, kommentiert Teresa Bicknell, Kreisvorsitzende der GRÜNEN Mainz.
„Mit seiner Entscheidung folgt der LBM der Argumentation unserer Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger: Der Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen ist klare Aufgabe der Verwaltung. Der Lärmaktionsplan zeigt deutlich, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit in bestimmten Bereichen notwendig ist, um die Belastung durch Verkehrslärm nachhaltig zu verringern. Durch den Lärmaktionplan der Stadt Mainz war die faktische Grundlage für Tempo 30 auch in den letzten Wochen gegeben. Mit der jetzigen Entscheidung des LBM bildet dieser nun auch die Rechtsgrundlage“, erklärt David Nierhoff, mobilitätspolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion im Mainzer Stadtrat.
„Die Reaktionen von Anwohner und den umliegenden Schulen haben in den vergangenen Wochen gezeigt, wie sehr sich die Betroffenen vor Ort Tempo 30 wünschen. Wir danken Janina Steinkrüger für ihren Einsatz für den Erhalt der Lebensqualität in Mainz,“ ergänzt Teresa Bicknell.
unglaublich, wovon „Lebensqualität“ abhängt und das diese nur eine Gruppe von Menschen hat.
Wer wirklich mitten an einer Hauptverkehrstrasse gezogen ist und nun wirklich von mehr aber stockendem Verkehr profitiert, muss sich die Frage gefallen lassen warum er nicht in eine ruhigere Gegend gezogen ist?
So wie ich einst. Bis dann plötzlich eine Startbahn eröffnet wurde und ich seit dem von morgens 5:30 bis 22:00 einen Lärm von 60-70 dbA ertragen darf (wenn der Wind richitg steht).
https://www.dfld.de/Mess/Messwerte.php?R=001&S=097&D=19.05.2025
Mich würden die Kurven des Lärmgutachten an der Kaiserstrasse interessieren. Es ist leider weder verlinkt und nur als „das Gutachten“ bezeichnet. Aber es wird nicht gesagt wer, wann und wo das erstellt wurde.
sorry, ich dachte hätte falsch gelesen….Rücknahme der 50km auf den achsenstrasse. Das ist doch Polemik. nachts verstehe ich das mit der lärmreduzierung. ab 22 Uhr 30km. absolut ok. Doch tagsüber? Leute die in der Stadt wohnen sollen sich wohl mit den Gegebenheiten arrangieren können! Ansonsten ganz viel Platz auf dem Land.
Was für eine Wohltat. Ich war schockiert, dass einzelne Egoisten der Gasfussfraktion sich mit ihrem Anspruch auf rücksichtsloses Verhalten durchsetzen konnten. Zum Glück nicht auf Dauer. Denn unabhängig von der Rechtsgrundlage wird wohl jeder der in seinem Alltag betroffen ist, zustimmen dass Tempo 30 eine deutliche Entlastung und Verbesserung der Lebensqualität bedeutet. An der Hochschule Mainz, können wir z.B. endlich wieder die Fenster öffnen, was bei 50 unmöglich war. Bedrohung und Gewalt, die vom Motorisierten Verkehr ausgehen, haben sich für alle anderen Verkehrsteilnehmer deutlich reduziert. Aus meiner Sicht ist Tempo 30 ein großer Gewinn für Mainz.