Es duftet nach Kräutern und Tee. Hunderte Aromen wehen dem Besucher entgegen und umschmeicheln die Nase, sobald man den kleinen Teeladen „Gu Tee Haus“ in der Klarastraße betritt. Sofort wird man von der freundlichen Chinesin Xiu Yun Zeng begrüßt, die den Laden seit zwölf Jahren führt. Innen scheint es, als würde die Zeit langsamer vergehen. Irgendetwas ist anders. Tees in dutzenden Gefäßen, Varianten, Formen und Farben sind im kleinen Verkaufsraum untergebracht.
Eine Tee-Geschichte
Tee stammt ursprünglich aus China und wurde vor rund 4700 Jahren erstmals erwähnt. Tee wurde im alten China als Heilmittel ausschließlich am Kaiserlichen Hof getrunken. Anfang des 17. Jahrhunderts erst gelangte Tee nach Europa und die Briten begannen mit dessen Export. Im herkömmlichen Sinne stammt Tee von einer Teepflanze, die als Baum oder Busch wächst und je nach Reifungsart zu weißem, grünem oder schwarzem Tee wird. Alle anderen Sorten, wie etwa der Kamillen- oder Brennnesseltee, sind eigentlich Kräuteraufgüsse. Die deutsche Sprache macht hier keinen Unterschied, wohingegen andere Sprachen, wie zum Beispiel das Spanische, auf diesen Unterschied genau achten.
Oase in Zeiten der Schnelllebigkeit
Xiu Yun lädt mich zu einer Teezeremonie ein. In winzige Schalen gießt sie grünen Tee, der von der Teeplantage ihres Bruders stammt. Die Teemeistern führt mich ein in die Welt der traditionellen chinesischen Teekultur. Xiu Yun, die als Hobby den Kampfsport Kong Fu ausübt und gemeinsam mit Basilio Fallica das neue Römercafé im Landesmuseum betreibt, ist in China neben einer Teefabrik groß geworden. Als die Teeproduktion 1990 in China privatisiert wurde, machte sich ihr Bruder mit einer eigenen Produktion selbstständig: „Ich bin froh, hier in Mainz zu sein und hier zu leben. Mainz hat Ähnlichkeit mit meiner Heimatstadt. Wenn ich am Rhein bin und spazieren gehe, fühle ich mich wie Zuhause.“ Die Mittvierzigerin hat es in die weite Welt getrieben. Schon früh interessierte sie sich für andere Kulturen und arbeitete unter anderem als Flugbegleiterin. Doch der Stress im Job belastete sie und so nahm sie gemeinsam mit ihrem Mann, der Ingenieur ist, das Angebot wahr, nach Deutschland zu ziehen, ohne vorher hier gewesen zu sein. Neugier, Abenteuerlust und die Hoffnung auf mehr Lebensqualität motivierten zu diesem Schritt.
Guter Tee – Schlechter Tee
Während sie erzählt, trinken wir Tee, der von dreihundert Jahre alten Bäumen stammt. Er schmeckt nach Heu, Blumen und süßlichen Aromen, wie Honig. Die Teemeisterin lacht und erzählt, dass sie es komisch findet, wie Deutsche Tee machen: „Sie stellen die Uhr auf fünf Minuten und dann wird der Beutel entfernt. Das ist typisch deutsch.“ Dabei wird guter Tee nicht bitter, egal wie lange man ihn ziehen lässt, die Aromen verändern sich lediglich. Die nächste Tasse lassen wir länger ziehen. Tatsächlich schmeckt der Tee nun anders. Nussig, intensiv, weniger blumig. Doch was macht einen guten Tee aus? „Das kann ich nicht pauschal beantworten. Für jeden ist guter Tee etwas anderes. Wichtig ist, dass Tee Freude bringt und schmeckt. Dann kann auch ein Beuteltee aus dem Supermarkt ein guter Tee sein.“ Und warum sollte man dann trotzdem bei ihr Tee kaufen, frage ich: „Ich möchte den Menschen mein Wissen weitergeben und ihnen ein Stück Teekultur näherbringen. Ich fungiere als Brücke zwischen der traditionellen chinesischen Kultur und der westlichen Welt. Das bekommt man in keinem Teeladen oder Supermarkt geboten.“
Über 100 Sorten
Jede der rund 130 Teesorten in ihrem Laden sei fair hergestellt. Darauf achte sie, so Xiu Yun. Nach der Verkostung zeigt sie mir eine besondere Kiste. „Das ist Premium-Tee von meinem Bruder, zehn Jahre alt und lange gereift. Den verkaufe ich nicht jedem, sondern nur denen, die ihn wirklich schätzen.“ Ehrfürchtig sitze ich vor der Kiste und kann kaum glauben, dass wir diesen Tee nun verkosten: schwarzer Tee aus einer kleinen Porzellanschale, in die noch kleinere Koi-Karpfen eingearbeitet sind. Er schmeckt wohlig-warm, erdig und samtig zugleich. Die Verkaufsschlager in ihrem Teegeschäft, das sie vor zwölf Jahren von einer Freundin übernommen hat, sind aber japanischer und indischer Schwarz- und Grüntee. Danach kommt der chinesische Tee von den Plantagen ihres Bruders. Wie diese aussehen und wie der Tee geerntet und verarbeitet wird, kann man in einem Bildband sehen, den Xiu Yun angefertigt hat, als sie auf Heimatbesuch war.
„Den Lärm der Welt vergessen“
Neben Tee und Geschirr bietet Xiu Yun auch Teezeremonien an, in denen sie ihr Wissen weitergibt und Teilnehmer mit hochwertigem Tee verköstigt. Die meisten Kunden sind Stammkunden und Xiu Yun, die Zen-Buddhismus praktiziert, ist froh, dass sie bisher noch nie Werbung machen musste: „Guter Tee macht Werbung für sich selbst.“ Wichtiger sei ihr, dass Menschen durch den Tee wenigstens fünf bis zehn Minuten Zeit für sich in Ruhe haben, bewusst trinken und dabei zu sich selbst finden. Ein chinesisches Sprichwort besagt „Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.“
Text Christina Landhammer