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Portrait: Der Erfinder Geist

thorst

Text Sebastian Wenzel   Fotos Michael Zellmer

Thorsten Dressler will die Welt verbessern – mit sozialem Engagement und seinen Erfindungen. Doch die Welt ignoriert ihn.

Mit zwei Plastikflaschen kämpft Thorsten Dressler für eine brauchbarere Zukunft. Früher sprudelte in den Flaschen kaltes Mineralwasser. Jetzt schwappt darin heißes Wasser aus dem Wiesbadener Kochbrunnen. Es soll Obdachlose wärmen. Dressler hat zwei Schnüre um die Flaschen gebunden. Dadurch hängen die Flaschen exakt unter den Achselhöhlen. So nimmt der Körper die abgegebe Wärme optimal auf. Die mobilen Wärmeflaschen sind eine seiner zahlreichen Erfindungen. Der 35-Jährige hat auch einen hybridbetriebenen Leuchthelm im Angebot, für das sichere Rad fahren in der Stadt. Und mit seinem Glühweintrichter kann man schnell kalten Glühwein erwärmen und trinken.

Kleine Dinge für große Veränderungen

Thorsten kämpft mit kleinen Dingen für große Veränderungen. Er ist Erfinder, Bastler und Sammler. Er besitzt Kühlschränke, Lichteffekte, Fahrräder, Lautsprecher, Solarkocher, Stichsägen, Schleifgeräte, Kaffeemaschinen und vieles mehr. Einige Gegenstände hat Dressler gekauft, andere stammen vom Sperrmüll oder aus Firmenauflösungen. Alle Gegenstände stehen in Dresslers Elternhaus und sollen möglichst schnell und oft zum Einsatz kommen. Kostenfrei.

Deshalb setzte sich Dressler vor einigen Monaten an einen Computer und entwarf ein Flugblatt. Er tippte große schwarze Buchstaben. „Technische Hilfe für gemeinnützige Einrichtungen, Hausmeisterservice, Anlagenbau, Ausrüstung“. Dann folgten kleine schwarze Buchstaben. „Projekte im Bereich der Leerstandszwischennutzung sind besonders interessant für mich, dabei habe ich Erfahrung in Mainz gesammelt und würde diese gerne in Wiesbaden anwenden und um eigene Konzepte ergänzen“.

Dressler kopierte das Blatt und verteilte es links und rechts vom Rhein. Bisher hat sich noch niemand bei ihm gemeldet. Thorsten Dressler kämpft mit dem Leben. Während man sich mit ihm unterhält, blickt er an die Wand. Es ist schwer, seine Worte zu ordnen. Er erzählt von seiner Schulzeit auf der Werner-von-Siemens Realschule in Wiesbaden. Er spricht über seine abgebrochene Schlosserlehre. Er macht eine Pause. Dann redet er über Praktika als Heizungs- und Elektroinstallateur. Er spricht über Aushilfsjobs in der Gastronomie. Er erzählt von der Bundeswehr. Dort fing er als Fernmelder an, wurde aber vorzeitig entlassen.

Er erwähnt seine Zeit bei den Flughafengegnern in Kelsterbach. Er spricht von psychischen Problemen, die ihm andere andichten würden. Er redet über Privatinsolvenz und seine Zeit in Mainz. Dort war er beim Kulturverein Peng aktiv und bereicherte diesen mit seinen Erfindungen. Inzwischen wohnt Dressler wieder bei seinen Eltern in Wiesbaden-Erbenheim. Er sagt: „Mir fällt hier die Decke auf den Kopf.“ Nach Mainz kommt er nur noch selten. Die Busfahrkarten sind zu teuer, einen Führerschein besitzt er nicht. Dafür fährt er öfters mit dem Rad am Rhein entlang.

Kampf mit dem System, Traum von der Kommune

Thorsten Dressler kämpft mit dem System. Er ist im Internet aktiv, vor allem auf Facebook. Dort ist er Mitglied in Gruppen wie „Cool Ideas Society Rhein- Main-Region“, „Erfinder-Geister“ und „Autarkie, Gemeinschaften, Überlebenstraining, Ernährung, Krisenbewältigung“. Anfang April schrieb er auf seinem Facebook-Profil: „Grübeln: Atombombe war die US-Geheimwaffe und hat sich weltweit verbreitet, während man von anderen teils plausiblen Technologien, die die Menschheit auch humanitär voranbringen würden, sehr, sehr lange nichts gehört hat“.

In dem Beitrag veröffentlichte er auch einen Link auf die Datenbank des Deutsche Patentund Markenamts. Einmal zählte Dressler dort, wie viele Patente auf Schalldämpfer erteilt wurden. Er kam auf 13.682. Er sagt: „Es gibt Unmengen an technischem Wissen, das in staatlichem oder privatem Eigentum ist und eigentlich der Gesellschaft gehören sollte.“ Dressler würde gerne in einer Kommune leben. In einer Gemeinschaft, in der Menschen sich gegenseitig helfen. In einer Gemeinschaft, in der seine Erfindungen und gesammelten Gegenstände sinnvoll zum Einsatz kommen. Das wäre für ihn eine brauchbarere Zukunft, eine bessere Welt – wenn auch nur im Kleinen.