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Portrait: Der Hotelkönig – oder die Frage nach mehr Tourismus in Mainz

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Die Diskussionen um einen Hotelneubau am renovierungsbedürftigen Kurfürstlichen Schloss in Mainz schlagen aktuell hohe Wellen. Als einen „städtebaulichen Jahrhundertfehler“ bezeichnet der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RV) den Standort neben dem Schloss: „Schlösser brauchen Freiräume und dürfen nicht ökonomischem Kalkül geopfert werden.“ Die Stadt dagegen: „Ein Bedarf scheint zu bestehen“ und „die Frage des Standorts ist überhaupt noch nicht entschieden“.
Interview O-Ton: https://soundcloud.com/scratchmyfrontlens/interview-feuring-kongresszentrum

Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie durch die städtische Gebäudewirtschaft Mainz (GWM) erstellt. Mit Ergebnissen ist im Sommer zu rechnen. Die Ampelkoalition will mit dem Hotelprojekt die Sanierung des Schlosses mitfinanzieren. Als Alternativ-Standort ist auch der Ernst- Ludwig-Platz im Gespräch. Die Denkmalschützer lehnen das Projekt komplett ab und sprechen sich stattdessen für den Bau eines Schlossparks zwischen Schloss, Peterskirche und Gericht aus.

Analyse für mehr Hotels

Um herauszufinden, ob in der Landeshauptstadt überhaupt Bedarf an zusätzlichen Beherbergungsbetrieben besteht, beauftragten die Verantwortlichen der Stadt die Wiesbadener Unternehmensberatung „ghh consult GmbH“, eine Hotelmarktanalyse zu erstellen. Die kam zu dem Ergebnis, dass Mainz in den nächsten zehn Jahren mindestens drei neue Hotels verträgt. Zwar sind solche Analysen mit Vorsicht zu genießen, doch bringt das Bewegung in die Diskussion.

Für Mainz stehe fest: Bei gleich bleibender Bettenzahl würden Übernachtungen und Auslastung vermutlich in absehbarer Zeit stagnieren. „Mehr ist mit der jetzigen Kapazität nicht möglich“, sagt Dr. Gisela Hank-Haase, ghh-Geschäftsführerin. Laut ihr kann es mit Hotelneubauten in Mainz nicht schnell genug gehen: Schaden könne dies auf keinen Fall, sagt sie. Aber wollen wir wirklich mehr Touris und warum muss dafür eine Unternehmensberatung bezahlt werden statt auf lokale Kenntnis zu setzen?

Rückblende

Jahrzehnte zuvor tollte Berno-Heinrich Feuring mit seinen Kameraden zwischen steinernen Sarkophagen im Hof des im Krieg vollständig zerstörten Schlosses umher. Er erlebte den Wiederaufbau und die Bemühungen seines Vaters, der dort die Gastronomie betrieb. Nach den Schultagen im Schlossgymnasium arbeitete er in den elterlichen Betrieben, zu denen als Haupthaus auch die Rhein-Main Gaststätte (heute Besitos) am Hauptbahnhof gehörte. 1950 wurde zum ersten Mal wieder Fastnacht in den restaurierten Räumen des Schlosses gefeiert.

Seine Urlaube verbrachte Feuring mit Touren auf seinem Motorroller, bereiste diverse Hotels, um die verschiedenen Angebote unterschiedlichster Anbieter zu erforschen. 1959 schließlich war es soweit. Im Alter von nur 22 Jahren eröffnet Feuring als jüngster Hotelier Europas in der Kaiserstraße sein neu gebautes, erstes Europahotel. Mit der Organisation und Ausstattung setzte er noch heute gültige Maßstäbe: Zimmer verschiedenster Kategorien, von Touristen- bis zur Luxusklasse zu Inklusiv-Preisen, eine Showküche im Restaurant und Getränkelift machten den Unterschied.

Feurings Angebot sprach sich schnell herum. Er erhält den Auftrag zu einer Hotelprojekt-Entwicklung in Andalusien. Im selben Jahr gründet er eine Hotel-Consultingfirma. Der damalige Jungunternehmer wird mit der Bewirtschaftung des Gästehauses der Landesregierung beauftragt. Unter anderen zeichnet er für das Wohlergehen Charles de Gaulles und Queen Elisabeths in Mainz verantwortlich.

Hotelmegalomanie

Heute ist Feurings Hotelconsulting über 50 Jahre im Geschäft und gut aufgestellt. Von seinen vier Kindern arbeiten die beiden Söhne als Manager im Betrieb. Zusätzliche Hotel-Spezialisten kauft Feuring gerne direkt von internationalen Hotelfachuniversitäten in Lausanne oder Paris ein. Sieben Enkel lassen auf innerfamiliären Leitungsnachwuchs hoffen.

„Unsere Firma ist auf diesem Gebiet im Bundesgebiet ohne Konkurrenz. Wir haben in den letzten 50 Jahren weltweit über 500 Hotels der gehobenen Kategorien beraten, selbst gebaut, oder gebaut für Dritte, also Banken, Fonds usw. Wir sind sehr froh, dass keines unserer Projekte aus dem Rahmen fiel. Alle existieren bis heute, alle schreiben schwarze Zahlen“, erklärt der Firmengründer im Konferenzraum seines Büros im Villenviertel am Rosengarten.

Und in der Tat liest sich Feurings Kundenliste wie das Alphabet der internationalen Hotelindustrie: Steigenberger, Sheraton, Hyatt, Maritim … „Wir sollten aus dem Rhein-Main Gebiet eines der größten Konferenzzentren der Welt machen. Das Gebiet liegt im weltweiten Vergleich in bester Position, weil wir verkehrstechnisch phantastisch liegen. Egal woher die Gäste kommen sind die Flugverbindungen ideal, negativ natürlich der Fluglärm, den wir erleiden.

Mainz ist eine der wenigen Städte, die 365 Tage im Jahr beschickt werden kann. Sie braucht aber größere Kapazitäten, mindestens zehn neue Hotels in den nächsten Jahren“, ist sich Feuring sicher. Es ist also nicht verwunderlich, dass er am Bau eines Schlosshotels interessiert ist: „Wir sind aber nicht daran interessiert, die erforderlichen Entscheidungswege über den Stadtrat zu begehen und uns dafür zu verschleißen. Die Stadt sollte die Chance nutzen, sich mit einem hochklassigen Schlosshotel mit 175 bis 200 Zimmern als Anker dieses internationalen Zentrums zu etablieren.

Allerdings braucht die Stadt dafür ein Konzept, ohne das geht gar nichts. Die Idee eines Schlossparks bringt dem Schloss nichts, abgesehen von Kosten.“ Im Nachgang bestätigt das Ergebnis der Studie der „ghh consult GmbH“ Feurings Ausführungen: Mainz verträgt höhere Übernachtungskapazitäten. Bleibt nur die Frage: Wollen wir das auch?

Text und Foto  Andreas Coerper