Kommentar von Benjamin Schaefer
Foto: Andreas Coerper
Berlin hat es, Köln, Bonn, Aachen, Innsbruck und Rüsselsheim haben es, jetzt hat auch Mainz sein Männerschwimmen. Freitagabends von halb zehn bis elf können Herren nur unter ihresgleichen im Mombacher Schwimmbad an der Oberen Kreuzstraße dem Wassersport frönen. Organisiert hat das Ganze der Arbeitskreis Mainzer Muslime (AKMM) zusammen mit dem Betreiber „Schwimmbad Mainzer Schwimmverein“.
Der Hintergrund: „Ein Mann darf von einer Frau nur Hände und Gesicht sehen“, erläutert Samy El Hagrasy die Scheu mancher muslimischer Männer vor leicht bekleideten Damen im Schwimmbad. Nur Familienangehörige dürfen nach islamischem Brauch mehr vom weiblichen Körper sehen. Der Vorsitzende des AKMM hat daher das rein „männliche“ Schwimmangebot in Mombach organisiert. „Das ist richtige Integration: Es motiviert die Leute, wenn die Türen geöffnet sind“, freute sich El Hagrasy beim ersten Termin im August.
Religion als Privatsache?
Nun kam es aber, wie es kommen musste: Eine Debatte entspann sich, verstärkt durch den Aufruf der Bürgerbewegung PRO MAINZ. Im Internet warnten manche vor der Bildung einer „Parallelgesellschaft“. Dazu wurde ebenfalls die „Gleichberechtigung der Frau im Schwimmbad“ gefordert. Andere argumentieren, Religion sei Privatsache und wer in ein anderes Land auswandere, habe seinen „bisherigen Lebensstil komplett zu ändern“.
Um den leidigen Integrationsbegriff scheint es somit mal wieder keinen Frieden zu geben. „Man könnte sagen, dass das Männerschwimmen hilfreich ist. Die Frage ist aber, wie man Integration definiert“, sagt Dr. Eleonore Lossen-Geißler. Der Mombacher Ortsvorsteherin war der Bedarf an einem Männerschwimmen – wie wahrscheinlich vielen Nicht-Moslems – „nicht klar“ gewesen. Bedeutet Integration also nun Anpassung der „Anderen“, oder die Erweiterung des regulären Angebotes?
Eine Sache von Angebot und Nachfrage
In Rüsselsheim und Bonn existieren private Lösungen: Vereine mieten so ein ganzes Schwimmbad für sich an. Torsten Traxel, Geschäftsführer des Mombacher Bades, betont, „sowohl das Männer- als auch das sonntägliche Frauenschwimmen findet öffentlich und zusätzlich zu den regulären Öffnungszeiten statt.“ Zwar sei der Großteil der Besucher Muslime, es kämen aber „auch andere“ Leute. Die Nutzer seien alle zufrieden, die Zahlen pendelten sich bei den gewünschten 100 ein, Schwimmkurse sind in Planung.
„Das ist eine gute Sache, insofern der Verein kundenorientiert arbeitet“, lobt auch Carsten Mehlkopf das Angebot. Der städtische Integrationsbeauftragte sieht die wirtschaftliche Regel von Angebot und Nachfrage erfüllt. Schließlich habe man mittlerweile in Mainz etwa zehntausende Muslime. Und: Religiöse Aspekte des Lebens sind grundgesetzlich geschützt, fügt er hinzu.
Handfeste Interessen verfolgt
Beim Männerschwimmen, wie bei allen Projekten des AKMM und anderer Vereine, geht es auf der einen Seite um bürgerschaftliches Engagement. Andererseits werden jedoch handfeste Interessen verfolgt: Samy El Hagrasy vertritt auch den Arab Nil-Rhein Verein e.V., der unter anderem einen Kindergarten betreibt und gerne eigene Schulen errichten möchte. Um „mit Gottes Hilfe die Statistik zu ändern“, dass 60 Prozent der Migrantenkinder bisher oft nur einen Hauptschulabschluss erreichen. Und um eine „ethisch-moralische Erziehung“ anzubieten, die in vielen Schulen heute „problematisch“ sei. Nach den Grundsätzen des Korans, versteht sich. Nicht anders handeln die Kirchen hierzulande auch.
Ein strategisches Ziel des Mainzer Handlungsplans „Migration und Integration“ besagt: Ein „Wir-Gefühl und ein positives kulturelles Selbstbild aller Einwohnerinnen und Einwohner“ solle entstehen. Mainz reagiert also mit einem differenzierten Angebot auf eine differenzierte und aktive Bürgerschaft. Die „Nische“ Männerschwimmen dürfte auch Männer ansprechen, die sich aus anderen als religiösen Gründen genieren, vor Frauen zu baden. Und was die Religion betrifft, so gibt ein Internet-Kommentator das Stichwort: Am Anfang von Integration stehe die Akzeptanz anderer Regeln, die mit den eigenen Vorstellungen nicht konform sind – wenn sie dem Dialog nicht im Wege stehen.