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Miese Mainzer Luft – Kommt das Diesel(fahr)verbot?

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Mainzer Luft macht krank: Innenstadt Stickstoffwerte (Parcusstraße am Bahnhof, gelbe Linie) deutlich über dem EU-Grenzwert

von Meike Hickmann:

In Mainz schnappt man vergeblich nach guter Luft: Kessellage, wenig Wald, dafür viel Verkehr und Abgase von Autos und überfliegenden Flugzeugen. Das soll sich nun ändern, denn der Stadt droht eine Klage, weil sie zu wenig auf die Gesundheit ihrer Bürger achte. Es geht um bräunliches, stinkendes Gas, sowohl in Aussehen als auch Geruch unerwünscht: Stickstoffdioxid. Das verpestet nicht nur die Atemwege, sondern auch das Klima zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und Mainz.

Die DUH nimmt nach drei Jahren ihre Klage wieder auf. An zahlreichen Messstationen, vor allem in der Innenstadt, werden die Grenzwerte immer noch überschritten: „Das Verkehrsaufkommen wurde kaum reduziert, die Maßnahmen, auf die wir uns vor drei Jahren verständigt hatten, wurden nicht ergriffen“, sagt Dorothee Saar, Leiterin der Abteilung Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH.

Wirtschaft gegen Gesundheit

Umweltdezernentin Katrin Eder zeigt sich enttäuscht: „Uns stößt auf, dass die DUH die erheblichen Schritte, welche die Stadt unternommen hat, in keiner Weise würdigt.“ Die Radfahrwege, die Mainzelbahn, die Umweltzone mit Wiesbaden – die Stadt habe vieles umgesetzt, das langfristig wirke.  „Wir werden außerdem bis 2020 etwa 30 neue Busse anschaffen und ältere Fahrzeuge ersetzen.“

Doch die DUH will mehr. Sie verklagt Städte und Länder – und noch hat sie keine Klage verloren. Ihr geht es hauptsächlich um Auto-, insbesondere um Diesel-Abgase. Doch an die Auto-Industrie traut sie sich nicht ran, zu mächtig. Daher versucht man es über die Städte. Mainz ist hier nicht allein. Auch in Wiesbaden und Frankfurt werden die Grenzwerte häufig überschritten. Führt das nun zu einem Diesel-Verbot in Zukunft?

Diesel-Verbot droht

Der Anteil an Diesel-Fahrzeugen steigt. Sie stoßen Abgase aus und nicht selten schwindelt die Autoindustrie bei den Schadstoff-Angaben. Die DUH fordert daher ein Diesel- Fahrverbot für grenzwertige Städte. Aber über ein Drittel der Mainzer fahren Diesel.  „Man kann nicht Dieselkraftstoff steuerlich begünstigen und dann aus den Städten die Fahrzeuge verbannen“, kritisiert Katrin Eder. Die DHU dagegen:  „Es ist aber auch nicht sozial verantwortbar für Bewohner, die sich keinen Umzug leisten können, mit einem gesundheitsschädlichen Verkehr zu leben.“ Nach genauer Prüfung der Einzelfälle könne man ja Ausnahmen formulieren.

Nicht nur für private Nutzer ist das eine schlechte Nachricht, sondern vor allem für den Handel und die Wirtschaft:  „Das wäre eine Katastrophe. Fast alle Arbeitsfahrzeuge sind Diesel – das Material kann ja schlecht im Bus transportiert werden“, sagt Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen. Sie ist dankbar, dass sich die Stadt gegen das geforderte Verbot einsetzen will und fordert gleichzeitig den Ausbau der Elektromobilität.

Auch der Naturschutzbund (NABU) hält ein Verbot von Dieselfahrzeugen für nicht fair:  „Natürlich ist das schlecht, wenn Grenzwerte überschritten werden und sich nichts ändert“, sagt Sprecherin Laura Kettering.  „Aber was Diesel-Fahrzeuge angeht, sehen wir die Bundesregierung und die Autoindustrie in der Verantwortung und nicht nur die Städte.“ Ein Kompromiss wäre, alte Dieselfahrzeuge aus der Stadt zu verbannen.

Keine schnelle Einigung

Luft hat kein Etikett woher sie kommt und was sie beinhaltet – viele Abgase kommen von Diesel-Fahrzeugen, viele von Benzin-Autos und der Frankfurter Flugverkehr ist mit Sicherheit auch nicht ganz unschuldig. Nur gibt es dazu (noch) keine belastbaren Studien, außer dass sich zu schlechter Luft gerne noch Flug- und sonstiger Lärm gesellt. So ist es in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, dass die Klage viel Erfolg haben wird oder Diesel-Autos bald komplett aus der Stadt verschwinden.

Bisher liegt noch nicht einmal eine Klageschrift vor – erst dann kann überhaupt ein Verfahren beginnen. Und selbst wenn dieses ungünstig für Dieselfahrer ausgehen würde, muss das Auto nicht direkt auf den Schrottplatz. Zuerst muss die Stadt so ein Verbot überhaupt erlassen – und würde mit Sicherheit in Berufung gehen. Das Recht orientiert sich an Verhältnismäßigkeit. Und ein stadtweites Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge wäre überzogen. Ein Kompromiss über längere Zeit hinweg hingegen könnte zustande kommen. Wirtschaftliche Interessen müssen mit der Gesundheit der Bürger abgewogen werden.