Quietschendes Schuhwerk, scharfe Kommandos, ein Schuss, der krachend an den Pfosten knallt. Im Inneren der Oberstadthalle geht es heiß her, während es draußen kalt ist. Marcus Nungesser sieht eine gegnerische Angriffswelle auf sich zurollen. Es ist die finale Aktion der Partie und Marcus der Fixo seines Teams, die letzte Position vor dem Torspieler. Gutes Positionsspiel oder ein perfekt getimtes Tackling? Für solche Fragen bleibt keine Zeit, die Entscheidung muss in Bruchteilen einer Sekunde fallen. Marcus wählt letzteres. Seine Schultern rammen die des Gegners. Sein Gegenüber verliert das Gleichgewicht – und damit auch den Ball. Stillstand – das Ende der Begegnung. Die Sirene ertönt. Der Sieg ist sicher und Marcus der Held des Spiels. Es sind drei Punkte für die TSG, Punkte, die noch essenziell werden können.
Futsal, Fußball – ist doch das Gleiche, oder?
Futsal wird von vielen als das verkannt, was es eigentlich ist – eine eigene Sportart. Ja – dieser Ballsport weist zwar die gleichen Merkmale wie der klassische Hallenfußball auf, grenzt sich allerdings in mehreren Punkten davon ab: ein sprungreduziertes Spielgerät für mehr Dynamik, keine Banden an den Seiten, drei Schiedsrichter sowie Brutto- und Nettospielzeit sind nur einige der Unterschiede. Auch fällt die aus Südamerika stammende Sportart durch andere Bezeichnungen der Positionen auf. Wo man im Fußball vom Verteidiger, dem Mittelfeldspieler und einem Stürmer spricht, redet man im Futsal von Fixo, Ala und Pivot. Aber warum wissen hierzulande noch so wenige von dem agilen Sport? Marcus Nungesser, Spieler und Co-Trainer der TSG 1846 Mainz, kennt die Antwort: „Es kommt auf die Region an, aber hier sind wir schon extrem hinten dran. Im Norden oder in Nordrhein-Westfalen ist der Sport populärer – gerade in den Ballungsregionen. Aber es liegt auch ein bisschen an der deutschen Mentalität. Alles Neue braucht etwas Zeit.“
Pioniere der Region
Die TSG will „die Zukunft in der Region mitgestalten und Pioniertum betreiben“, wie es Marcus nennt. Man bekomme in Mainz noch die negativen Folgen der Unkenntnis zu spüren. Als amtierendes Gründungsmitglied der neu ausgerufenen Futsal-Bundesliga, müssen die Futsaler zum Trainieren zwischen drei Hallen wechseln – aus Logistikproblemen. Eine Situation, die dem Leistungsanspruch der Mannschaft nicht gerecht wird. Dass die professionellen Strukturen im Verein aufrechterhalten werden können, ist nur der ehrenamtlichen Arbeit von Spielern und Verantwortlichen zu verdanken. In anderen Clubs der Republik sieht das schon anders aus. Das Gefälle innerhalb der Liga ist spürbar. Die Entwicklung in Richtung einer komplett professionellen Spielklasse unausweichlich. Doch die TSG will sich dem stellen und nicht nur damit arrangieren. Man will Teil der Entwicklung sein. Außerdem ist man sich in Mainz des Privilegs bewusst, in der Bundesliga zu kicken. Wer kann das schon von sich behaupten? Einmal auf dem höchstmöglichen Niveau in der eigenen Sportart zu agieren? Ziele, die man sich im Kindheitsalter setzt, aber Träume, die oft nur geträumt werden. Für die Mainzer Futsaler wurde dieser Traum Realität – auch wenn sie derzeit nur auf dem vorletzten Tabellenplatz rangieren. „Jedes Wochenende Bundesliga zu spielen“ ist für Marcus Nungesser dennoch der größte Erfolg. Ein Heimspiel zu gewinnen, als Held vom Spielfeld zu gehen und drei Punkte einzufahren, sind für ihn da nur der Bonus.
Text Benedikt Palm
Fotos Philipp Quint