von Benjamin Schaefer, Illustration: Lisa Lorenz
Seit dem Frühjahr letzten Jahres ist ein „Wettrennen“ in Gang, wie man Johannes Gutenberg, den berühmten Sohn der Stadt, sowie das Gutenberg-Museum fit machen kann für das 21. Jahrhundert. Zwei Querköpfe wollen dazu alte Zöpfe abschneiden.
Als sich Kabarettist Lars Reichow im Frühjahr ins Gutenberg-Museum begab, fand er laut eigener Aussage eine attraktive Sonderausstellung in einem „frustrierenden Umfeld“. Im April machte der 48-Jährige seinem Ärger in der Allgemeinen Zeitung Luft. Eiligst wurde eine städtische Arbeitsgruppe gebildet: Gutenberg 2020. Die AG ist bei Kulturdezernentin Marianne Grosse angesiedelt und soll bis März 2013 einen Masterplan für das Museum erarbeiten. Zufällig zeitgleich zu Reichows Museumsbesuch fragte sich auch der Kommunikationsberater und Designer Alexander Boerger, warum er in amerikanischen Büchern mehr über Gutenberg erfuhr als in der Stadt, in der er seit 2003 lebt. Boerger entschloss sich, dieses Phänomen näher zu erforschen – in Mainz und durch eine Reise ins kalifornischen Silicon Valley, der Wiege der Internetindustrie, von der er vor kurzem zurückgekommen ist. Sein Fazit: Boerger sieht aktuell die letzte Chance, „Gutenberg als Marke zu etablieren“. Dazu müsse man ihn ein wenig „weg vom reinen Buchdruck“ bringen, mehr hin Richtung Medienrevolution, die er angestoßen hat, und diese setzt Boerger in Verbindung mit der medialen Revolution, ausgelöst durch das Internet.
Preisgekrönt, aber unterfinanziert
Steht Mainz also, was Gutenberg angeht, am Scheideweg oder ist das alles nur ein Strohfeuer? Für Professor Stephan Füssel ist die Linie vom Renaissance-Drucker zum Internet ebenfalls leicht herzustellen: „Gutenberg ist der Vater der Massenkommunikation.“ Der Buchwissenschaftler Füssel ist im Vorstand der „Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz“, die seit 1901 Drucktechnik und schriftorientierte Medien erforscht. Er sähe Gutenberg nur zu gerne noch mehr „in Gesellschaft, Wissenschaft und Tourismus verankert“. Auch Dr. Annette Ludwig, Leiterin des Gutenberg-Museums, ist es wichtig, der Sache mehr Strahlkraft zu verleihen: „Unser Museum soll ein Forum werden für gesellschaftlich relevante Diskussionen“, beschreibt sie ihre Vision. Seit zwei Jahren leitet sie das Museum und hat bereits zahlreiche Veränderungen angestoßen. So gibt es die einzige Museums-App in ganz Rheinland-Pfalz, sowie preisgekrönte Ausstellungen wie „Moving Types“ in Kooperation mit der Fachhochschule Mainz. Aber: „Das Museum präsentiert sich nicht auf dem Stand, der angemessen wäre“, gibt die Direktorin zu. Ihr Ziel sei es, die Sammlung unter Einbezug neuer Medien zu präsentieren und mit neuen Ausstellungen und Kooperationen stärkere Akzente zu setzen.
Verfilmt und versteigert
„Gutenberg 2020“ kann dennoch bereits erste Erfolge verbuchen: Am 6. November feierte der vom SWR innerhalb weniger Monate produzierte Film über Gutenberg und seine Erfindung Premiere. Und Boerger kehrte kürzlich von seiner zweimonatigen Tour durch die USA zurück, gefördert durch die Internetgemeinde sowie die Verlagsgruppe Rhein Main. Lars Reichow wird mit seinen Kollegen Sven Hieronymus und Tobias Mann am 4. Dezember eine Benefiz-Show in der Rheingoldhalle spielen. Und jüngst verkündete die Galerie „Mainzer Kunst!“ die Versteigerung eines Werkes von Rheingau-Zeichner Michael Apitz zu Gunsten des Museums. Buchwissenschaftler Füssel schlägt einen Katalog für frühe Drucke vor. Und schließlich will Kulturdezernentin Grosse Anfang nächsten Jahres verkünden, ob mit der anstehenden Brandschutzsanierung des Ausstellungshauses gleich eine Glasüberdachung des Innenhofes möglich ist.
Sponsoren gesucht
Der große Wurf steht aber noch aus. Das Kulturdezernat führt dies unter anderem auf fehlende Gelder zurück. Eine Lösung wären Landes- oder Bundesmittel. Füssel erzählt hier gerne von Erfahrungen mit dem deutschen Literaturarchiv in Marbach, das anteilig von Bund, Land, Kommune und einer Gesellschaft getragen wird. Auch Museumsdirektorin Ludwig könnte sich „eine institutionelle Förderung vorstellen.“ Marianne Grosse bleibt eher skeptisch. In Zeiten von Entschuldungsfonds und Schuldenbremse kann sie sich „nicht vorstellen, dass Land oder Bund als freiwillige Maßnahme einsteigen.“ Bliebe noch Sponsoring aus der Wirtschaft. Direktorin Ludwig ruft daher seit einiger Zeit hiesige Firmen und Bürger auf, das Museum als das „größte Kulturprojekt der Region“ zu unterstützen. Dabei wäre es „für die Marke Gutenberg kein Problem, Geld zu kriegen – wenn sie nicht so sehr auf das Regionale beschränkt wäre“, meint Alexander Boerger. Eine internationale Medienkonferenz zum Thema Gutenberg könnte auf breite Resonanz stoßen. Und auch Professor Füssel schwärmt vom Jubiläumsjahr 2000, als sich etwa 450 internationale Gutenberg- Forscher in Mainz versammelten. Er sah die damalige Verleihung des Gutenberg-Preises an EBook- Erfinder Joseph Jacobson als ein „Aufblitzen“ öffentlichen internationalen Prestiges, wenn auch nur ein kurzes. So bleibt zu hoffen, dass sich die engagierten Akteure und weitere Begeisterte an dem Thema entzünden und festhalten. Marianne Grosse sieht das Kulturdezernat dabei als „Schnittstelle“ für alle Aktivitäten. Mehr Vernetzung könnte helfen, denn letztlich ist „die Marke Gutenberg in Mainz noch nicht ausgereizt“, stellt Dr. Annette Ludwig fest. Das Kulturdezernat wird derweil weitere Wege ebnen: In Mainz soll ein Gutenberg-Pfad entstehen. Grosses Abteilung will dies mit „Gutenberg 2020“ und der Touristik- Zentrale baldmöglichst angehen.