Direkt zum Inhalt wechseln
|

So wohnt Mainz – Oase in der Neustadt

Mitten in der Stadt und trotzdem wie im Grünen wohnen, das ist nicht jedem vergönnt. Wenn Nico Freiter (45 Jahre) dagegen in seiner Wohnung aufwacht, ist das erste was er sieht, ein grüner Garten, Bäume und sein gut sortiertes Kräuterbeet. Eventuell noch die Hängematte zwischen den Bäumen, die er im Sommer hin und wieder aufspannt. Auch abends sitzt er hier oft auf seiner selbstgezimmerten Terrasse mit Freunden und Bekannten, die Feuerschale aufgestellt und ein Paar Schluck gekühlten Wein die Kehle herabrinnen lassend in der Hitze der staubigen Neustadt. Über ihnen nur noch ein imposantes Rosengewächs, das seit vierzig Jahren an der Hauswand wuchert und die derbe Wand aufs Feinste ziert.

Vom Büro zur Wohnung

Dass diese Idylle nicht immer so war wie heute, davon kann Nico ein Lied singen. Denn die 85qm Wohnung war früher eigentlich gar keine Wohnung. Als das Haus während des Krieges dem Bombardement zum Opfer fiel, standen nur noch die Grundmauern und das erste Stockwerk. Zwei weitere Stockwerke wurden nach dem Krieg neu errichtet, das Erdgeschoss fungierte solange als Büro für eine Architekturfirma. Hier gab es weder ein ordentliches Bad, noch die Raumaufteilung in der jetzigen Form. Nur die eigentliche Perle – der kleine Garten im Hinterhof – ganz allein für den Mieter des Erdgeschosses, der war schon immer da. Auch schon früher, als das massive Sandsteinhaus wahrscheinlich einem Bierbrauer gehörte, wie ein Wappen am Türeingang noch heute zeugt.

Kompletter Umbau

Als das Architekturbüro 2007 auszog und die Räumlichkeiten zum Verkauf standen, waren Nico und seine damalige Frau (von der er heute geschieden ist) die ersten zur Besichtigung – ein Zufall. Sofort nach dem Anblick des hauseigenen Gartens schlugen sie beherzt zu. Wohl wissend, dass auf sie noch jede Menge Arbeit wartete: Wände mussten eingerissen werden, neue Durchgänge geschaffen und Wasserleitungen im Keller verlegt. Die Wohnung wurde von Grund auf mit Köpfchen saniert. Vor allem für die Elektrik kamen dem gelernten Kommunikations-Elektroniker seine Kenntnisse zugute. Aber auch befreundete Schreiner ließen sich nicht lumpen. Das Parkett wurde komplett abgeschliffen, die Wände verputzt.

Heute schmücken Möbel aus seltenem Palisander-Holz das geräumige Wohnzimmer. Direkt daneben liegt die großzügige Wohnküche samt Essbereich. Der Hobbykoch legt hier wie dort großen Wert auf eine schöne Ausstattung, inklusive Gasherd zur perfekten Zubereitung asiatischer Gerichte im Wok. Viel Holz also und geschmeidige Materialen verarbeitete Nico in allen Zimmern zu einem natürlichen Gesamtbild.

Hier und da half auch der Zufall, etwa in der Auswahl des Esstisches und mancher Regale. Gut durchdacht auch das Bad: „Tausende Kataloge habe ich dafür durchblättert und mir die Sachen dann online bestellt.“ Zwar ist es etwas klein geraten, dafür wurde das Beste draus gemacht. Ein herrlich großer Duschkopf prangt in der eigenhändig gefliesten ebenerdigen Dusche. Tolle Materialien für Wasserhahn, -becken und das darunter liegende Badeschränkchen runden das Ganze ab.

Gute Nachbarschaft

Das Schlafzimmer liegt gleich neben dem Bad, wir erwähnten bereits den entspannten Blick ins Grüne. Auch das selbstgezimmerte Bett ist erwähnenswert. Wenn man Nico so anschaut, kommt es einem gar nicht so vor, als wäre der heutige Informatiker der große Handwerker vor dem Herrn. Doch was er da geschaffen hat, verdient schon ein wenig Respekt. Und so hat er – obgleich nicht selten auch gut unterwegs in Mainz-City und dem Rest der Welt – sich Stück für Stück eine kleine Oase der Ruhe geschaffen. (Abzüglich der Zahlungen für den damals aufgenommenen Kredit. Aber hat nicht jedes Paradies auch seinen Haken?)

Das Wichtigste jedoch: Nico versteht sich gut bis bestens mit seinen Nachbarn. Denn ohne diese Verständigung wäre das abendliche Grillen mit Freunden wohl kaum denkbar im eng an eng gebauten Mainz, wo ein jeder ein Stück weit seine Ruhe sucht: „Die kommen sogar manchmal rüber zu Grillen“. So geht das also auch – mitten in der Stadt und trotzdem wie im Grünen. Viele wünschen sich das, doch ist es nicht jedem vergönnt …

Text: David Gutsche  Fotos: Frauke Bönsch