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So wohnt Mainz: Cat Woman (Frauenlobstraße / Neustadt)

In Dagmar Sadzigs Wohnung ist vor allem ein Thema recht präsent.

Wer Dagmar Sadzik besucht, behält vor allem eines in Erinnerung: Katzen, Katzen und noch mals Katzen. Aber nicht maunzend und herumwieselnd, sondern sorgfältig abgestaubt in Schränken und Regalen, auf Tischen und gerahmt an den Wänden – aber im Grunde überall. Die Sammlung von Figuren und Abbildungen der eigenwilligen Kuscheltiere hat Museumscharakter und dürfte an Zahl und Vielgestalt einzigartig sein.

Musik, Literatur und Katzen – womit beginnt der heutige Tag?

Bei 400 hat Dagmar aufgehört zu zählen. Dennoch weiß sie zu jedem Exemplar Geschichte und Herkunft: Wo gefunden und erworben, von welchem Künstler (soweit bekannt), mit welchem kulturellen Hintergrund und, nicht zu vergessen: welchen Charaktertyp das jeweilige Pelztierchen verkörpert. Entsprechend wird auch arrangiert: Die Figuren stehen nicht etwa wahllos nebeneinander, sondern sind stets zu kleinen Szenen kombiniert. Da gibt es die Intellektuellenecke (lesende Kater mit Brille), die „Nutzkatzen“, die als Zeitschriftenständer, Bonbondosen, Buchstützen oder Bleistiftspitzer dienen, Katzen als Kaffeekannen, Schnapsgläschen und vieles mehr.

Sie sind nun mal “special characters”, unsere Ohrenträger…

Lebend-Ersatz
Aufgewachsen ist Dagmar in Friedberg und Mainz-Kastel. Da gab es Gärten und halbwilde Hauskatzen (auch „Freigänger“ genannt). Die kleine Dagmar schleppte alle mit nach Hause und wurde regelmäßig von ihnen als Mama adoptiert. Die Familie (ein Vater mit polnischoberschlesischen Wurzeln, der bei der Bundesbahn arbeitete) spielte mit, und so waren Katzen einfach immer da. 1979 zog sie dann in die Neustadt und wollte hier aber nie eigene Stubentiger halten. Die vier Wände schienen ihr zu eng für die Tiere, und draußen lauern nun mal diverse Gefahren. Die unerfüllte Katzensehnsucht blieb Freunden aber nicht verborgen, und so bekam sie eines Tages zwei Messing-Kätzchen geschenkt. Der Rest ist Geschichte…: „Und irgendwann hat man die Bude voll“, so Dagmar. Ihre bisher letzte Errungenschaft: ein echter Pop-Kitsch-Kater vom brasilianischen Künstler Romero Britto.

Auch im Arbeitszimmer wird gemaunzt.

Israel – Palästina
Es gibt aber auch noch ein Leben hinter den Katzen – ganz wörtlich – denn im Bücherschrank steht die Literatur. Bei Dagmar ebenso reichhaltig und vielfältig wie ihre Katzensammlung. Zwei Bereiche beschäftigen sie bis heute und motivieren sie zu vielfältigem Engagement: Geschichte und das Themenfeld Israel / Palästina. Dabei hatte sie ursprünglich in Frankfurt als Hauptfach Musik studiert und dann als Gymnasiallehrerin Orchester und Chöre ins Leben gerufen. Zum zweiten Fach Geographie kam in Hessen als drittes die „Gesellschaftskunde“, und schon musste sie sich in Geschichte und Sozialkunde einarbeiten. Das fiel auf fruchtbaren Boden, denn Geschichte interessierte sie immer schon. „Die Auschwitz-Prozesse und das Eichmann- Verfahren erlebte ich als Jugendliche. Das prägte.“ Bis heute arbeitet sie aktiv bei zwei Organisationen mit, die sich der israelisch-palästinensischen Versöhnung verschrieben haben. In Mainz war Dagmar bisher vor allem für das Stadthistorische Museum und den Freundschaftskreis Mainz-Dijon aktiv, vor allem mit der Organisation zahlreicher Veranstaltungen. Mit Freude erzählt sie von einer Kooperation zwischen dem Theresianum und der Josefskapelle, bei der sie Schülerarbeiten über ehemals jüdische Geschäfte in der Schusterstraße präsentierte. Die Neustadt ist ihr dabei stets lieb und teuer – trotz der steigenden Mieten und der Zollhafen- Bebauung, die nicht so recht in den bunten Stadtteil zu passen scheint. Und nach ihrem „ausgiebigem, intensivem und interessantem“ Leben nach der Pensionierung treibt sie immer noch: Musik, Hebräisch lernen, Reisen und das sich-engagieren.

Text: Minas
Fotos: Stefan Zahm