von Ulla Grall
Fotos Elisa Biscotti
Intensiver Kaffeeduft empfängt uns im „Hinterzimmer“ der Mainzer Kaffeemanufaktur auf der Breiten Straße 43 in Gonsenheim. Gerade wird frisch geröstet. „Gleich ist es so weit“, ruft Norbert Becker an der Kaffeeröstmaschine. Mit dem Probenzieher entnimmt er eine Bohnenportion und prüft den Röstgrad.
„Wann ein Kaffee fertig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab“, erklärt er. „Zum einen von der Kaffeesorte, zum anderen davon, ob es ein Brühkaffee werden soll, oder ein Espresso – der wird dunkler geröstet.“ Wieder prüft er und entscheidet dann: „Fertig!“ Er öffnet die Klappe an der Maschine und die heißen, duftenden Kaffeebohnen rinnen ins Abkühlsieb. Hier strömt kühle Luft durch die Bohnen, dabei werden sie ständig gewendet. „Die Bohnen haben nach dem Röstvorgang eine Temperatur von 185 bis 190 Grad Celsius“, weiß Becker. „Ließe man sie einfach so liegen, würden die Röstung weitergehen und die Bohnen verbrennen.“
Frisch geröstet an zwei Standorten
„Hier in Gonsenheim rösten wir unsere Bio-Kaffees“, erzählt der Kaffee-Macher. „Der soeben geröstete kommt aus Papua-Neuguinea und hat eine leichte Bitterschokoladen-Note.“ Vier Bio-Kaffees und ein -Espresso befinden sich im Sortiment. Seine anderen Kaffees lagert, röstet und mischt er im Stammhaus, der alten Privatrösterei Geiling in der Neustadt (Adam-Karrillon-Straße 54). Das 1926 gegründete Familienunternehmen ist dort seit 1956 ansässig – die Firmengeschichte auf der Website nachzulesen. Die alte Röstmaschine schafft bis zu 45 Kilo pro Röstung. Sie ist 1956 von Johannes Geiling, dem Sohn des Firmengründers, erworben worden. „Ich hoffe, dass sie noch lange hält“, wünscht sich Becker.
Zum Kaffeeröster als Quereinsteiger
Wie aber kam Becker selbst zum Kaffee? „Ich habe schon immer Kaffee getrunken – Tee gab es nur, wenn ich krank war. Aber jahrelang trank ich immer nur Kaffee aus dem Automaten und der wurde immer schlechter. Irgendwann habe ich gar keinen mehr vertragen. 1996 sah ich in der Landesschau einen Bericht über die Privatrösterei Geiling. Ich dachte, den Kaffee musst du probieren!“ Gesagt, getan, Becker fand den Kaffee gut und vertrug ihn auch! „Ich kaufte meinen Kaffee also künftig dort und lernte so den damals 76 Jahre alten Herrn Geiling kennen.“
Mit dem Kaffeekauf war es jedoch nicht getan. Fortan war in Norbert Becker war ein Wunsch aufgekeimt: „Als Herr Geiling 80 wurde, sprach ich ihn an, ob er die Rösterei übergeben wolle. Damals war er jedoch noch nicht dazu bereit. Erst 2003 rief er mich an und fragte, ob ich die Manufaktur weiterführen möchte. Da habe ich sofort ja gesagt!“ Becker strahlt noch heute über seinen Berufswechsel.
Etwa 15 Monate lang gab Geiling sein Wissen an den frisch gebackenen Röster weiter. „Das war meine zweite Lehrzeit.“
Beginn mit fünf Kaffeespezialitäten
Nur fünf Kaffeesorten gab es seinerzeit bei Geiling und der alte Herr ließ sich nur zögerlich von neuen Qualitäten überzeugen. „Heute stehen auf der Verkaufsliste etwa 24 Sorten. Darunter auch unsere beliebte „Hausmischung“ und die „Meenzer Mischung“. Ausgangsbasis sind 15 Grundsorten.“ Allerdings: „Kaffee wird jedes Jahr etwas anders, so wie beim Wein.“ Becker betont: „Wir kaufen bevorzugt Rohkaffee von kleinen Fincas und legen Wert auf fairen Handel und Bio. Unser oberstes Kriterium ist die Qualität! Die großen Röstereien opfern den Qualitätsanspruch der Geschwindigkeit und Effizienz. Industrieller Kaffee hat mit dem affee, wie wir ihn rösten, kaum noch etwas zu tun.“
Aus der Neustadt ins Zentrum und nach Gonsenheim
Nach drei Jahren Neustadt eröffnete Becker eine Filiale in der City, Steingasse 4. 2009 kam das ehemalige Café Bachmann in der Betzelsstraße 20-24 hinzu und das Kaffeeangebot wurde mit regionalen Feinschmeckerprodukten ergänzt. Schon ein Jahr später, 2010, eröffnete er eine weitere Filiale in Gonsenheim. In beiden Geschäften kann man nicht nur wunderbar frühstücken, sondern auch einen Mittagsimbiss genießen oder leckeren Kuchen verzehren. Und natürlich frisch gerösteten Kaffee kaufen.
www.mainzer-kaffeemanufaktur.de