Artikel aus der Mainzer Allgemeinen Zeitung
von Mechthild Göbel, Jens Grützner und Michael Erfurth
Die künftigen Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher: Brian Huck (Grüne) in der Altstadt, Claudia Siebner (CDU) in Bretzenheim, Matthias Gill (Grüne) in Ebersheim, Karin Trautwein (CDU) in Hartenberg-Münchfeld, Franz Jung (CDU) in Hechtsheim, Claudius Moseler (ÖDP) in Marienborn, Eleonore Lossen-Geissler (SPD) in Mombach, Johannes Klomann (SPD) in der Neustadt, Ursula Beyer (SPD) in der Oberstadt. Die Wahlbeteiligung lag bei 25,4 Prozent und damit leicht unter der von 2009 (26,0 Prozent).
Die Reaktionen:
Altstadt
Dr. Brian Huck ist erst einmal sprachlos: Mit 58,9 Prozent hat der Grüne die Stichwahl gegen Dr. Barbara Both (CDU) klar gewonnen. Er holte 1.803 Stimmen, Barbara Both bekam 1.258 Stimmen. „Ich habe so viele SMS zu bearbeiten. Ich muss mich erst einmal sammeln“, sagt der neue Ortsvorsteher der Altstadt. Dass das Ergebnis so deutlich ausfällt, habe ihn schon überrascht. Den Abend wollte er jetzt erst einmal genießen, feiern und entspannen. „Ich bin froh, dass der Wahlkampf vorbei ist“, sagt er. Und dann müsse er mal schauen, wie das mit der Amtsübergabe laufe. „Ein bisschen weiß ich ja schon, wie das Geschäft so funktioniert. Ich war eineinhalb Jahre stellvertretender Ortsvorsteher und bin seit fünf Jahren im Ortsbeirat“, sagt er. Zufrieden mit ihrem Ergebnis ist auch Dr. Barbara Both, die parteilos ist, aber von der CDU unterstützt wurde. „Ich bin Quereinsteigerin. Dafür habe ich doch ein super Ergebnis geholt“, sagt sie gelassen. Rot-Grün in der Altstadt zu toppen sei eben schwierig. Es werde kein tränenreicher Abend für sie. Zunächst machte sie sich auf den Weg ins Rathaus, um dem neuen Ortsvorsteher zu gratulieren. Dann wollte sie es sich mit ihrer Familie gemütlich machen und das schöne Sommerwetter genießen.
Bretzenheim
Was für eine spannende Geschichte. „Es war ein harter Kampf“, sagt Claudia Siebner. „So etwas brauche ich nur alle fünf Jahre.“ Dabei lacht die Stadträtin mit einem Glas Sekt in der Hand im Empfangsraum des Rathauses. Die Christdemokratin ist die neue Ortsvorsteherin in Bretzenheim und führt damit die Tradition ihrer Partei fort. 86 Stimmen lag Siebner letztlich vor ihrem sozialdemokratischen Konkurrenten Michael Wiegert. Nach Auszählung von 17 der 19 Stimmbezirke hatte Wiegert noch einen Vorsprung von 0,2 Prozentpunkten. „Aber eine Wahl ist wie der Fußball“, so Wiegert. „Sie ist erst fertig, wenn der Schlusspfiff ertönt, alle Stimmen ausgezählt sind.“ Siebner verfolgte das Geschehen im Foyer des Rathauses, Wiegert war zu Gast bei einer Parteigenossin in Bretzenheim. „Ich möchte mich bei allen Unterstützern in der Partei bedanken, aber auch bei meinem Mann und meinen Kindern, die bis zum Schluss 100 Prozent gegeben haben, Plakate geklebt und Flyer verteilt haben“, sagt Siebner. Jetzt gelte es, schnell an die Arbeit zu gehen. „Denn es gibt viel zu tun“, so die Nachfolgerin von Wolfram Erdmann. Michael Wiegert betont, dass die SPD in Bretzenheim die Arbeit im Stadtteil „weiter kritisch und konstruktiv unterstützen“ werde. „Ich habe durch meine Kandidatur sicher an Profil im Stadtteil gewonnen“, sagt er.
Ebersheim
Matthias Gill spricht von einer kleinen Notlüge, die ihm Leid tue. „Aber alle, die ich gesprochen habe, hatten mir dazu geraten, nichts von meinem Urlaubstrip zu erzählen“, sagt der Ebersheimer Grüne am Telefon. Um seine Chancen vor der Ortsvorsteher-Stichwahl nicht zu gefährden. Statt seinen Erfolg gegen den Christdemokraten Torsten Schwarzer zu Hause zu feiern – dort, wie ursprünglich gesagt, die Ergebnisse am Tablet-Computer zu verfolgen, feiert Gill am Sonntagabend also auf einem Schiff in Venedig. „Den Urlaub zu stornieren hätte 1000 Euro gekostet“, sagt er. „Wir hatten im November gebucht.“ Gill spricht von einer Menge Demut, die er jetzt verspüre. „Und ich habe eine sichtlich bewegte Frau im Arm.“ Es ist tatsächlich wieder so gekommen wie 2009: Trotz eines zweistelligen Vorsprungs nach dem ersten Wahlgang steht der CDU-Kandidat in Ebersheim als Verlierer da. „Ich muss das erst sacken lassen“, sagt Torsten Schwarzer. „Natürlich bin ich enttäuscht. Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass der Unterschied so groß ist.“ Gill holte 92 Stimmen mehr als Schwarzer, setzte sich mit 52,6:47,4 Prozent der Stimmen durch. „Matthias Gill hat es geschafft, die Leute für sich zu mobilisieren“, sagt Schwarzer bei einem Glas Wein in einer Straußwirtschaft. Gill radelt am Montag von Venedig nach Mantua. „Ich freue mich auf die Ortsvorsteher-Arbeit. Es war ein fairer Wahlkampf.“
Hartenberg-Münchfeld
Karin Trautwein betont, dass „Amin Kondakji ein sehr respektabler Gegner war. Die alte und neue Ortsvorsteherin sagt aber auch, dass „der Abstand letztlich doch deutlich ist“. Mit 54:46 Prozent setzte sich die Christdemokratin in der Stichwahl in Hartenberg-Münchfeld gegen den Kandidaten der Sozialdemokraten durch. „Ich bin froh und glücklich, dass ich weitere fünf Jahre für den Stadtteil arbeiten kann“, so Trautwein. Die großen Themen auf der Liste abzuarbeitender Punkte lauten: maßvolle Nachverdichtung und seit kurzem die Frage nach einer genügend großen Anzahl Kita-Plätzen, nachdem das Eulennest der evangelischen Kirche seine Pforten geschlossen hat. „46 Prozent ist doch kein schlechtes Ergebnis“, sagt Amin Kondakji. „Ich habe die Amtsinhaberin ganz schön ins Schwitzen gebracht“, betont der SPD-Politiker. „Und in fünf Jahren bin ich auf jeden Fall wieder dabei“, sagt er noch am Wahlabend. Die kommenden Jahre will Kondakji nutzen, um sich noch mehr in die Materie rein zu arbeiten. „Im Vordergrund steht die Harbeit für HaMü“, sagt er bei einer kleinen Feier im Martin-Luther-King-Park. Trautwein beendet den Abend nach dem kurzen Empfang im städtischen Rathaus mit Nachbarn. „Die haben mit mir gefiebert“, sagt sie.
Neustadt
Johannes Klomann (SPD) ist der neue Ortsvorsteher in der Neustadt. „Ich bin überwältigt und überrascht“, sagt Klomann. Vor zwei Wochen lag er noch 7,6 Prozent hinter seinem Konkurrenten Thorsten Lange von den Grünen. Die Stichwahl hat er nun knapp mit 51,1 Prozent für sich entschieden. Richtig gerechnet habe Klomann nicht mit einem Sieg. „Ich kann es noch gar nicht richtig fassen. Wir hatten die schlechtere Ausgangssituation. Vor zwei Wochen haben wir in fast allen Stimmbezirken hinten gelegen. Es ist ein knappes Ergebnis, aber es zählt“, sagt Johannes Klomann. Den Sieg wollte er am Sonntagabend im „Backblech“ in der Neustadt feiern. Im Ortsbeirat möchte der neue Ortschef möglichst parteiübergreifend vorgehen. „Mit einer Stimme können wir für den Stadtteil mehr erreichen. Ich hoffe, dass wir bei großen Themen an einem Strang ziehen und es nicht so sehr darum geht, welche Partei den schicksten Antrag macht“, sagt Klomann. Thorsten Lange von den Grünen war nach der Ortsvorsteher-Wahl vor zwei Wochen noch mehr als optimistisch. Hochzufrieden war er da noch mit seinem Vorsprung und hatte sich gute Chancen für die Stichwahl ausgerechnet. Entsprechend enttäuscht war er wohl am Sonntagabend. An sein Handy wollte er jedenfalls nicht rangehen.
Oberstadt
Ursula Beyer (SPD) bleibt Ortsvorsteherin in der Oberstadt. Mit 58,6 Prozent setzte sie sich noch deutlicher als vor fünf Jahren (53,8 %) in der Stichwahl gegen Heinz-Gregor Kippert von der CDU durch. „Ich sitze wie gebannt vor dem Bildschirm und schmeiße mich jetzt gleich in die Klamotten für den Pressetermin im Rathaus“, sagt die alte und neue Ortsvorsteherin der Oberstadt hörbar erleichtert. „Bei dem heißen Wetter weiß man ja nicht, wie hoch die Wahlbeteiligung ist und wer dann wählen geht“, sagt die Siegerin und ergänzt: „Das ist schon spannend. Da kann man sich leicht verrechnen.“ Dass das Ergebnis so deutlich ist, freut Beyer. „Das ist ja doch ein Zeichen, dass man seine Arbeit gut gemacht hat.“ Trotz erneuter Wahlniederlage gegen Ursula Beyer in einer Stichwahl ist auch Heinz-Gregor Kippert mit dem Ergebnis zufrieden. „Vor der Stichwahl habe ich gesagt, alles was über 40 Prozent ist, ist super. Jetzt habe ich 41,4 Prozent. Darüber freue ich mich“, sagt Kippert, der auch gespannt vor dem Computerbildschirm die Auszählung verfolgte. „Ein Wunder wäre es gewesen“, hätte Kippert die Stichwahl für sich entscheiden können, sagt er selbst und macht sich auf den Weg ins Rathaus: „Jetzt werde ich Ursula Beyer erst einmal persönlich gratulieren.“ Noch ein drittes Mal möchte er nicht als Ortsvorsteher kandidieren. „Ich glaube, dann sind Jüngere dran.“
Marienborn
Mit einem hauchdünnen Vorsprung von 19 Stimmen hat es Dr. Claudius Moseler geschafft: Erstmals in der Geschichte der Landeshauptstadt bekleidet ein Vertreter der Ökologisch-demokratischen Partei Deutschlands (ÖDP) das Amt eines Ortsvorstehers. Vor zwei Wochen lag SPD-Kandidat Horst Hof noch deutlich vor Moseler, die Stichwahl konnte der ÖDP-Mann, der bereits als stellvertretender Ortsvorsteher in Marienborn fungiert, mit 50,9 Prozentpunkten jetzt knapp für sich entscheiden. „Ich bin überglücklich“, sagte Moseler, im Hauptberuf Generalsekretär der ÖDP Deutschland. Offensichtlich ist es dem ÖDP-Stadtratsmitglied gelungen, Stimmen aus dem CDU-Lager für sich zu gewinnen, nachdem im ersten Wahlgang Christdemokrat Daniel Noll ausgeschieden war. Moseler setzt als Nachfolger von Ortsvorsteher Bernd Noll (CDU) auf einen breiten Konsens im Ortsbeirat bei für den Stadtteil wichtigen Themen wie dem Lärmschutz beim Autobahnausbau oder der Gestaltung des Ortskerns. Enttäuscht ist SPD-Mann Hof. „Ich hatte zwar mit einem knappen Ergebnis gerechnet – aber zu meinen Gunsten.“ Jetzt bleibe der SPD wieder die Oppositionsrolle im Ortsbeirat – gemeinsam mit den Grünen.
Hechtsheim
Seit Jahrzehnten stellt die CDU in Hechtsheim den Ortschef – egal ob als Bürgermeister oder nach der Eingemeindung als Mainzer Stadtteil als Ortsvorsteher. Und das bleibt auch nach der Stichwahl am Sonntag so. Franz Jung tritt die Nachfolge von Ursula Groden-Kranich an, die sich auf ihre Aufgaben als Bundestagsabgeordnete konzentrieren will und zudem im Mainzer Stadtrat aktiv ist. Mit 54,2 Prozent setzte sich Christdemokrat Jung bei der Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Reinhard Schwarz (45,8 Prozent) durch. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und freue mich auf die kommenden Aufgaben“, sagte Jung. Schließlich sei er zum ersten Mal als Ortsvorsteherkandidat angetreten. „Ich werde auch auf alle die zugehen, die mich nicht gewählt haben“, versprach der neue ehrenamtliche Ortschef. „Ich kann mit dem Ergebnis gut leben, ich bin nicht unzufrieden“, betonte der unterlegene Sozialdemokrat Schwarz, dessen Abstand auf Jung 284 Stimmen beträgt. Schließlich hatte es sich schon vor zwei Wochen im ersten Wahlgang abgezeichnet, dass CDU-Kandidat Jung mit einem deutlichen Vorsprung bei der Stichwahl die besseren Karten hatte. Schwarz blickt jetzt nach vorne und setzt als Neuling im Ortsbeirat darauf, „dass wir alle gut und konstruktiv für Hechtsheim zusammenarbeiten“.
Mombach
Dr. Eleonore Lossen-Geißler bleibt Ortsvorsteherin von Mombach. Mit 64,3 Prozentpunkten setzte sich die Sozialdemokratin bei der Stichwahl am Sonntag in der SPD-Hochburg deutlich gegen den CDU-Kandidaten Joachim Lieber (35,7 Prozent) durch. „Das ist ein tolles Ergebnis“, so Lossen-Geißler, die am Sonntag um 18 Uhr gemeinsam mit Parteifreunden vor dem Computer saß und auf der Homepage der Stadt verfolgte, wie nach und nach die Ergebnisse aus den 14 Mombacher Stimmbezirken einliefen. Schnell war klar, dass sie erneut das Rennen machen wird – schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte sie mit 25,9 Prozentpunkten vor Lieber gelegen und war für die Sozialdemokraten sogar in den Stadtrat gewählt worden, obwohl sie auf dem hinteren Listenplatz 50 gestanden hatte. Sie hoffe, dass sich nach dem „teils etwas hitzigen“ Wahlkampf jetzt etwas die Wogen glätten und im Ortsbeirat die Parteien sich wieder konstruktiv für die Belange Mombachs einsetzen würden. „Für mich kommt das Ergebnis nicht überraschend. Der Abstand nach dem ersten Wahlgang war zu groß, das war nicht aufzuholen“, sagte Lieber. Es sei richtig gewesen, im Wahlkampf beim Thema A 643 die Marschroute der CDU zu ändern und sich für den sechsspurigen Ausbau einzusetzen. „Im Ortsbeirat werden wir als CDU deutlich Position beziehen und aufzeigen, was in Mombach alles versäumt wurde.“