
Überraschung im Stadthaus: Tempo 30 auf der viel befahrenen Kaiserstraße und Rheinachse wird nach Anordnung des Stadtrechtsausschusses ausgesetzt. Es sei gar nicht (mehr) rechtmäßig. Die im Zeitraum der letzten fünf Jahre verhängten Bußgelder haben laut der Stadtverwaltung dennoch Bestand und werden nicht rückführend zurückgezahlt. Die Verkehrsdezernentin versucht dennoch Tempo 30 wieder zurückzuholen – über den Lärmschutz.
Der Mainzer Stadtrechtsausschuss hat die unverzügliche Aussetzung von Tempo 30 auf den zentralen Verkehrsachsen angeordnet. Somit besitzt die dazugehörige Beschilderung aktuell keine Gültigkeit mehr. Hintergrund sind ein Widerspruch, der die Verhältnismäßigkeit des reduzierten Tempolimits vor Gericht anprangerte und ein Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Schadstoffausstoß bei Tempo 50 nur marginal höher wäre – und weit unter dem gesetzlichen Grenzwert liegen würde.
Umwelt- und Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger zeigt sich über den Beschluss enttäuscht: „Wir sind Opfer des Erfolgs geworden.“ „Tempo 30 hat nicht nur die Luftqualität verbessert, sondern auch die Verkehrsunfälle verringert“. Verkehrsunfälle wurden in die Entscheidung des Stadtrechtsausschusses nicht mit einbezogen. Die Dezernentin spielt darauf an, dass die Luftqualität sich durch Tempo 30 zwar signifikant verbesserte, der gesetzliche Richtwert jedoch auch bei Tempo 50 nicht reißen würde. Steinkrüger zeigt sich trotz der ab jetzt geltenden Aussetzung optimistisch Tempo 30 dennoch zu erhalten, denn dieses soll im kommenden Lärmaktionsplan verankert werden und somit auch in Zukunft gelten.
Die Tempo-30-Schilder müssen nun abgehängt oder verhüllt werden, das hat der Stadtrechtsausschuss angeordnet. Außerdem werde das Blitzen auf den betroffenen Straßen sofort eingestellt.
Stadtrechtsausschuss gibt Widerspruch gegen Tempo 30 auf der Rheinachse/Kaiserstraße statt
Damit folgte der Ausschuss nicht der Argumentation der Verwaltung, die anführte, dass durch die bundesrechtlichen Vorgaben zum Immissionsschutz der „Erhalt bestmöglicher Luftqualität“ gefordert werde. So beinhalte das Bundesimmissionsschutzgesetz den Passus, dass die Stadt einen Luftreinhalteplan aufzustellen habe, der die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt.
Insbesondere die neuen, absehbar strengeren EU-Grenzwerte zur Luftqualität, die 2030 in Kraft treten werden, sind aus Sicht der Verwaltung ein Grund, nicht nachzulassen. Mitte Dezember 2024 ist die überarbeitete europäische Luftqualitätsrichtlinie in Kraft getretenen. Die strengeren Grenzwerte noch nicht. Die Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, haben zwei Jahre Zeit, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen – also bis spätestens Dezember 2026. Die Einhaltung der neuen Grenzwerte ist ab 1. Januar 2030 verpflichtend.
Die Verwaltung beantragt daher jetzt bei der übergeordneten Landesbehörde die Erlaubnis für eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung von Tempo 30 auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese lässt die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auch zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm zu.
Zur Beurteilung der Lärmbelastung in den vom Beschluss des Stadtrechtsausschusses betroffenen Abschnitten, ließ die Verwaltung ein zusätzliches Gutachten erstellen, aus dem hervorgeht, dass es zu erheblichen Überschreitungen der zumutbaren Lärmwerte kommt und somit Tempo 30 auch aus Lärmschutzgründen in der Parcusstraße, Kaiserstraße, Rheinallee von dem Kaiser-Karl-Ring bis zur Diether-von-Isenburg-Straße und in der Rheinstraße zwischen der Quintinsstraße und der Holzhofstraße zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm notwendig sei.
Weiterhin entscheidend für die Einschätzung der Verwaltung für die Bedeutung von Tempo 30 in den besagten Abschnitten sei eine Statistik der Polizei, die 2019 vor der Einführung von Tempo 30 km/h auf den genannten Strecken 382 Unfälle mit 15 schwerverletzten Personen aufgenommen hatte. Im Vergleich dazu gab es nach der Einführung z.B. im Jahre 2021 nur noch 192 Unfälle mit einem Schwerverletzten.
Die mit Tempo 30 einhergehenden Fahrtzeitverluste seien nur minimal. Daher bleibe es fraglich, inwieweit Tempo 30 „unverhältnismäßig“ bzw. „einen Freiheitseingriff“ darstelle, da dies einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss gegenüberstehe. So zeigten Messfahrten, dass Tempo 30 einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss ermöglichten und sich die Reisezeitverluste als minimal erwiesen (tagsüber ca. 2 Sekunden pro 100 m).
Umwelt- und Verkehrsdezernentin Steinkrüger: „Wir sind davon überzeugt, dass Tempo 30 auch weiterhin auf den Hauptachsen der Innenstadt die Luftqualität verbessert, die Sicherheit – vor allem auch jene der Schulwege – erhöht und die allgemeine Lebensqualität steigert. Die positive Rückmeldungen von Anwohnern bestärken uns in unserem Vorhaben, die Regelung beizubehalten.“
FDP: Klatsche für die Verwaltung
Als „Klatsche für die Verwaltung“ bezeichnet die FDP-Stadtratsfraktion die Entscheidung des Stadtrechtsausschusses, dass die Stadtverwaltung die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h in der Kaiserstraße und der Rheinachse sofort aufheben muss.
„Die FDP hat von Anfang an die Begründung mit überhöhten NOX-Werten nicht für tauglich gehalten und die Geschwindigkeitsbegrenzungen abgelehnt“, so die FDP-Vorsitzende Susanne Glahn. Bei den Straßenzügen handelt es sich um die Hauptverkehrsachsen in der Mainzer Innenstadt mit erheblicher Bedeutung für die Bewohner, Handel und Gewerbe und die vielen Besucher der Stadt. Der Effekt der Geschwindigkeitsreduzierung auf den Ausstoß von Stickoxiden ist nach Aussage des Umweltbundesamtes sehr gering und es war bei der Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzungen schon klar erkennbar, dass die Werte in den Straßenzügen ohne diese eingehalten werden können.
Darüber hinaus führt Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen zu Umgehungsverkehr z.B. in der großen Bleiche, Diether von Isenburg und Bauhofstraße. Auch der ÖPNV hat durch Tempo 30 erhebliche Mehrkosten im 6-stelligen Bereich u.a. durch erhöhte Personalkosten.
Besonders kritisch sehen die Liberalen, dass die Verwaltung in Kenntnis der Sachlage die Begrenzungen noch über Wochen aufrechterhalten hat. „Wenn der Vorsitzende des Stadtrechtsausschusses von einer juristischen Katastrophe spricht, sollten alle Alarmglocken läuten,“ so Susanne Glahn. Bezeichnend auch, dass die Verwaltung ankündigt, andere Argumente zu suchen, um die Begrenzungen schnellstmöglich wieder einzuführen. Es geht offensichtlich nicht um die Sache, sondern um die Umsetzung eines flächendeckendenden Tempo 30 in der Stadt, unabhängig von Fakten.
AfD-Fraktionschef Arne Kuster fordert Rücktritt von Verkehrsdezernentin Steinkrüger
Die AfD-Stadtratsfraktion begrüßt die Entscheidung des Stadtrechtsausschusses zur Aufhebung der Tempo-30-Begrenzung in der Mainzer Innenstadt. AfD-Fraktionschef Arne Kuster fordert darüber hinaus den Rücktritt von Verkehrsdezernentin Steinkrüger. Er erläutert:
„Die Entscheidung, Tempo 30 auf der Kaiserstraße und der Rheinachse auszusetzen, war nicht überraschend, sondern überfällig. Es war schon seit längerem für alle Fachleute klar, dass aufgrund der regulären Modernisierung des Fahrzeugbestandes die strengen EU-Grenzwerte für Stickoxide inzwischen auch bei Tempo 50 eingehalten werden können.
Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, dass Widersprüche gegen die Tempo-30-Verfügung von der Verkehrsbehörde so schleppend bearbeitet worden sind. Dass sich ein Widerspruchsverfahren über vier Jahre hingezogen hat, ist rekordverdächtig.
Hinzu kommt, dass die Gutachten, auf die sich die Tempo-30-Regelung stützt, nur bis Ende 2022 gültig waren. Damit hätte man die Tempo-30-Regelung also bereits vor mehr als zwei Jahren abschaffen müssen.
Frau Steinkrüger hat allein aus politisch-ideologischen Gründen an Tempo 30 festgehalten, auch dann, als es keine Rechtsgrundlage mehr dafür gab. Es kann aber nicht toleriert werden, dass eine Dezernentin ihre persönlichen ideologischen Vorstellungen über Recht und Gesetz stellt. Frau Steinkrüger muss darum zurücktreten.
Wir fordern Oberbürgermeister Haase auf, unverzüglich die rechtswidrige Tempo-30-Regelung abzuschaffen, die Schilder zu entfernen und die Ampelschaltung wieder so umzustellen, dass sie auf Tempo 50 abgestimmt ist. Die Geschwindigkeitskontrollen sind ebenfalls unverzüglich auf Tempo 50 abzustellen.“
Die Linke: Lebensgefährliche grüne Schlamperei bei Tempo 50
Die Verkehrsverwaltung hat sich eine schallende Ohrfeige gefangen: Tempo 30 muss zurückgenommen werden. Das grün geführte Amt hat es schlicht verschlafen, die Anordnung von Tempo 30 auf sichere Füße zu stellen. Offenbar war sie der Auffassung, dass eine Rechtsgrundlage nicht so wichtig sei. Das zeigt vor allem zweierlei: Eine Amtsführung, die ein fragwürdiges Verständnis von Rechtsstaat offenbart und eine Scheißegal-Haltung gegenüber Leben und Gesundheit der Mainzer.
Tempo 30 auf Kaiserstraße und Rheinachse trägt zur Beruhigung und Entspannung des Verkehrs bei. Man musste der Verkehrsdezernentin bisher vor allem den Vorwurf machen, sie habe die Regelung nur inkonsequent durchgesetzt. Mittlerweile ist aber bekannt, dass bereits Ende 2022 die Begründung für das Tempolimit entfallen ist. Damit leitet die Dezernentin Wasser auf die Mühlen tempofreudiger Geschwindigkeitsfetischisten, die die Tempobeschränkung von Anfang an mit allen populistischen Mitteln bekämpft haben und die Zeit zurückdrehen wollen. Es ist ein verkehrspolitischer GAU, den in dieser Stadt niemand gebraucht hat.
Die Verwaltung hat die Regelung zunächst mit den Feinstaubwerten begründet. Nachdem dies anscheinend obsolet geworden ist, wird nun die Unfallstatistik und der Verweis auf Lärmschutz angeführt. Gerade wenn diese Argumente stimmen, offenbart sich das ganze Ausmaß des Debakels: Lärm macht krank – nachdem das Tempolimit gefallen ist, steigt der Geräuschpegel an den betroffenen Straßen, vor allem also in den ohnehin dicht bebauten Vierteln der Alt- und Neustadt und mit Ihnen das Risiko von Gesundheitsschäden.
Der Leiter der Straßenverkehrsbehörde wird in der AZ vom 10.4.2025 damit zitiert, dass es vor der Einführung von Tempo 30 durchschnittlich 15 Schwerverletzte Unfallopfer pro Jahr gab (1,25 pro Monat), seitdem nur noch eines (0,08 pro Monat). Jeder Monat, den Tempo 50 bestand hat, bedeutet ein schwerverletztes Unfallopfer mehr. Das wäre zu verhindern gewesen.
Die Verkehrsdezernentin geht davon aus, dass Tempo 30 in wenigen Wochen wieder angeordnet werden kann. Gerade wenn das zutreffen sollte: Warum hat sie dann nicht längst alles in die Wege geleitet, um die Anordnung des Stadtrechtsausschusses zu verhindern? Ihr musste klar sein, dass ihr Zögern im schlimmsten Fall Menschenleben kostet.
Die Reaktionen in den sozialen Medien zeigen: Die Verkehrsdezernenten befeuert eine Debatte, die sich längst totgelaufen hatte und die nun völlig ohne Sachbezug wieder aufflammt. Der theoretische Geschwindigkeitsvorteil von Tempo 50 beträgt zwischen Zollhafen und LEIZA gerade mal 3,2 Minuten – angesichts der Verbesserung der Lebensqualität bei Tempo 30 eine zu vernachlässigende Größe.
Die neueste Schlamperei in Mainz reiht sich nahtlos in weitere Pannen grüner Politik. Gerade dort, wo ihnen besondere Kompetenzen zugeschrieben werden zeigt sich ihr Versagen besonders drastisch: Es gibt durch Mainz keinen vernünftigen Radweg, eine der bundesweit größten Flächenversiegelungen und die Dezernentin schafft es nicht, die Straßen sicherer zu machen.
Die Stadtratsfraktion der Linken bekennt sich zum Tempo 30 auf Kaiserstraße und Rheinachse und fordert eine rechtssichere Umsetzung.
FREIE WÄHLER fordern konsequente Einhaltung des Beschlusses
Der Stadtrechtsausschuss der Stadt hat entschieden, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung an zentralen Verkehrsachsen der Innenstadt keine Grundlage haben und damit rechtswidrig sind. Dem Kreisvorsitzenden der FREIEN WÄHLER Mainz ist unverständlich, dass es so weit kommen musste: „Mainz wird nach Gutsherrenart regiert: In Bretzenheim vernichtet man trotz bestehender Parkplatzknappheit 70 Parkplätze und verfolgt Bürger, die den Gehweg mitbenutzen. Wenn es aber um Temporegeln geht, die keinen nachvollziehbaren Sinn haben, dann sieht Frau Steinkrüger es nicht so eng – das ist für die Bürger nicht nachvollziehbar und es ist auch unanständig.“
Die verantwortliche Derzernentin, Janina Steinkrüger, hat bereits angekündigt, dass sie die Geschwindigkeitsbegrenzungen schnellstmöglich wieder einführen wird. Das sei, so Weiskopf, unverantwortlich, da es darauf hindeutet, dass die Entscheidung ideologisch und nicht vernunftorientiert getroffen sei. „Wenn es einen guten Grund für Tempolimits gibt, dann wird die Mehrheit der Bürger diese auch akzeptieren und sich entsprechend verhalten. Dass man versucht, andere Gründe vorzuschieben, weil die Wünsche der Dezernentin gekippt werden, zeigt, dass es hier nicht um Vernunft geht, sondern um Politik für die eigene Klientel. Das ist kein akzeptables Verhalten – im Gegenteil: Es stärkt die politischen Ränder, die durch fehlgeleitete Landes- und Bundespolitik ohnehin eine drastische Stärkung erfahren. Deshalb fordern FREIE WÄHLER Frau Steinkrüger auf: Befolgen Sie die Anordnung des Stadtrechtsausschusses und kümmern Sie sich um die wirklich wichtigen Probleme unserer Stadt: Baustellen, Parkplatzknappheit und steigende Anwohnerparkgebühren. Das ist den Mainzer Bürgern ein Anliegen, die Ihnen Ihr Mandat erteilt haben!“
Ja, so kennt man die Grünen – wenn die eine Begründung rechtswidrig ist, muss halt eine neue her, um die Ideologie durchzudrücken.
Der Mißbrauch der Justiz für völlig irrsinnige Politik, ist auch so eine Wende die man eigentlich in anderen Systemen vermutet.
Wenn die Luftqualität sich wirklich „signifigant“ ändert durch Tempo 30, dann wird dieser „signifikante“ Vorteil aber garantiert durch die Baustellenstaus mehr als signifikant wieder weggemacht.
Aber diese Grenzwerte sind mittlerweile ohne jedes Maß und beruhen alle auf Modelrechnungen, die zusammenhänge postulieren die bei genauer Betrachtung nicht überprüfbar sind. Aber für politische Ziele sind solche Studien mittlerweile Standard und werden am Fließband produziert, das generiert Fördermittel.