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Rotlicht: Sündiges Mainz


von Felix Monsees, Fotos: Stick Up Studio

Ältestes Gewerbe oder moderne Sklaverei? Fast jeder hat eine Meinung über die Halbwelt im Rotlicht. Reingeguckt haben die wenigsten – zumindest gibt es die Mehrheit nicht zu. sensor hat verschlossene Türen geöffnet und einen Blick in das Business mit dem Sex in Mainz geworfen.
„Frau Berger wohnt hier nicht mehr“, sagt Bernd Nietzold, „die Zeiten sind schon lange vorbei.“ Nietzold steht vor seinem Hausmeisterbüro in einem Hochhaus im Sonnigen Hang. Seit 1992 arbeitet er in der Siedlung in Marienborn. Es gibt bessere Gegenden. Das merkt man schon, wenn man den Kiosk um die Ecke besucht. Eine zittrige Frau mit rotgefärbter Kurzhaarfrisur, wahrscheinlich Ende zwanzig, kauft drei einzelne Zigaretten. Die Kühlschränke im Kiosk sind ausgeschaltet. Wer eine Cola trinken will, muss eine lauwarme Dose nehmen. Nietzold selbst ist schon vor zehn Jahren von hier weggezogen. In seiner neuen Heimat hat er weniger Stress. Er weiß, wer am Sonnigen Hang wohnt und wer dazu gehört. Und wer nicht dazu gehört, den erkennt der Hausmeister schon von weitem auf den vielen Kameras, die die Hauseingänge am Sonnigen Hang bewachen. Wenn Unbekannte auf den Fluren der Wohneinheiten rumlaufen, spricht Nietzold sie an. Bis vor vier Jahren soll es in den Hochhäusern dreißig bis fünfzig „Terminwohnungen“ gegeben haben, in denen der Prostitution nachgegangen wurde. Wie funktioniert das Geschäft mit den Terminwohnungen? In den Appartements arbeiten die Frauen überwiegend auf eigene Rechnung. Meist schließen die Prostituierten einen wochenweisen Untermietvertrag bei dem Vermieter aus dem Milieu ab, denn sie bleiben immer nur für eine kurze Zeit. Der Schlüssel zur Wohnung liegt unter der Fußmatte. Wegen der vielen wechselnden Bewohnern werden die Klingelschilder nicht ausgewechselt. Die Freier sollen dann bei Berger, Siegler oder Koch klingeln, steht in einschlägigen Annoncen im Internet oder in der BILD. Der Stadt wurde es irgendwann zu viel. „Die Mieter wurden angetippt, dass die Wohnungen für diese Zwecke nicht gedacht sind“, erzählt Stadtsprecher Ralf Peterhanwahr. Wer sich nicht daran hält, muss mit hohen Strafen rechnen. Für Hausmeister Nietzold hat sich das Problem damit erledigt. Er meint, im Sonnigen Hang gäbe es keine Prostitution mehr. Es habe zwar vor kurzem eine Beschwerde gegeben, eine Frau würde in ihrer Wohnung Männer empfangen. Wie sich aber herausstellte, war das ein Familienbesuch von ihrem Vater und Bruder. Peterhanwahr sieht das anders. Es sei davon auszugehen, dass es überall in der Stadt Terminwohnungen gäbe, auch am Sonnigen Hang. „Alles andere wäre blauäugig. Das gehört zu einer Stadt wie Mainz mit 200.000 Einwohnern dazu.“ Auf den einschlägigen Seiten im Internet werben Frauen mit verschiedenen Adressen, auch in der Nähe des ZDF bei Marienborn. Die genaue Adresse erfahre man erst am Telefon, steht auf der Homepage. Sandy aus Mainz schreibt, sie sei wieder unter altbekannter Adresse erreichbar. Klingeln bei König.

Kein Happy End im Sperrbezirk
„Wir haben keine aufregende Rotlichtszene – ich denke, wir spielen in dem Bereich 2. Liga Abstiegsgefahr“, sagt Peterhanwahr aus Sicht der Stadt. Wie viele Prostituierte in Mainz arbeiten, weiß er nicht, denn es besteht keine Meldepflicht in dem Gewerbe. Seit sich in den 60er Jahren ein Straßenstrich auf der Ingelheimer Aue etablierte, ist die Innenstadt Sperrbezirk. Zwischen Mombacher Straße, Rheinallee, Kaiser-Karl-Ring und Salvatorstraße über dem Eisgrub ist Prostitution – also die Ausübung aller sexuellen Handlungen gegen Geld – untersagt. „Das beinhaltet auch Massagen mit Happy End“, betont der Stadtsprecher. Was hinter verschlossenen Türen passiere, wisse man aber nicht. Er selbst kenne die Etablissements in der Stadt nicht und könne daher nicht einschätzen, welche Dienstleistungen angeboten werden.

Kunden sind schüchtern und kommen zum Quatschen
Maurizio kennt die Neutorstraße am Ende der Altstadt. Er betreibt dort die Etablissements „Just Blue“ und „La Belle“. Damals hatte er gerade erst den Führerschein bekommen, da ist er schon nach Frankfurt gefahren, um zu erfahren wie es ist, Sex zu kaufen. Zum Vollzug kam es nicht, stattdessen boten ihm die Damen an, für sie zu arbeiten, erzählt er. Er war nett zu ihnen, anders als manche Jungs, die frech waren, sagt Maurizio. Also hat er sich um die Frauen gekümmert, Kontakte gesammelt und vermittelt. „Ich hab dann gesagt, da ist es sauberer in dem Laden, geh doch dahin.“ Maurizio ist nicht weit von der Neutorstraße in der Altstadt aufgewachsen. Er ist Deutsch-Italiener, ein unauffälliger Typ, der nicht den Szenegrößen aus dem Fernsehen ähnelt, etwa Bert Wollersheim „Deutschlands kultigstem Bordellchef“, oder dem adoptierten Marcus Prinz von Anhalt. Gelernt hat Maurizio Schlosser, er war auch schon LKW-Fahrer und selbstständiger Gastronom. Irgendwas hat er immer gearbeitet. Maurizio sitzt an der Theke des Just Blue und pellt Ostereier mit Polina, sie arbeitet als Barchefin im La Belle. Im Just Blue steht seine Frau Carina hinter der Theke. Sie ist aus der Karibik und hat Maurizio in Rüsselsheim kennen gelernt. Sie bekäme zwar viele entsprechende Angebote, aber verkaufe nur Getränke, versichert Maurizio. Es ist ihr erster Job im Rotlicht-Gewerbe. Am Anfang habe es sie viel Überwindung gekostet, erzählt ihr Mann. Carinas Deutsch ist noch nicht sehr gut. Im Just Blue wird fast ausschließlich spanisch gesprochen. Die meisten Frauen kommen aus der Karibik. Nur Polina stammt vom Balkan, doch Spanisch ist eine der zahlreichen Sprachen, die sie fließend spricht. Sie hat schon in vielen Ländern Europas gearbeitet. Manchmal gibt sie sich als Italienerin oder Albanerin aus. Aus einem ipad dudelt Latino-Pop. Es ist erst Mittag und das Geschäft hat noch nicht begonnen. Trotzdem sind schon viele Damen da und warten. Alle rauchen. Das Geschäft besteht aus viel Warten – auf die Männer. Und solange keiner kommt, gibt es eine Party wie auf einem Kindergeburtstag und alle tanzen, meint Polina. „Was sollen so viele Frauen auf einem Platz sonst machen“, sagt Maurizio. Überwiegend Angestellte um die vierzig besuchen das Just Blue. Meist sagen sie, sie seien Single. „Fünf Ringe am Finger, aber sie sagen, sie haben keine Frau“, lacht Maurizio und guckt auf seinen Ehering: „Verheiratet heißt nicht tot“. Die Männer kommen meist alleine. Sie sind oft schüchtern und bleiben mit ihren Augen an einem der beiden Spielautomaten kleben, erzählt Carina. Die meisten setzen sich an die Theke und trinken Bier, bis sie genügend Mut haben, eines der Mädchen anzusprechen. „Meistens bleibt es beim Quatschen“, sagt Maurizio. Und wenn es nicht dabei bleibt? Was die Frauen im Hinterzimmer treiben, ist deren Sache. Maurizio verdient nur an den Getränken.

Je teurer der Drink, desto länger der Flirt
„Wir haben hier die Macht – und die Männer wollen das“, sagt Jasmin über ihren Nachtclub. Seit über zwanzig Jahren steht die energische Barfrau an der Theke der Bar zur Hölle, in einer Nebenstraße der Großen Langgasse. Das Interieur ist rot und verrucht. Eine vollbusige Schönheit aus Pappmaché gehört zur Wandverkleidung. Wer in einer der Sitzgruppen Platz nimmt, sitzt im Inneren eines Vulkans – ebenfalls Pappmaché. Zu Recht wurde die Bar in einem Fernsehbeitrag zu einer der schönsten Bars der Region gekürt. „Wir bieten hier Animation und mehr“, sagt Jasmin. Man versuche den Männern (und Frauen, die hier gern gesehen sind) alle Wünsche von den Augen abzulesen. Sex darf laut Ordnungsamt hier (eigentlich) nicht verkauft werden. Manchmal kommt das Ordnungsamt und kontrolliert, ob alle Bereiche in „der Hölle“ wie vorgeschrieben von der Theke aus einsichtig sind. Wer hier hinkommt, suche Unterhaltung mit Niveau. „Bargänger sind keine Puffgänger“, erklärt Jasmin den Unterschied, „die Männer wollen, dass man ihnen zuhört.“ Dementsprechend achtet sie auf das Niveau der Mädels, sogar eine Mathematik-Studentin habe hier schon ihr Studium finanziert. Auch ihr Patenkind arbeitet hier. Fabienne Rose ist Erotikdarstellerin und tritt in ganz Deutschland mit ihrer Strip- und Dildoshow auf. Neben den Engagements in FKK-Clubs und Erotikmessen tanzt sie auf der Bühne ihrer Patentante. Abgefüllt wird dabei keiner. „Die Männer sollen sich daran erinnern, wie schön es hier war.“ Wenn ein Kunde seine Quittung liegen lässt, steckt sie Jasmin zurück in seine Sakkotasche, damit er auch am nächsten Tag noch weiß, für was er bezahlt hat. Getränke gegen Aufmerksamkeit ist das Geschäftsprinzip. Die Männer bezahlen den Damen einen Piccolo oder gar eine Flasche Schampus. Der rheinland-pfälzische CDUFunktionär Markus Hebgen stolperte 2008 über eine Rechnung von 3.700 Euro aus der „Hölle“, die er aus der Parteikasse zahlte. Vielleicht genoss er auch einen Privattanz im Séparée. Und gibt es hier auch Sex? Die Frage beantwortet Jasmin nicht. Generell findet sie Sex für Geld okay: „Dann ist sie eine Hure – und weiter?“

„Jede kluge Frau ist eine Hure“
Eröffnungsabend im La Belle. Ein, zwei Sitzgruppen sind mit Freunden von Maurizio besetzt. Große, breite Männer. Später am Abend werden sich noch zwei Gymnasiasten auf dem Nachhauseweg aus der Disco hierher verirren. Polina hat die letzen Nächte nicht viel geschlafen und für die Eröffnung geputzt. Zwei bis drei Stunden Schlaf, mehr braucht sie nicht, das ist sie gewöhnt. Jetzt steht sie hinter der Bar und trinkt Vodka mit Gästen. Ihre Arme sind tätowiert, auf einer Seite steht der Name ihres Freundes. Er kommt auch aus dem Milieu und betreibt ein Bordell in der Region. Ein anderes Tattoo erinnert sie auf Albanisch daran, immer ihren Traum zu leben. „Jede kluge Frau ist eine Hure“, sagt Polina, „dumme Frauen machen es für zwei Vodka in der Disco.“ Ihre Familie weiß, als was sie arbeitet. Sie könne diesen Zeitungsartikel dann an ihre Mutter schicken, sagt Polina mit zynischem Unterton. Nachmittags kommt Besuch von Maria und Sofia. Die beiden Mädchen sind zwanzig und stammen wie Polina vom Balkan. Sie sind gekommen, weil Polina bei einem Heimaturlaub so gut von ihrem Job in Deutschland gesprochen hat. Sie nennt die beiden ihre Töchter. Sofia reicht ihr mit übertriebener Geste eine Zigarette und sagt: „Bitte sehr, Chefin.“ Alle drei strahlen Street-Smartness aus. „Sie können schneller schimpfen, als ich blinzeln kann“, sagt Polina. Seit zehn Jahren ist sie jetzt im Business. Wenn man sie fragt, wie sie dazu kam, winkt sie ab. „Das willst du nicht wissen …“

Sexuelle Ausbeutung auch in Mainz
Es gibt Zwangsprostitution. Eine Studie der europäischen Innenkommission, die Mitte April veröffentlicht wurde, bestätigt die moderne Sklaverei in Europa. 22.000 Menschen sollen zwischen 2008 und 2010 zur Prostitution gezwungen oder als Zwangsarbeiter ausgebeutet worden sein. Mehr als die Hälfte der Betroffenen stammten aus Bulgarien und Rumänien. Die Bundesregierung strebt deshalb eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes an. In Mainz sind Einzelfälle belegt. Tatort Sonniger Hang: Im Mai 2012 wurde ein Mann verurteilt, sich des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung schuldig gemacht zu haben. Das Opfer war eine Russin. Ein weiterer Prozess läuft momentan. Ebenfalls eine Russin soll in einem Gonsenheimer Bordell ausgebeutet worden sein. Die Frauen, die zu ihm kommen, erzählen Maurizio von Läden, in denen ihnen Pass und Geld weggenommen wurde. Gesehen hat er noch keinen. Das passiere vor allem in Etablissements, die nicht als solche zu erkennen sind, sagt Maurizio. Die Männer dort seien keine Profis, sondern Bauernjungs, die sich aufspielen. Zwangsprostituierte gäbe es vor allem in FKK-Clubs, sagt Rey, wo Bulgarinnen und Rumäninnen abgeschirmt von der Außenwelt zu günstigen Preisen arbeiten. In einem Laufhaus wie dem Crazy, das mitten in der Stadt liegt, sei Zwang gar nicht möglich. „Wenn ich meinen Mädels nur ein Haar krümmen würde, die würden sofort rüber zur Polizei gehen“, sagt Rey, der Besitzer des Laufhauses. Er nennt sich selbst Geschäftsmann aus der Erotikbranche.

Die bekannteste Rotlichtadresse in Mainz
Reys Büro im ersten Stock des Crazy am Bahnhof ist ein Raum mit einem großen Schreibtisch und einem durchgesessenen Sofa. Rey ist Mitte Vierzig und hat einen dunklen Teint. Hinter ihm hängt ein Bild von Al Pacino in seiner Rolle als Drogenhändler „Scarface“. Umrandet von vielen kleinen Monitoren, auf denen die Bilder der Überwachungskameras flirren, hängt ein riesiger Flatscreen. Es läuft RTL 2. Auch wenn er mit jemandem spricht und ihm in die Augen schaut, sieht er scheinbar immer noch, was auf den Monitoren passiert. Mal bittet er einen Gast die Kapuze abzuziehen, mal stört ihn ein Mann, der auf dem Flur tanzt. „Der macht den Affen“, sagt Rey. Auf dem kleinen Bildschirm sieht man in Schwarz-Weiß, wie die Security den Freier nach draußen bringt. Zurück im Büro wischt der Security-Mann sich mit einem Stück Küchenrolle die Hände ab. Das Crazy ist die bekannteste Rotlichtadresse in Mainz. Die meisten Mainzer gehen täglich an dem Altbau in der Bahnhofstraße vorbei. Und viele gehen rein. Geld verdient Rey daran nur indirekt. Er vermietet die kleinen Zimmer an die Prostituierten, die hier arbeiten und auch wohnen. Das Crazy ist ein Laufhaus. Auf drei Stockwerken sitzen die Damen vor ihren Zimmern auf Barhockern und warten auf Kundschaft. Die Freier wandern durch die Flure und suchen sich eine Frau nach Wahl. Prostitution ist hier erlaubt, obwohl das Crazy im Sperrbezirk liegt. Es gilt der Bestandsschutz, denn hier war schon vor dem 2. Weltkrieg ein Laufhaus, bevor es einen Sperrbezirk gab.

Untersuchungshaft als Berufsrisiko
Mit den relevanten Behörden arbeite man sehr gut zusammen, betont Rey. Seine Mitarbeiter seien alle polizeibekannt im positiven Sinne. Wenn es Stress mit einem Freier gibt, rufe man die Polizei, anstatt selbst aktiv zu werden. Im Flur des Crazy hängt ein Aushang: Bei Reklamationen bitte im Büro melden. Wenn das jemand früher gemacht hätte, gäbe es sofort Schläge. Die neue Konkurrenz aus dem Ostblock und dem Internet und eine größere sexuelle Freizügigkeit sorgen jedoch für sinkende Umsätze im Milieu. Kundenorientierung wird also immer wichtiger, meint Rey. „Ich versuche, einen Touch Härte aus dem Geschäft rauszunehmen“, sagt der Puffbesitzer. Er behandelt seine Mitarbeiterinnen und die Kunden mit Würde. Aber: „Wer so ein Haus besitzt, ist kein Kind von Traurigkeit.“ Ohne Valium und Beruhigungsspritzen könne man diesen Job nicht machen. Knasterfahrung ist bei einer Karriere im Milieu unumgänglich. Ein paar Tage in U-Haft gehören zum Berufsrisiko. Die mangelnde Anerkennung der Gesellschaft stört ihn jedoch. Er erzählt gerne davon, dass er viel Geld für wohltätige Zwecke spendet und sich um die Junkies im Bahnhofsviertel kümmert. Im Crazy würden die immer ein wenig Geld und auch Aufmerksamkeit bekommen. Die Junkies freuen sich, wenn sie ein wenig mit den großen Puffbetreibern babbeln dürften. Das Crazy betreibt er seit vier Jahren. Außerdem hat er verschiedene Appartements in Frankfurt und Offenbach. Seine Arbeit als Geschäftsmann in der Erotikbranche betrachtet er als Investment. Man muss genügend Geld zusammenkriegen, um sich im Alter abzusetzen, bevor man schwach wird, um sich gegen seine Gegner zu wehren. Er kennt das schon. Verletzungen und ständige Schmerzen zwangen ihn, seine Karriere als Tennisspieler zu beenden. Bis auf Platz 211 der Weltrangliste sei er gekommen. Durch seinen Tennislehrer sei er ins Frankfurter Milieu eingeführt worden. Einfach auf die Kaiserstraße gehen und einen Puff eröffnen, das geht nicht. Man muss das Ansehen und die Macht haben und sich schützen können. Wer einmal drin ist, verdient gutes Geld. Das gilt auch für die Frauen. Auch die müssen für das Alter genügend Geld zusammenbringen, denn in die Rentenkasse zahlt fast keine ein. Das meiste Geld wandert in Spielautomaten, vermutet Rey: „Man gibt das Geld so schnell aus, wie man es verdient.“ Keine fünf Prozent der Frauen würden den Sprung aus der Prostitution schaffen. Rey weiß, aus welchen Elternhäusern die Frauen kommen. „Da würdest du und ich nicht essen wollen.“ Für viele hier sei dieses limitierte Leben mehr, als sie in ihrer Heimat Bulgarien, Rumänien und Ungarn erwarten könnten. Eine der Frauen wohnt und lebt seit zwanzig Jahren im Crazy. „Sie müsste eigentlich Millionärin sein“, sagt Rey. Stattdessen sitzt sie seit einer halben Ewigkeit auf einem Barhocker in einem weiß-gekachelten Flur und betreibt ihr Geschäft: Warten auf Kundschaft.