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Notsituation: Uralt-Straßenbahn in Mainz unterwegs

Aus der Allgemeinen Zeitung von Michael Erfurth:

Eine der Straßenbahnen, die in Mainz unterwegs sind, ist alles andere als ein Aushängeschild für ein modernes Verkehrsunternehmen. Die Tram erinnert an alte Rumpelbahnen, die das Straßenbild osteuropäischer Städte wie in Rumänien prägen. An der Seite der blauen Tram der Linie 51 sind Beulen und Kratzer zu sehen, vorne ist ein Fahrzeugteil beschädigt. Die Vermutung liegt nahe, die Straßenbahn habe einen Unfallschaden. Nicht nur die Optik ist gewöhnungsbedürftig, die Tram gehört zudem zu den sechs alten Hochflurbahnen Baujahr 1984, die keinen barrierefreien Eingang haben.
Jens Grützner, Pressesprecher der Mainzer Mobilität (MM), spricht von einer Notsituation, die den Einsatz der Bahn nötig mache. Die MM verfügt über 41 Straßenbahnen, 34 davon seien in den Verkehrsspitzen auf der Schiene. Sieben gehören zur Reserve, auf die derzeit verstärkt zurückgegriffen werden müsse.
Die Adtranz-Bahn, die im April 2018 in Zahlbach entgleiste und dabei so schwer beschädigt wurde, dass sie auf einem Tieflader ins Depot gebracht werden musste, befindet sich noch in der Werkstatt. Zwei weitere Fahrzeuge Baujahr 1996 werden nach über 20 Jahren im Einsatz generalüberholt, was einige Zeit in Anspruch nehme. Somit fallen derzeit drei Niederflurbahnen aus. „Daher müssen wir leider einige der ganz alten Bahnen einsetzen“, so Grützner.

Alte Bahn hat keine ebenerdigen Zugänge
Der MM-Sprecher räumt ein, dass die „blaue Bahn“ hergerichtet werden muss. Die Kratzer an der Seite seien keine Unfallschäden, sagt er. An dem Fahrzeug sei vielmehr die alte Werbung entfernt worden. Jetzt müsse die Bahn neu lackiert werden, was bis zu vier Wochen dauern werde. „Da wir das Fahrzeug derzeit aber benötigen, müssen diese Arbeiten warten.“ Im April, wenn im Rahmen der Sanierung der Eisenbahnbrücke an der Hattenbergstraße die dortige Tramstrecke für einige Zeit gesperrt wird und Busse als Schienenersatzverkehr eingesetzt werden, soll die blaue Bahn in die Lackiererei kommen. Die Verkehrssicherheit sei auf jeden Fall gewährleistet.
Neben der blauen Bahn als eiserner Reserve sind einige der 35 Jahre alten Duewag-Siemens-Bahnen noch regulär auf den Linien 50, 51 und 53 zwischen Finthen und Lerchenberg unterwegs. Die vom Zollhafen zur Hochschule fahrende Linie 59 wird sogar komplett mit diesen alten Hochflurbahnen befahren. Der Nachteil dieser Fahrzeuge: Sie haben im Gegensatz zu Niederflurbahnen keine ebenerdigen Zugänge und sind daher nicht barrierefrei. Für gehbehinderte Menschen mit Rollstuhl oder Rollator sind sie kaum nutzbar, der Einstieg mit Kinderwagen ist ein großes Problem.

Hochflurbahnen im Fahrplan mit schwarzen Punkt gekennzeichnet
Doch die Anschaffung neuer Bahnen als Ersatz ist teuer: 2,1 bis 2,5 Millionen Euro kostet eine Variobahn. Die MM verweist darauf, dass aktuell 23 neue Euro-6-Diesel-Busse in Betrieb genommen wurden, für die 8,3 Millionen Euro investiert wurden. Im Frühjahr sollen vier Elektro- und vier Brennstoffzellenbusse folgen. Derzeit liege bei den Investitionen der MM der Schwerpunkt auf der Reduzierung des Schadstoff-Ausstoßes bei den Bussen, so Grützner.
Der reguläre Einsatz der Hochflurbahnen ist im Fahrplan der einzelnen Linien mit einem schwarzen Punkt gekennzeichnet, damit gehbehinderte Menschen sich darauf einstellen können und eine andere Abfahrtzeit wählen. Wenn allerdings Niederflurbahnen aus technischen Gründen oder wegen eines Unfalls kurzfristig ausfallen, müssten Hochflurbahnen auf die Strecke geschickt werden. Das betreffe auch die Linie 52. Dann würden die Fahrgäste über die elektronischen Hinweistafeln an den Haltestellen informiert, so Grützner. Entsprechende Informationen über die Fahrplan-App seien aus technischen Gründen allerdings nicht möglich.

Foto Ausschnitt: Harald Kaster

1 response to “Notsituation: Uralt-Straßenbahn in Mainz unterwegs

  1. In Rumänien gibt es schon lange keine „Rumpelbahnen“ mehr, das Land ist bei vielen Dingen ziemlich fortschrittlich; schnelles Internet etc. Osteuropa ist viel moderner geworden als manche wahrhaben wollen. Vielleicht noch in Ostdeutschland. Aber letztlich Jammern auf hohem Niveau.

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