Wer Taschen, Schmuck, Papeterie oder Mode von jungen Designern liebt, der musste bisher entweder online einkaufen oder sich zur nächsten Stijl-Messe gedulden. Seit Kurzem kann man innovative Produkte von lokalen Kreativen an jedem Tag der Woche entdecken: im neu gegründeten „Kollektiv Mainz“ in der Alten Feuerwache, Neubrunnenstraße 13. Für mindestens drei Monate können Labels sich dort einmieten und stehen im Optimalfall an einigen Tagen auch selbst im Verkaufsraum. Neben diesem Ko-Store-Konzept bietet das Geschäft auch einen Ko-Work-Bereich, in dem zunächst zwei Fotografinnen, eine Textildesignerin und eine Eventagentur tätig sein werden. Die Idee ist, dass auch sie nicht nur von dem schönen Arbeitsplatz profitieren, sondern den persönlichen Kundenkontakt dazu nutzen können, ihre Dienstleistungen zu bewerben.
Gründung in Blitzgeschwindigkeit
Die beiden Gründerinnen des Kollektivs, Vera Kohl und Leny Stegmaier, wirken selbst noch etwas verblüfft, wie schnell alles gegangen ist. Während der Wintermonate hatte die Modedesignerin Leny die Babymode ihres Labels „Wild im Herzen“ in Veras Eisladen „dicke lilli, gutes n’eis“ verkauft. Überrascht von ihrem Erfolg, machte sie sich auf die Suche nach einem eigenen Ladenlokal. Als Vera, Inhaberin des Cafés „dicke lilli, gutes kind“ und der Weinbar „Marlene“, im Februar erfuhr, dass die Interessenten für die Übernahme der Alte Feuerwachen abgesprungen waren, kam ihr sofort die Idee zum Ladenkollektiv. „Ich fand schon lange, dass das hier einer der schönsten Läden der Stadt ist“, erzählt sie. „Die Räume sind toll. Ich liebe die Neubrunnenstraße und das Bleichenviertel. Und ich wollte nicht, dass hier schon wieder ein Nagelstudio oder Ein-Euro-Shop reinkommt.“ Ihr Antrieb sei auch eine „tiefe Liebe zu dieser Stadt und der Wunsch, dass hier coole Sachen entstehen“. Der größte Teil der Innenausstattung konnte übernommen werden. Die Kommunikation mit der Logo-Designerin Lisa Timpe lief wie geschmiert. Und auch passende Labels haben die Unternehmerinnen und Mütter schnell gefunden. Nicht einmal drei Monate später können sie ihr Kollektiv jetzt eröffnen.
Labels mit Leidenschaft
Dank ihrer Erfahrung wusste Vera über notwendige Behördengänge und Papierkram bereits Bescheid. Auch ihr Optimismus habe geholfen: „Ich habe seit der Eröffnung meines Cafés vor sieben Jahren die Erfahrung gemacht, dass alles irgendwie klappen wird.“ Leny kennt sich mit den Wünschen junger Labels aus und ist für die Kommunikation zuständig. „Wir machen wenige Einschränkungen, welche Labels wir aufnehmen. Vor allem die Chemie muss stimmen, da wir sehr eng zusammenarbeiten.“ Die Leidenschaft für die eigenen Produkte sollte erkennbar sein. Hochwertige und nachhaltige Erzeugnisse wären schön, Massenware ist ausgeschlossen. Ziel ist es auch, jungen Labels für einen geringen Mietpreis die Chance zu geben, sich im stationären Handel auszuprobieren.
Treffpunkt für Ko-Kreative
Trotz „Gastro-Stopp“ im Bleichenviertel haben sich die beiden gewünscht, wenigstens Kaffee und kleine Snacks zum Mitnehmen anbieten zu können. Ihr Kollektiv solle schließlich auch ein Treffpunkt und Ort des Austauschs werden. Vera ist glücklich, dass der Pankratiushof diesen Part übernimmt und Croissants und Sauerteigbrot aus eigener Herstellung anbietet. Langfristig planen Vera und Leny auch Workshops, Coachings und Netzwerktreffen – zu Themen wie Kreativität und Gründung, also „ganz im Sinne des Kollektivs“. Das „Kollektiv Mainz“ hat für den Verkauf bereits geöffnet (Di–Fr: 11 bis 18 Uhr, Sa: 10–16 Uhr). Am 1. Juni findet von 10 bis 16 Uhr eine Eröffnungsparty mit persönlicher Anwesenheit aller Labels statt. Auch in Zukunft werden alle acht bis zehn Wochen Pop-Up-Partys steigen, bei denen auch neue Labels ihre Produkte präsentieren.
Text Regina Roßbach Fotos Domenic Driessen