April im letzten Jahr: Der Preis für den besten Kriminalroman 2020 geht an den Mainzer Autor Jürgen Heimbach für „Die Rote Hand“. Gefeiert wird wegen der Pandemie nur virtuell. Für Heimbach kein Problem. Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann, Theatermacher, Künstler und Redakteur hat schon so manches erlebt. Für das Buch ist er bei Recherchen auf die Aktivitäten der „Roten Hand“ gestoßen, eine Organisation im Dunstkreis des französischen Auslandsgeheimdienstes. Den damit verbundenen Mord am deutschen Waffenhändler Georg Puchert in Frankfurt 1959 per Autobombe fand er so „ungeheuerlich“, dass er sich an ein Buch darüber gemacht hat. Gefragt nach dem schönsten Kompliment für den Kriminalroman, zitiert er die Begründung der Jury: „Kein Buch zum Glücklich werden, sondern zum Wachwerden.“ Und wie ein roter Faden zieht sich das Wachwerden auch durch seine Biografie.
Vom Kaufmann zum Künstler
1961 wurde Jürgen Heimbach in Koblenz geboren und ist dort aufgewachsen. Geradlinig ist sein Bildungs- und Berufsweg nicht verlaufen. Das Gymnasium hatte er zunächst ohne Abitur verlassen, „typisch Jungs, ich hatte andere Interessen“. Die anschließende kaufmännische Ausbildung hat ihm dann recht früh „den Alltag gezeigt und den Blick verändert“. Die Hochschulreife erlangte er auf dem zweiten Bildungsweg am Koblenz-Kolleg und ging 1985 zum Studieren und der Liebe wegen nach Mainz. Was er aus Koblenz mitgebracht hatte? Die Liebe zum Fluss, und die Erfahrungen mit Film aus einer Gruppe, in der er mit Gleichgesinnten Super 8- und Videofilme drehte. Das Equipment war damals so schwer, dass man es mit einer Sackkarre transportieren musste. In Mainz gründete er mit Kommilitonen die Theatergruppe agA und organisierte Theaterfestivals an der Uni, bevor er 1992 das Theater darK.-Halle mitbegründete, wo er mehrere Inszenierungen zur Aufführung brachte. Von 1997 bis 2009 bildete er mit Peter Heinz, Stephan Truschel und zeitweise Charlotte Löbner die Künstlergruppe V-I-E-R, die raumbezogenen Installationen, Filme, Fotografien, Graphiken und Textarbeiten zeigte. Doch „nach und nach wurde es schwieriger die Theaterarbeit mit einem Vollzeitjob zu vereinbaren und so haben wir uns eigentlich im Guten aufgelöst.“
ZDF und Schriftsteller
Studiert hat Heimbach Philosophie und Germanistik, obwohl es schon damals hieß: „Wie könnt ihr nur Geisteswissenschaften studieren? Ihr findet keine Arbeit!“ Seine Karriere strafte diese Aussage jedoch Lügen. Heute sagt er lachend: „Ich glaube, heute musst du schon mit 20 ein Startup gründen, das durch die Decke geht.“ Sein Weg führte ihn letztlich zum Lerchenberg: 1992 eine Hospitanz in der ZDF-Redaktion „Kleines Fernsehspiel“, dann eine halbe Stelle in der Planung von 3sat. Seit 1995 arbeitet Heimbach als Redakteur beim ZDF, zuerst beim Theaterkanal und schließlich in der Redaktion der 3sat-Sendung „Kulturzeit“. Nebenbei bleibt Heimbach aber Autor mit Leib und Seele. Seine Frau ist dabei seine schärfste Kritikerin. Geschrieben wird „abends, am Wochenende und im Urlaub.“ Und warum Krimis? Weil „ein Kriminalroman viel über die Gesellschaft und deren Missstände erzählt“. Nach der „roten Hand“ veröffentlicht der Autor ganz aktuell sein neuestes Buch „Vorboten“, welches am 15. Februar im Unionsverlag erschienen ist. „Das Buch handelt von einem jungen Mann, der ein Jahr nach Ende des 1.Weltkrieges in sein Heimatdorf zurückkehrt. Es geht u.a. um Nationalismus und Antisemitismus.“ Warum hat Heimbach zu Beginn des Buches ausgerechnet das französische Sprichwort „Wer seinen Hund ertränken will, bezichtigt ihn der Tollwut“ gesetzt? „Das ist ein früher wie heute oft praktiziertes Mittel, unliebsame Menschen erst zu diffamieren, um sie dann zu vernichten“. Aktuell wird wieder an einem neuen Roman gearbeitet, „der politische und kulturelle Bewegungen und Aufbrüche aus der Zeit vor 1968 behandelt“. Und wie man sich denken kann, spielen hier Musik und auch das erste Festival auf der bekannten Burg Waldeck eine große Rolle – und natürlich das Verbrechen.
Text Marta Moneva