Direkt zum Inhalt wechseln
|

So wohnt Mainz: Aquarium ohne Wasser

_MG_0621_web
von Monica Bege, Fotos: Jana Kay

Sie mag keine Schränke. Und das ist gut so. Wo sollten die auch hin? Bei all dem Glas… Julia Teine wohnt in einer unkonventionellen Doppelhaushälfte.

Schlafräume, Bad und Arbeitszimmer liegen im Erdgeschoss. Über eine lange Treppe gelangt man in den darüber liegenden Raum: Küche, Ess- und Wohnbereich auf vier Metern Breite und stolzen 16 Metern Länge – keine Zwischenwände. Die Einbauküche kommt ohne klassische Wandanbringungen aus und das alte Küchenbuffet ist in diesem Geschoss tatsächlich der einzige Schrank. Die puristische Strenge gerader Linien und kühlen Stahls werden von der natürlichen Wärme langer Holzdielen aufgefangen. An den Außenwänden findet sich dafür mehr Glas als Holz, teilweise von der Decke bis zum Boden. „Manche nennen es auch das Aquarium“, sagt Julia. Der Vergleich ist durchaus angemessen. Den Mut, selbst so zu bauen, hätte sie nicht gehabt. „Eigentlich habe ich immer in einer alten Hofreite wohnen wollen. Aber das Haus hat mich vor fünf Jahren sofort überzeugt“, gesteht die Frau mit den rostbraunen Locken. Große Bäume und eine dichte Hecke schirmen von der Straße ab. Auf der anderen Seite blickt man weniger auf, sondern mehr in ein weiteres „Aquarium“- Haus hinein. Wie privat ist man dann noch in den eigenen vier Wänden? „Man braucht schon ein starkes Selbstbewusstsein“, lacht Julia, aber man beobachte schließlich nicht den Nachbarn, gleichwohl Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrzunehmen seien. Sie hat sich daran gewöhnt und auf einen bequemen Look verzichtet sie deshalb nicht. Ob man sich präsentiert fühlt, hängt viel von einem selber ab.

Rezepte gegen Langeweile
Macht sich an öden Regentagen der Hüttenkoller in den Kinderzimmern breit, räumen die Teines einfach das Trampolin vor die Couch oder die drei, fünf und neun Jahre alten Mädchen schnappen sich Skates oder Roller und verlagern ihr Outdoor-Programm nach drinnen. Julia bleibt gelassen. Die Bodendielen sind rustikal, die Decke hoch genug und ihre Nerven stark. Angst, dass etwas zu Bruch geht, hat sie nicht. Viel steht und liegt hier ohnehin nicht herum. Reduktion ohne Anstrengung. Dass sie bei den ausgesuchten Dingen ein Auge für Style hat, ist unverkennbar. In ihrer Verwandtschaft finden sich Produktdesigner, Architekten und Hobbyfotografen – kreative Köpfe. Sie bildet keine Ausnahme. Die gelernte Mediengestalterin hatte sich nach der Geburt ihrer ersten Tochter selbstständig gemacht. „Das war weniger geplant, sondern mehr ein schleichender Prozess“, blickt Julia Teine zurück. Grafik, Fotografie, Homepage-Gestaltung – sie deckt mit ihrer Angebotspalette viele Gebiete ab. Die Arbeit an unterschiedlichen Projekten ist ihr wichtig. „Mir wird einfach schnell langweilig“, bekennt die 37-Jährige, die voller leidenschaftlicher Ideen steckt. Sich selbst beschreibt Julia als Retrofan, sentimental und unfähig, Dinge von persönlicher Bedeutung wegzuschmeißen. Wohin also mit den alten Kindheitsschätzen? Nach Jahren auf dem elterlichen Dachboden haben sie zu müffeln begonnen. In die Wohnung passen sie auch nicht mehr. Aber sie erzählen schöne Geschichten und verkörpern viele Erinnerungen. Dieser Zwiespalt beschäftigte die Fotografin. Daher macht sie seit kurzem alte Kostbarkeiten wieder salonfähig. In Anlehnung an die 70er Jahre US-Serie „Wunderbare Jahre“ nennt sie das Geschäftsprojekt „wubaja“. Nun erzählt ihr alter Holzhund elegant vor weißem Hintergrund abfotografiert, die persönliche Geschichte von der kleinen Julia: „Diese Art von Bildern ist weder kitschig, noch spießig oder zu verspielt. Man kann sie sich überall aufhängen. Neben ihrer Ästhetik leben sie insbesondere von ihrem Inhalt.“

Ausgeklügelte Architektur hautnah
Im mächtigen Geäst der Blutpflaume thront ein Baumhaus. Den ehemaligen Teich haben vier Tonnen Sand „bespielbar“ gemacht. Viel üppiges Grün wuchert hier, wild und doch umsorgt. Riesige Scheiben verwischen die Trennung zwischen Drinnen und Draußen. Der weite Dachüberstand schützt im Sommer vor Sonneneinstrahlung und lässt ein paar Monate behagliche Wintersonne hinein. Kommt die Natur mit einem Gewitterspektakel zu imposant daher, verkrümelt sich Julia lieber mit einem Buch ins Schlafzimmer. Dann taucht sie ab in den Keller mit Ausblick auf eine schräge Natursteinmauer. Dafür ist ihr Büro ebenerdig. „Ich arbeite viel von daheim. Und so habe ich die Kinder besser im Auge“, erklärt sie den Zimmertausch. Bei so viel Durchblick sollte das auch gut gelingen.
www.wubaja.com