Direkt zum Inhalt wechseln
|

Special zur Fastnacht: Der „Plakette-Klaus“


von Andreas Coerper

„Jedes Jahr dieselbe Leier, es Geld is knapp, de Zuch is teier. Drum kaaft Plakettscher diese schmucke, das er könnt de Zuch aagucke“. Wer hin und wieder in einer der hiesigen Weinstuben hockt, erlebte in den letzten Monaten nicht selten unangemeldeten lautstarken Besuch. Hierbei handelte es sich um eines der seltenen Exemplare Mainzer Fastnachts-Plakettchenverkäufer.

Der wohl bekannteste und engagierteste unter ihnen ist Klaus Eigenbrodt (68 Jahre). Seit 50 Jahren bringt er die kleinen Figuren an die Frau und den Mann. Entstanden sind die Plakettchen schon 1950: Wegen der gewaltigen Kosten des Rosenmontagszuges verlegte sie der Mainzer Carneval Verein (MCV), um mit dem Verkauf die Organisation und den Ablauf der Fastnacht finanziell zu unterstützen. Das erste metallene Plakettchen hatte die Form eines Schildes mit eingeprägtem Bajazz und Jahreszahl zum Preis von einer DMark. Die Bezeichnung „Bajazz“ kommt übrigens entweder vom französischen pailasse (Strohsack) oder vom italienischen baia (Spaß). So ist der Bajazzo eine Clownsfigur in Italien, beruhend auf dem italienischen Bajazzo des dortigen Volksspiels. Durch sein respektloses Auftreten hat er Eintritt in die „Meenzer Fassenacht“ bekommen. Im Laufe der Jahre wandelte sich das Aussehen vom Plakettchen jedoch und die Jahresangaben verschwanden. Heute ist es aus Plastik und zum Umhängen, statt zum Anstecken. Die jährliche Auflage von 60.000 Figuren bringen 13 Plakettenverkäufer jeweils ab dem 11. November unter die Leute. Dieses Mal kostet der Bajazz 4,50 Euro. 20 Prozent davon gehen an die freien Verkäufer. Dieses Jahr ist Klaus das fünfzigste Jahr in Folge im Einsatz. Er wurde 1945 in Nieder-Olm geboren: „Pass uff,“ mahnt er „dann hab ich in Udenheim bei meim Vadder gewohnt. Der hat mich evangelisch erzoge, obwohl ich katholisch getauft bin. Irgendwann hat er dann wieder geheirat unn ich bin, als ich achtzehn war, zu meiner Mutter, nach Mainz.“ 1963 bezog Klaus ein Zimmer in der von der Kirche gemieteten Wohnung seiner Mutter am Mainzer Leichhof. Sie, auch in der Fastnacht engagiert, brachte ihn zum Plakettchenverkauf und seine große Liebe war sofort geweckt. Selbst die achtzehn Monate Wehrdienst als Panzerschütze im hessischen Wolfhagen konnten ihn nicht hindern, jedes verlängerte Wochenende nach Mainz zurückzukehren, um sich seinen Spitznamen „Plakettcher Klaus“ zu erarbeiten. „Nach der Bunneswehr hab ich drei Jahr bei de Opel am Kapitän- Band geschafft, Matten oigelegt. Unn dann beim Römheld hier do.“ Beim Klopfen der Teppiche der Mutter des Firmenchefs erfuhr er vom entfernten Verwandtschaftsverhältnis zum Firmeninhaber Römheld. Trotzdem bewarb sich Klaus bei den Entsorgungsbetrieben der Stadt Mainz. „Ich war bei de Stadt hier do insgesamt 33 Jahr. Erst war ich bei de Müllabfuhr. Dann hammse gesacht, Klaus das is für dich zu schwer wege der eiserne Tonne. Mer tun dich in die Normalschicht. Unn dann war ich ei Jahr in Normalschicht. Dann is de Meister komme und hot gesacht, Klaus hoste kä Lust Schicht. Eia gut, dann hab ich Schicht gemacht.“ So kam es, dass Klaus bis zu seiner Pensionierung 2008 von den Entsorgungsbetrieben bezahlt wurde, um den erweiterten Bereich vor seiner Haustür, seine geliebte Altstadt, sauber zu fegen. Sein Steckenpferd, die Fastnacht, brauchte Plakettcher Klaus während all der Jahre nicht zu vernachlässigen, wie Conny Neumann, Mitarbeiterin der Weintorklause, bestätigt. „De Wumm, so kenne ich ihn, ich wusste lange nicht, dass der Klaus heißt. Wumm hat immer frei gekriet. Wenn irgendwas war mit de Fassenacht hat der frei gekriet.“ Irgendwann beginnt der laut MCV beste Plakettenverkäufer in Mainz seine Einsatzzeiten in den Abend auszuweiten. Er zieht von Weinlokal zu Weinlokal. Ob Weinhaus Wilhelmi, Spiegel, Hottum, Lösch, Michel, Blum, alle Wirte kennen und viele Gäste erwarten ihn. Klaus hat einen festen Kundenstamm, der nur bei ihm die Zugplaketten kauft. Klaus Rupp, Wirt der Altdeutschen Weinstube, sagt: „De Klaus is e Meenzer Original. Mir könne froh sein, dass mer überhaupt jemand habbe, der die Fassenacht so vertrete tut wie der. Der macht des ja aus Leidenschaft. Ich bin aach do an unn für sich stolz drauf das mer in Meenz son Plaketteverkäufer habbe, weil ich als Bub aach Plakette verkaaft hab. Ich weeß was das heeßt Plakettcher an de Mann zu bringe. Der macht des hier mit seine kurze Sprüch unn seine Vorträsch ganz gut.“ Zuweilen beschweren sich Gäste über Klaus Vortragslautstärke. Ihn und die Wirte lässt das aber kalt. Auf vielen Sitzungen ist er vertreten, manchmal sogar mit eigenem Vortrag. Wie ist das nach so langen Jahren im Dienst der Fastnacht? „Horsch, ich will Dir was saache. Mir machts Spaß, ge, ich hab noch nie gesacht ich hör uff. Die frein sich doch all wenn se mich sehe.“