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Kolumne im Oktober: Was erspart uns Dr. Treznok?

drtreznok
Vor kurzem bekam eine liebe Freundin von mir Besuch von ihrer Mutter und musste sich anhören, dass ihre schöne, auf irgendeinem Sperrmüllhaufen gefundene Küchenlampe furchtbar sei, dass sie, die Mutter, die Hälfte der Kosten übernehmen wolle, wenn meine Freundin sich eine anständige Küchenlampe kauft. Schon am nächsten Tag begab sich die Freundin auf eine Expedition durch die Mainzer Lampengeschäfte. 10 Geschäfte und 6 Stunden später hatte sie zwei Lampen in der Endauswahl: ein schlichtes Modell für 10 Euro sowie eine wesentlich aufwendigere für 1000 Euro.

Einige Tage später besuchte ich die Freundin. Sie war gerade dabei, die 1000-Euro-Küchenlampe auszupacken, die sie soeben gekauft hatte. Stolz erzählte sie mir, wie schlau dieser Kauf doch gewesen sei, denn ihre Mutter hatte ja die Hälfte des Kaufpreises erstattet. Bei der 10-Euro-Lampe hätte meine Feundin nur 5 Euro gespart, bei der 1000-Euro-Lampe hatte sie nun aber 500 Euro gespart. Sie hatte also einen Reingewinn von 495 Euro gegenüber dem 10-Euro-Modell erzielt. Die Rechnung stimmte, ich lobte also meine Freundin für ihre kluge Entscheidung und half ihr, die Luxus-Küchenlampe aufzuhängen. Tatsächlich gehört diese Freundin zu den wenigen Menschen in meinem Leben, die nie finanzielle Probleme haben, weil sie eben so kluge Kaufentscheidungen trifft und dabei immer wieder eine ganze Menge Geld spart.

Wenn uns die Politiker erzählen, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen, dass wir immer weniger Leistung für immer mehr Geld bekommen, dann hat das mit Sparen nichts zu tun. Sparen geht nämlich immer von der Fülle aus, nie vom Mangel. Wenn Menschen in der Sahelzone verhungern, dann tun sie das nicht, weil sie am Essen gespart haben, sondern weil sie nichts zu essen hatten. „Rheinland-Pfalz muss trotz verbesserter Haushaltslage weiterhin kräftig sparen“, begann vor ein paar Tagen ein Artikel in der Allgemeinen Zeitung. Seltsam ist, dass der Artikel nicht fragt, worauf Rheinland-Pfalz spart, also was mit den Ersparnissen geschehen soll. Spart unser Bundesland auf bessere Schulen, auf schönere Museen oder auf menschenwürdigere Zustände im städtischen Altersheim?

Sollte ich mir eine 1000-Euro-Küchenlampe kaufen wollen, dann muss ich auch sparen. Und da ich keine Mutter habe, die mir die Hälfte dazugibt, kann ich das Ersparte nicht einfach ausgeben, um noch mehr zu sparen. Je mehr man hat, desto mehr kann man nämlich sparen, und desto mehr hat man später übrig. Das ist auch der grundlegende Unterschied zwischen meiner schlauen Freundin und mir. Sie geht auf kluge Weise mit Geld um, kann dabei viel sparen und hat zum Schluss die 1000-Euro-Küchenlampe, während ich chaotisch bin im Umgang mit Geld, alles mit vollen Händen rauswerfe und am Ende mit einer nackten Glühbirne in der Küche leben muss.

Seit Jahrzehnten erzählen uns die Politiker nun immer wieder, dass wir alle sparen müssen, und sie wissen auch, woran wir sparen müssen: an der Bildung, an der Kultur oder an der medizinischen Versorgung. Handelt es sich bei dem angeblichen Sparen in Wirklichkeit um ein Verhungern wie in der Sahelzone, so dass Bildung, Kultur und medizinische Versorgung irgendwann aus Geldmangel sterben? Warum hat unsere Poltik nicht auch so schlaue Sparkonzepte wie meine Freundin, die sich immerhin ohne hungern zu müssen eine Luxuslampe leisten kann? Warum kann die Mutter der Politik nicht einfach die Hälfte des Etats dazuzahlen?

Vielleicht liegt es daran, dass niemand so recht weiß, wer nun die Mutter der Politik ist. Die einen sagen, der Konflikt sei die Mutter der Politik, andere halten den Kompromiss, die Demographie oder die Religion für die Mutter der Politik. Wer oder was auch immer die Mutter der Politik ist, sie müsste die Hälfte der Kosten beitragen, damit Sparen Spaß macht und Sinn ergibt, damit wir nicht mit einem Haushaltsetat leben müssen, den wir auf einem Sperrmüllhaufen gefunden haben. Denn wenn die Finanzpolitik sparen muss, dann sollten anschließend alle Menschen teilhaben können an der ersparten Fülle, ansonsten hat man beim Sparen etwas falsch gemacht. Vielleicht können diejenigen, die den neuen Haushaltsplan für die Stadt Mainz ausarbeiten, bei meiner Freundin in die Lehre gehen. Gern vermittle ich die entsprechenden Kontakte.