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Perfekte Ausstrahlung: (Mainzer) Sonnenstudios im Überlebenskampf

Anfang Dezember schloss das „Beauty Solar“ in der Binger Straße. Kurz zuvor machte das „Pretty Sun“ Ecke Sömmeringstraße / Goethestraße dicht und tauschte die Sonnenbänke gegen einen bizarren Mix aus Schaufenster-Flohmarkt und „Zu vermieten“-Schildern aus. Eine Branche am Aussterben – ähnlich die der Videotheken? Doch zunächst Entwarnung: Aktuell gibt es noch vier Sonnenstudios in der Innenstadt. Zwei weitere in Gonsenheim und Laubenheim. Dennoch: Die Zahlen des Bundesfachverbandes für Besonnung e.V. (BfB) sprechen für sich. Die Zahl der Sonnenstudios gingen seit dem Jahr 2000 von ca. 7.500 auf aktuell 2.800 Studios zurück!

Boom-Zeit vorbei

Vom Aussterben einer Branche will Elke Müller trotzdem nichts wissen. Die gelernte Heilpraktikerin führt in der Leibnizstraße das Sonnenstudio „Sun Care“. „Der große Boom ist freilich vorbei“, gibt auch sie zu. Damals in den 80er-/90er-Jahren habe man es so übertrieben, dass die ganze Branche in Verruf geriet und noch heute darunter leidet: Eine regelrechte Solarium-Sucht war damals zu beobachten, für die man sogar eine neue Krankheitsdiagnose mit Namen „Tanorexie“ geschaffen hat. „Mittlerweile geraten jedoch die positiven Wirkungen des Sonnenlichtes auf die Gesundheit wieder zunehmend in den Blick. Es gibt sogar Ärzte, die Patienten zu mir schicken.“ Tatsächlich wird UV-Licht zur Behandlung von Hautkrankheiten wie Schuppenflechten eingesetzt und auch bei Vitamin D-Mangel oder Winterdepressionen empfohlen. Diesen Eindruck scheint Maximilian zu bestätigen, der das Studio an diesem nasskalten Tag mit roter Nase und Pudelmütze betritt. Der Student kommt regelmäßig. „Aber nur im Winter.“ Sagt er und erklärt: „Wegen dem Vitamin D. Das ist doch besser und viel natürlicher, als irgendwelche Pillen zu schlucken … und etwas mehr Farbe im Gesicht ist auch nicht schlecht.“

Moderates Sonnenbaden

Für Elke Müller ist das Sonnenstudio eine Herzensangelegenheit, die sie mit missionarischem Eifer betreibt. Ihr ganzheitliches Konzept „Gesundheit für Mensch und Natur“ schließt auch die Verwendung schonender Reinigungs- und Kosmetikprodukte, sowie Solarienbetrieb mit 100% Öko-Strom ein. Bei ihr zahlen die Kunden grundsätzlich für jeden Besuch. Dafür kann man je nach Tageszeit schon ab 6,50 Euro bis zu 25 Minuten sonnen. Von Abos oder festen Mitgliedschaften hält sie nichts: „Man kann ohnehin nicht alle paar Tage unter die Sonnenbank.“ Experten empfehlen je nach Hauttyp maximal 50 Sonnenbäder pro Jahr – egal ob in freier Natur oder unter der Röhre. Zu intensives Bräunen erhöht das Hautkrebsrisiko und kann Hautschäden verursachen. Die Einnahme mancher Medikamente führt zu Empfindlichkeit gegenüber UV-Strahlen und kann Fehl-Pigmentierung zur Folge haben. Auf die Frage, ob das Geschäft auch finanziell gewinnbringend ist, schüttelt Elke Müller verlegen mit dem Kopf. „Der Laden war schon in den roten Zahlen als ich ihn übernommen habe und da werde ich noch eine Weile dran knabbern. Aber mittlerweile läuft es ganz gut.“

Weiblich, ledig, jung

„Wenn man das professionell betreibt, kann man mit Solarien gut Geld verdienen“, ist hingegen Lucas Berend überzeugt. Ihm gehören die Studios unter dem Namen „Sun Kiss“ in der Hattenberg- und Emmeranstraße. Eine weitere Filiale befindet sich in Wiesbaden. Nach wie vor seien es primär ästhetische Gründe, die zum Gang ins Solarium führen. „Zwischen März und Mai herrscht bei uns Hochbetrieb. Wenn die Kleider wieder kürzer werden, wollen die Leute braun gebrannt aussehen.“ Die Kundschaft sei zu etwa 75 Prozent weiblich und überwiegend zwischen 20 und 35 Jahren. Er glaubt, dass die Ansprüche gestiegen sind. Um auf Dauer zu überzeugen, setzt er nicht nur auf eine große Auswahl modernster Geräte, Sauberkeit und gut geschultes Personal, sondern auch auf eine Club-Mitgliedschaft mit fester Laufzeit. So kann er auch in den Sommermonaten auf einen stabilen Kundenstamm zählen. Er selbst gehe allerdings „so gut wie nie“ ins Solarium. Dass er überhaupt Sonnenstudios betreibt, sei purer Zufall gewesen. Der gebürtige Mainzer habe sich früh selbstständig machen und eine zweites Standbein neben seinem Elektrotechnik-Studium aufbauen wollen. Als eines Tages bei einer Ebay-Auktion ein komplettes Sonnenstudio zum Verkauf stand, habe er diese einmalige Gelegenheit genutzt und so seine erste Filiale in Wiesbaden erworben. Schnell hat er jedoch feststellen müssen, dass es nicht genügt, ein paar Sonnenbänke aufzustellen und jemanden an die Kasse zu setzen. „Man muss sich klarmachen, dass das wirklich ein vollwertiger und durchaus anspruchsvoller Beruf ist.“ Die Vorschriften hinsichtlich Jugendschutz, Strahlenschutz und Qualifikation des anwesenden Personals sind streng. Regelmäßig finden Kontrollen statt. Doch Berend findet das gut: „Was früher mitunter in den Solarien betrieben wurde, muss man sicherlich schon als Körperverletzung bezeichnen.“ Deshalb hat er kein Verständnis dafür, dass Freizeitanlagen wie Fitness-Studios bis zu zwei Geräte ohne Betreuung durch Solariumsfachkräfte aufstellen dürfen. Eine ernsthafte Konkurrenz sieht er darin jedoch nicht. „Qualitativ ist das nicht vergleichbar – und das merken die Leute erfahrungsgemäß schnell und landen dann doch bei uns.“

Nina Heuss