von Anna Tillmann (Artikel aus der Allgemeinen Zeitung)
Lautes Krähen, zugekotete Mülltonnen, abgeknabberte, auf dem Boden liegende Äste. Mit diesen Phänomenen müssen sich derzeit die Anwohner der Hindenburgstraße auseinandersetzen. Der Grund: Krähen haben sich einmal mehr in den Platanen am Straßenrand eingenistet. Was Anwohner als störend empfinden, ist für Umweltschützer ein Grund zur Freude. Denn die Saatkrähe steht unter Naturschutz. Wer sie in Scharen beim Nisten in der Stadt beobachtet, wird allerdings kaum auf den Gedanken kommen, dass es sich bei den Vögeln um eine gefährdete Art handelt. (Foto: A. Coerper)
Vielmehr werden die Krähen als Plage angesehen. Von einer solchen berichtet etwa Inge Weis, Anwohnerin der Hindenburgstraße, die betont, dass sich die Lage von Jahr zu Jahr verschlimmere. Insbesondere unter dem Kot der Vögel hätten die Anwohner zu leiden.
Nahrung im Überfluss
Das Umweltamt beobachtet die Krähen, die sich auch in der Oberstadt gerne ansiedeln, schon länger, steht den Problemen jedoch mehr oder weniger hilflos gegenüber. „Die EU-Vogelschutzrichtlinie und das Bundesnaturschutzgesetz schützen die Eier, die Nester und den Lebensraum der Vögel”, erklärt Ellen König von der städtischen Pressestelle. Das Vertreiben der Tiere durch Lärm wäre eine unzulässige Störung und zudem wenig hilfreich, wie Studien zeigen. „Die Vögel würden sich einfach einen anderen Nistplatz im Stadtgebiet suchen”, so König.
Weil es in ihren ursprünglichen, ländlichen Heimatgebieten nicht mehr genügend Nistmöglichkeiten gibt, brüten die Krähen zunehmend in den Städten. Hier gibt es nicht nur genügend Raum, sondern auch Nahrung im Überfluss, etwa durch Lebensmittelreste in Abfalleimern. Alleine im Mainzer Stadtgebiet nisten jedes Jahr zwischen 80 und 120 Krähenpaare. Die auf Ausgleichsflächen durch das Umweltamt gepflanzten Bäume im Umland sind noch nicht hoch genug, um den Vögeln ausreichend Platz und Schutz zu bieten.
Toleranz und Geduld gefragt
So lange die Krähen sich bevorzugt im Stadtgebiet ansiedeln, ist daher Toleranz gefragt. „Während der Brutzeit bitten wir die Bewohner um Geduld”, sagt König. In diesen 16 bis 19 Tagen sind die Krähen am lautesten. Es kann auch zu Scheinattacken kommen, wenn die Vögel sich gestört fühlen. Eine Gefährdung für Menschen bestehe jedoch zu keiner Zeit, betont die Pressesprecherin. Spätestens mit Ende der Brutzeit beruhige sich die Lage wieder. Und wenn die Bäume wieder grün sind, bilden die Blätter ein natürliches Schutzdach gegen Lärm und Vogelkot.