Text: Ulla Grall
Fotos: Katharina Dubno
Sie heißen „Rolle Rad“, „Gebirgsfreunde“, „Feierabend“, „Sonntagsfriede“ oder „Flora Moguntia“: viele der 23 Mainzer Kleingartenvereine tragen phantasievolle Namen. Dicht an dicht liegen die Gärten, eingezäunt oder von Hecken umgeben: ein Häuschen, ein Weg führt vom Gartentor direkt drauf zu. Im Grunde eine einheitliche Gestaltung, aber so verschieden die Schrebergärtner, scherzhaft auch „Laubenpieper“ genannt, so unterschiedlich sind auch ihre Gärten. Die einen pflegen sorgsam ihre Kräuterbeete, liegen jätend auf den Knien, ziehen Gemüse-Jungpflanzen und freuen sich an üppigen Ernten, die anderen mähen jeden Samstag ihren Rasen, auf dem dann am Abend die Grillparty steigt, pflücken Erdbeeren für die Bowle und lassen ansonsten lieber wachsen, was wachsen mag. Ob eine bunte Horde Gartenzwerge die Beete bevölkert, die Gänseblümchenwiese den Kindern als Spielplatz dient oder Edelrosen die sauber geharkten Wege säumen, den Gärten sieht man an, dass immer viel Liebe drin steckt. Für Familien mit Kindern ist der Garten ein perfekter Aufenthalt: Man ist an der frischen Luft, die Kids sind unter Kontrolle und können trotzdem toben, außerdem bietet sich immer eine Gelegenheit für ein Schwätzchen über den Gartenzaun. Was will man also mehr?!
15.000 Kleingartenvereine – davon 23 in Mainz
Schrebergärten gibt es seit über 200 Jahren. Doch als nach dem zweiten Weltkrieg Nahrungsmittelknappheit und Wohnungsnot herrschten, gewann die Selbstversorgung aus dem eigenen Kleingarten erneut an Bedeutung. Auch in Mainz wurden in etlichen Gärten so genannte Behelfsheime errichtet. Die meisten dieser oft idyllischen Häuschen mussten mittlerweile wieder weichen: Das Kleingartengesetz lässt eine dauerhafte Bewohnung der Gartenanlagen nicht zu.
Heute gibt es in Deutschland insgesamt ca. 15.000 Kleingartenvereine, zusammengeschlossen in den jeweiligen Landesverbänden, diese wiederum unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. Die 23 Mainzer Vereine sind organisiert im Stadtverband Mainz der Kleingärtner.
Wo es so viele Vereine gibt, existieren auch viele Vorschriften. Jeder Verein hat seine eigene Satzung. Auch das gesellschaftliche Leben ist unterschiedlich stark ausgeprägt, aber ein gemeinschaftliches Sommerfest mit Schwenkbraten, Bierausschank und Wurst-Schnappen für die Kinder gehört überall dazu.
Begegnungen beim Gartenspaziergang
In der Kolonie „Feierabend“ treffen wir Herrn Biniakowski, der erzählt: „Seit drei Jahren bewirtschafte ich meinen Garten, ziehe alle Pflanzen selbst an. Tomaten, Paprika, Gurken, Zucchini und Blumenkohl werden auf der Fensterbank zu Hause gehudert, bis die Zeit zum Auspflanzen gekommen ist. Habe ich gärtnerische Fragen, wende ich mich an meinen Schwiegervater, der hat seinen Garten im gleichen Gelände, schon seit 30 Jahren!“ Für seine vier Kinder ist der Garten ein kleines Paradies mit Sandkasten, Schaukel und Rutschbahn. „Spielkameraden gibt es immer genug, denn fast jeder hier hat Kinder“, berichtet er weiter.
Auch die Familie Anstatt, einen Garten weiter, hat den Garten hauptsächlich wegen der beiden kleinen Töchtern gepachtet: Ein großes Trampolin lädt zum Toben ein. „Aber“, so sagt Jennifer Anstatt, „der Garten ist auch für meinen Mann und mich ein Quell der Erholung.“
Ein Spaziergang durch die Anlage der „Gebirgsfreunde“: Frau Remmert hackt fleißig ihre Kräuterbeete. Sie gehört zu den „Alten Hasen“ und auch Herr Pohn, der seinen Garten seit 27 Jahren bewirtschaftet, kennt das Auf und Ab dieses Vereins. Er bedauert, dass in letzter Zeit manche Gärten brach liegen. „Wir haben nicht so viele junge Leute hier“, bedauert er.
„Das wird sich ändern!“ weiß Gunter Blaim, der Vorsitzende dieser mit 95 Gärten größten Anlage der Stadt: „Wir haben hier Gärtner, die sind seit 30 oder 40 Jahren dabei. Nun kommen nach und nach junge Familien mit Kindern.“
Das bestätigen uns Daniela Ulrich und Frank Jäger. Das junge Paar plant gerade seine Hochzeit. „Wir wollen hier im Garten feiern“, freuen sich die beiden.
Tradition bei „Rolle Rad“
Von dichten Hainbuchenhecken umgeben sind die Gärten bei „Rolle Rad“. Ein Blick übers Gartentor von Brigitte und Hans Dieter Berr – hier blühen die alten Rosensorten. Ihnen gilt die Liebe von Frau Berr: „Der Duft ist einmalig.“ Seit 1971 pflegen die Eheleute ihren Garten und: „Vor uns die Großeltern und danach der Vater!“ Familientradition also. Überhaupt gibt es viel Tradition bei „Rolle Rad“: Der Gartenverein feierte 2004 sein 90-jähriges Jubiläum und das Vereinsleben wird großgeschrieben. „Im Vereinsheim macht jedes Mitglied zweimal im Jahr Ausschank-Dienst“, berichtet der Vorsitzende Klaus Lein. Zu sehr moderaten Preisen können zu den Öffnungszeiten auch Nicht-Mitglieder essen und trinken und die Geselligkeit genießen. Der Altersdurchschnitt ist bei den Gärtnern von„Rolle Rad“ recht hoch. „Wir haben viele 70- bis 80-Jährige“, weiß Lein. „Nun steht ein Generationswechsel an. Es wäre schön, wenn junge Familien zu uns kommen!“
Als wir ihn am Sonntag in seinem Garten besuchen, „hat er grad´ was auf dem Grill“. Trotzdem posieren Lein und seine Frau bereitwillig für uns vor ihren üppig blühenden Pelargonien.
Der Weg zum eigenen Garten
Vor den eigenen Schrebergarten haben die Götter die Mitgliedschaft im Verein gesetzt. Wer sich dafür interessiert, einen Kleingarten in Mainz zu pachten, findet auf der Seite www.kleingaertner-in-mainz.de die Liste aller Gartenvereine.
Die Kosten sind überschaubar: Zwischen 150 und 300 Euro im Jahr liegen die Ausgaben für Pacht und Nebenkosten. Dazu kommen die Ausgaben für Jungpflanzen und Saaten. Wenn man, wie in der Gartenordnung festgeschrieben, etwa ein Drittel der Gartenfläche als Nutzgarten bewirtschaftet, kann man diesen Betrag durch die eigene Ernte locker wieder einsparen. Neben der eigenen Gartenarbeit erwartet der Verein auch gelegentlichen Einsatz für gemeinschaftliche Projekte. Für alle gärtnerischen Fragen stehen die Fachberater zur Verfügung, von den Gartennachbarn ganz zu schweigen. So steht dem Traum vom eigenen Kleingarten nichts mehr im Wege!
Wer selbst als Kind gern draußen war, weiß einen schönen Garten zu schätzen. Es ist eben ein anderes Gefühl, ob man sich auf einer Decke in den Park hockt oder seinen eigenen Schrebergarten unterhält. Die Preise sind wie hier schon erwähnt bezahlbar, eine Laube kann man sich mit ein wenig handwerklichem Geschick selber bauen und die Nachbarschaft trägt auch zu einer besonders familiären Atmosphäre bei. Wie gut, daß es noch diese Oasen im Alltagsstreß gibt!