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Fastnacht mit Köpfchen

Seit über achtzig Jahren ein Symbol der Mainzer Fastnacht: Die Schwellköpp

Text: Sophia Weis
Fotos: Kristina Schäfer

Sie heißen Goldig Grott, Schorsch oder Schnutedunker und sind seit über achtzig Jahren ein wichtiges Symbol der Mainzer Fastnacht: die Schwellköpp. Die Idee zu den lustigen Pappmaché-Figuren stammt von dem Bildhauer Ludwig Lipp. Er wollte die Umzüge des Mainzer Carnevalsvereins (MCV) ein bisschen aufpeppen und stellte deshalb 1927 in seiner Theater-Werkstatt am Gartenfeldplatz die ersten Schwellkopp-Kostüme her. Im Laufe der Jahre gingen sie in den Besitz des MCV über, der sich seitdem um das stetige Anwachsen der Schwellköpp-Familie kümmert. Ursprünglich standen nur vier Grundmodelle zur Verfügung, die in liebevoller Detailarbeit immer weiter so umgeformt wurden, dass bis heute insgesamt dreißig Figuren entstanden sind. Sie alle besitzen Namen im rheinhessischen Dialekt, denn mit ihren überdimensional großen Köpfen und den glühend roten Wangen stellen sie überspitzt typische Mainzer Charaktere dar, die vor Lebensfreude nur so strotzen sollen. Dabei verkörpern sie keine bestimmten Personen, sondern bilden satirisch bestimmte Verhaltensweisen während der Fastnacht ab. Spendiert man beispielsweise dem Schwellkopp Eulefoon einen Schoppen, fängt er sofort an, närrische Lieder zu singen. Auch dem Schnutedunker sagt man nach, dass er mit seinem Mund gerne in einem Glas hängt, das mit schmackhaftem Wein aus der Region gefüllt ist. Aber auch weibliche Familienmitglieder führt die Sippe, etwa die Goldig Grott. Sie trägt lilafarbenes Haar, das Wappen des MCV um den Hals und ist in diesem Jahr die Zugplakette des Vereins.

Auftritte sind spärlich gesät
Ihre großen Auftritte haben die Schwellköpp jedes Jahr am 11.11., wenn die fünfte Jahreszeit eingeläutet wird, sowie zum Jugendmaskenzug am Fastnachtssamstag. Höhepunkt ist und bleibt jedoch der Rosenmontag mit seinem sieben Kilometer langen Umzug, bei dem die Schwellköpp bis zu vier Stunden durch die Mainzer Straßen laufen und tanzen. Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass ein Kostüm bis zu dreißig Kilogramm wiegt und die Träger nur ein Guckloch im Hals der Figuren als Sehschlitz zur Verfügung haben. Einer der Träger ist Wolfgang Helm. Schon seit seinem Umzug 1994 von Hochheim nach Mainz ist er als Schwellkopp unterwegs, „und zwar aus Liebe zur Stadt und zur Fastnacht“, freut sich der 50-Jährige. Besonders die Reaktionen der Kinder am Wegesrand gefallen ihm, wie sie begeistert winken oder auch kreischend davon rennen, wenn sich einer der großen Köpfe zu ihnen herabbeugt. „Außerdem ist es ein toller Brauch, den man pflegen muss“, ist sich Helm sicher. Die rheinhessische Frohnatur lacht viel und hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Hauptberuflich arbeitet er als Dienstplaner für die Piloten der Lufthansa, aber sein Herz schlägt eindeutig für die alljährliche Narrenzeit.

Jedes Jahr ein anderer
So geht es auch Wolfgang Erb. Er ist stolz darauf, ein Träger der Schwellköpp zu sein. „Schließlich sind sie ein Mainzer Unikat, das jeder kennt“, erzählt er. Seit fünf Jahren ist der ITBerater dabei. Sein großes Ziel: Jedes Jahr einen anderen der dreißig Köppe tragen. Ein Drittel hat er schon geschafft und hält in einem Büchlein akribisch fest, wann er in welcher Figur gesteckt hat. Mainz hält Erb dabei die Treue, weshalb er sich gute Chancen ausrechnet, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Seit 1986 lebt der gebürtige Binger nun in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt: „Zwischendurch war ich vier Jahre bei der Marine und habe viele andere Städte gesehen. Aber an Mainz kommt nichts heran, hier ist es einfach am schönsten“, schwärmt der 45-Jährige. Besonders gefallen ihm der Dom, die 05er und natürlich die Fastnacht. Helm und Erb sind Mainzer mit Leib und Seele. Und das ist für sie Grundvoraussetzung, um Schwellkopp-Träger zu werden.

Das Leben als Schwellkopp
Das Einstudieren einer komplizierten Choreografie ist für die Auftritte der Schwellköpp nicht nötig, das Tanzen funktioniert nach dem Prinzip ‚Learning by Doing‘ und darf durchaus individuell sein: „Bei uns kann jeder mitmachen, unsere Aktiven kommen aus allen Alters- und Berufsgruppen“, spricht Zugmarschall Helm. „Nur die Leidenschaft für die Meenzer Fastnacht, die darf nicht fehlen.“ Auch kennen sich alle Träger untereinander, denn Anfang der Neunziger gründeten viele von ihnen samt Freunden und Familien den „Schwellkopp-Träscher-Club“ (SKTC). Seit 2002 ist er als Tochterverein des MCV eingetragen ist und zählt mittlerweile 99 Mitglieder. Einmal im Monat findet ein Stammtisch statt und sogar eine eigene Fastnachtssitzung hat der SKTC mittlerweile, bei der die Vereinskollegen in diesem Jahr ein Männerballett aufführen.

Wie wird man Schwellkopp?
Für alle, die jetzt Lust bekommen haben, selbst einmal einen Schwellkopp aufzusetzen, gibt es eine gute Nachricht: Unter dem Motto „Come in and find out – Komm rinn unn guck raus“ sucht der SKTC in den nächsten Jahren neue Schwellkopp-Träger für den Rosenmontag. Noch bis zum letzten Jahr wurde der Einsatz vom MCV organisiert und mit vierzig Euro vergütet. Dies zog aber nicht nur waschechte Fastnachter an, sondern auch jene, die schnell ein wenig Geld verdienen wollten und dabei nicht besonders sorgsam mit den Kostümen umgingen. Beiden Vereinen ist es jedoch wichtig, dass die Träger sich über den Wert eines Schwellkopps bewusst sind, finanziell als auch emotional. Immerhin kostet die Produktion einer Figur an die 7.000 Euro und jede ist ein Unikat. Deshalb ist die Tätigkeit seit diesem Jahr ehrenamtlich und wird vom Schwellkopp-Träscher-Club in Eigenregie organisiert. Der Verein freut sich also auf Lokalpatrioten, die aus Spaß an der Sache mitmachen. Bei Interesse steht Wolfgang Helm vom SKTC gerne zur Verfügung.

Schwellkopp-Träscher-Club e.V.
Zitadelle Gebäude E, 55131 Mainz
wolfganghelm.Mainz05@t-online.de

1 response to “Fastnacht mit Köpfchen

  1. eventuell sollte noch erwähnt werden das die dinger hübsch schwer sind. ich bin zwei meter lang, stoßfest und nutzte am wochenmarkt vor einiger zeit die gelegenheit mir so ein ding mal anzuziehen. für sekunden spielte ich mit dem gedanken mit zu hampeln, doch war mir die nummer dann zu unübersichtlich. die vorstellung jahreszeit bedingt eine rotznase zu haben aber keine möglichkeit sie zu putzen, ist genug um zu verzichten. der gedanke an horden von spaßvögeln die mit bonbons, bällen, kleinen fläschchen etc. versuchen in den ausguck zu treffen ohne eine chance der vergeltung, nein danke.

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