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Eine Revolution starten: Bildung mit Kunst und Kultur im OllOhof (Neustadt)

Initiativen und Kollektive sitzen in den Räumen des OllOhofs (Foto: Architekturbüro Schraut Rentschler)

Es ist ein besonderes Projekt: Der OllOhof ist eine ehemalige Autovermietung; nach dem zweiten Weltkrieg sogar die ehemals größte Autovermittlung Süd-Mitte Deutschlands. Seit den 1950er stand das Gebäude in der Boppstraße 42 (Neustadt) jedoch leer. Für den Besitzer war schon damals klar, dass das Haus und der Hof wieder zum Leben erweckt werden sollen. Vor sechs Jahren trat er daher mit der Frage an das Architekturbüro Schraut Rentschler heran: „Was können wir hier machen?“ „Irgendwas mit Bildung und Sozialem sollte es sein“, so Jochen Schraut. Schnell entwickelten die beiden Architekten Jochen Schraut und Axel Rentschler die Idee ein Kulturzentrum in Mainz zu errichten. Gespräche mit Künstlern und der Hochschule Mainz ließen das Projekt „OllOhof“ entstehen – Ollo, so sagt man, hieß der frühere Besitzer des Hofes.

Flohmarkt auf dem Ollohof (Foto: Architekturbüro Schraut Rentschler)

Bildung und Kunst verbinden
„Wir wollten diesen besonderen Ort erhalten und wieder mit Leben füllen,“ so Schraut. Der ursprünglich vorgesehene Bebauungsplan, der ein reines Wohnen vorsieht und gewerbliche Nutzung verbietet, war für die Architekten und jetzt auch Eigentümer des OllOhofs unvorstellbar. Ein Ort der Kommunikation sollte in ihrem Sinne entstehen. Kunst und Kultur miteinander verweben, jedem die Möglichkeit geben, sich im OllOhof inspirieren zu lassen und niederzulassen, so die Idee. Und so einige Räume sind bereits vermietet. Die Eventagentur „Motion“, die Designagentur „Alma“, Videoproduktionsfirmen oder die Kunsthochschule Mainz haben ihr Quartier bezogen. Auch Flohmärkte und Konzerte finden im OllOhof statt. Die Eventorganisation „SoulWine“ will mit stimmungsvoller Musik und Weinverköstigung begeistern und ergänzt das sich aufbauende Programm. Leo und Niklas von „Loft Arts“, Johannes vom Weingut Gröhl und Anna wollen Konzerte für jedermann entwickeln, wo bei guter Musik und Wein der Alltag vergessen und das Leben gefeiert werden kann. Das Gefühl einer großen Familie mit gemeinsamen Interessen passt gut in das Konzept. Daher haben sie auch das von ihnen geplante Debütkonzert dort geben dürfen. Für den OllOhof selbst sind noch eine Bepflanzung des Innenhofs, ein Gründach sowie eine Gastronomie geplant. Dafür wird derzeit ein Betreiber gesucht, damit der Innenhof möglichst bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. „Es ist uns wichtig, etwas zu finden und zu bieten, was sich stetig neu erfindet. Die Gäste sollen auf Innovationen stoßen und Anregungen sammeln können“, betont Architekt Jochen Schraut. Das Architekten-Duo aus Mainz steckt voller Ideen und möchte möglichst vielen Menschen die Möglichkeit bieten, den OllOhof zu nutzen und so wie Schraut sagt, „eine Revolution zu starten“. In der Boppstraße 42 ist also jeder willkommen. Der alte (Backstein-) Charme soll erhalten bleiben.

 

Makerspace im Hinterhof
Mit zum Projekt gehört übrigens auch die Offene Werkstatt, die am 27. Oktober ihre Eröffnung feierte und für alle Aktivitäten demokratisch einen Nutzungs- und Verwirklichungsraum darstellt. Jeder kann hier Projekte, Ideen und Reparaturen verwirklichen und umsetzen: „Wir gehören zum Makerspace, nennen uns aber Offene Werkstatt Mainz“, erklärt David, Vorstandsmitglied des im März 2021 gegründeten Vereins. Insgesamt gibt es rund 300 Makerspaces im deutschsprachigen Raum. In diesen Verbünden können Menschen ihre Ideen und Projekte in gemeinsam genutzten Werkstätten verwirklichen. „Ich fand das Konzept cool“, erinnert sich Matthias, einer von fünf Gründungsmitgliedern. „So was hat in Mainz noch gefehlt.“ Zunächst folgte die Vereinsgründung, dann der Ausbau von Social Media und schließlich die Vernetzung. Ende März konnte schließlich der Umbau der alten Autogaragen im OllOhof beginnen. Seit zwei Monaten erfolgt die Ausstattung der Räumlichkeiten mit Werkzeugen.

 

Architektenduo Axel Rentschler, Jochen
Schraut und Vertreter der offenen Werkstatt: David und Mathias (v.l.)

Solidarisch und nachhaltig
Den Mitgliedern des Vereins ist wichtig, dass durch die offene Werkstatt ein Raum der Begegnung geschaffen wird. Mit dem Bereitstellen von gemeinsam genutzten Werkzeugen und Räumen sind alle „Künstler“ willkommen, die so trotz steigender Mieten kreativ werden möchten. Einen festen Mitgliedsbeitrag gibt es nicht: „So wollen wir wirklich jedem, der Vereinsmitglied ist, die Tür öffnen.“ Der solidarische Gedanke stellt eine Besonderheit des Mainzer Makerspaces dar. Die Belastung für die Mitglieder soll so gering wie möglich gehalten werden. Von digitaler Fertigung wie zum Beispiel einem 3D-Drucker über Holzfertigung oder Nähen bis hin zur Elektronik ist im OllOhof alles möglich. Durch die einmalige Bereitstellung von Werkzeug und Materialien wird außerdem eine nachhaltige Nutzung möglich. Weggeworfen wird wenig und die Maschinen werden ausgiebig genutzt. „Einen 3D-Drucker braucht man so zuhause zum Beispiel nicht mehr“, schmunzelt David, „den gibt es ja bei uns.“

Lernen von- und miteinander
Es ist ein “Learning by doing”. Künstler, die einen Raum zum Arbeiten brauchen, treffen auf Interessierte, die sich inspirieren und sich neue Herstellungsverfahren und Arbeitsweisen erklären lassen. Viele suchen im Duft von frisch gesägtem Holz auch einen Ausgleich zum Alltag oder wollen abseits vom Schreibtisch handwerklich aktiv werden. Auch der Bau von eigenen Werkzeugen soll gefördert werden. „Wir haben hier alles, was man zum Beispiel für die Fertigung eines Brennofens braucht. Wenn wir diesen haben, können wir uns auch gut vorstellen, das Töpfern mit in unser Programm aufzunehmen. Die offene Werkstatt steht jedoch noch am Anfang. Jeder und jede kann Mitglied werden, ist mit seinen / ihren Ideen willkommen und trägt so zum Ausbau der Vielfalt bei. Noch gibt es nur zwei Räume in der offenen Werkstatt, die sich 3D-Drucker, Lasercutter, Sägen, Nähen und Elektronik teilen. „Natürlich wollen wir unser Konzept ausbauen und auch weitere Räumlichkeiten zur Verfügung stellen“, sagt Matthias. Dazu werden auch Workshops gehören. Der eigenen Kreativität und handwerklichen Fertigkeit werden somit in Mainz keine Grenzen gesetzt – Werkzeug, Material und nette Leute trifft man in der offenen Werkstatt.

Text Maike Schuppe

Aus der Allgemeinen Zeitung vom 23. Februar:

Das Problem: Im Bebauungsplan der Stadt Mainz ist bereits seit 1993 festgelegt, dass das Areal des „Ollohofs“ ab der ersten Etage ausschließlich zur Schaffung von Wohnraum genutzt werden darf. „Ziel der Planung ist die Erhaltung und Fortentwicklung der vorhandenen Wohnnutzung, die Schaffung zusätzlichen Wohnraumes sowie die Verbesserung des Wohnumfeldes im Blockinnenbereich“, erklärt Ralf Peterhanwahr von der städtischen Pressestelle dazu. Aus diesem Grund sei bereits 2019 ein negativer Bauvorbescheid für die kulturelle Nutzung des Ollohofs erteilt worden. Im Mai 2023 sei den Eigentümern erneut mitgeteilt worden, dass ein positiver Bauvorbescheid nicht erteilt werden könne.

Grund für die letztendliche Nutzungsuntersagung war schließlich, dass die Eigentümer trotz einer fehlenden baurechtlichen Genehmigung kulturelle Veranstaltungen planten. Eine erste Ausstellung mit Exponaten von Studenten der Kunsthochschule fand im Dezember statt – diese wurde aufgrund ihres einmaligen und temporären Charakters allerdings noch geduldet, wie aus einem Schreiben der Stadtverwaltung an die Eigentümer im Vorfeld der Veranstaltung hervorgeht.
Eröffnet wurde diese Veranstaltung laut Schraut und Rentschler übrigens unter anderem von Oberbürgermeister Nino Haase und dem Ministerialdirektor im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz Daniel Stich. „Auch Innenminister Michael Ebling und Dezernentin Manuela Matz haben sich die Ausstellung angesehen, ebenso wie mehrere Ortsvorsteher aus Mainz. Eine höhere Repräsentation für diese Veranstaltung hätten wir nicht bekommen können und es hieß noch, wie einmalig und wunderbar dieser Ort wäre“, erinnert sich der Kunsthochschul-Rektor Martin Henatsch.

Nutzungsuntersagung der Stadt wirft Fragen auf
Doch als die „Ollohof“-Eigentümer die nächsten Veranstaltungen anmelden wollten, folgte die Nutzungsuntersagung der Stadt. Was an dieser Stelle irritiert: In der Nutzungsuntersagung der Stadt ist die Rede vom gesamten Areal des Ollohofs, welches nicht für kulturelle Zwecke genutzt werden darf. Im Bebauungsplan selbst ist die Nutzung des Erdgeschosses und darunterliegender Räume allerdings von diesen Regelungen ausgenommen. Zudem liegt laut Schraut und Rentschler bereits ein positiver Bauvorentscheid für das Erdgeschoss vor, welches damit sehr wohl anderweitig genutzt werden kann. Dies ist einer von mehreren Punkten, gegen die Schraut und Rentschler nun juristisch vorgehen. Die Verfügung der Stadt müsse richtiggestellt werden, um das Erdgeschoss zukünftig sinnvoll nutzen zu können. So ist die Vision der beiden Architekten, noch in diesem Jahr eben dort Ausstellungsräume und Gastronomie zu eröffnen.
Zurzeit sind im Erdgeschoss des „Ollohof“ noch Garagen untergebracht, doch die Vision der Eigentümer ist es, hier schon Ende des Jahres kulturelle Veranstaltungsräume und Gastronomie zu eröffnen. In der Ecke zwischen den Garagen gibt es bereits eine offene, vereinsbetriebene Werkstatt.

Doch auch wenn die Verfügung korrigiert werden sollte und das Erdgeschoss wie geplant genutzt werden darf, ändert dies nichts an der derzeitigen Situation, dass mit dem aktuellen Bebauungsplan eine dauerhafte Nutzung der oberen Etagen des „Ollohofs“ nur zu Wohnzwecken möglich ist. Die Stadt habe den beiden Architekten deshalb vorgeschlagen, zwei große Lofts in den Räumen des Ollohofs zu schaffen. Doch nach Schrauts und Rentschlers Beurteilung sind die alten Gewerberäume zum Wohnen nicht geeignet, unter anderem aufgrund der einseitigen Beleuchtung der Räume. Für die Kunsthochschule wäre das kalte, einseitige Licht wiederum ideal.

Da stellt sich die Frage, ob der Bebauungsplan möglicherweise geändert werden kann. Seitens der Stadt heißt es: „In Verbindung mit der unlängst vom Stadtrat beschlossenen Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum soll von dieser Zielsetzung (der Zielsetzung des Bebauungsplans, Wohnraum größtmöglich zu schützen, Anm. d. Red.) nicht abgewichen werden.“ Aus diesem Grund bestehe auf Seiten der Besitzer auch kein Anspruch auf eine Änderung des Bebauungsplans, um die Räume des „Ollohofs“ zukünftig anderweitig nutzen zu können. Schraut und Rentschler widersprechen diesen Aussagen allerdings deutlich.

„Seit den 70er Jahren steht dieses Gebäude leer. Jetzt wollen wir hier endlich Räume schaffen, die allen zugutekommen, denn ein weiterer Leerstand ist einfach nicht legitim. Es macht einfach keinen Sinn, dass diese alten Gewerberäume zum Wohnen genutzt werden sollen“, erklärt Jochen Schraut. Axel Rentschler ergänzt hierzu: „Es stellt sich die Frage, ob man diesen uralten Bebauungsplan von vor 30 Jahren höher bewertet als eine sinnvolle, gemeinwohlorientierte Nutzung, die es in Mainz so bisher nicht gibt.“ Es stellt sich die Frage, ob man diesen uralten Bebauungsplan von vor 30 Jahren höher bewertet als eine sinnvolle, gemeinwohlorientierte Nutzung, die es in Mainz so bisher nicht gibt.

Ziel der Architekten sei es nun, juristisch einen projektbezogenen Bebauungsplan zu erwirken, durch den das Areal des „Ollohof“ aus dem Bebauungsplan von 1993 ausgenommen wird. Dieser spezifische Plan gelte somit zusätzlich zum alten Bebauungsplan und schaffe die nötigen Voraussetzungen, damit der Realisierung des Kulturcampus im „Ollohof“ nichts mehr im Wege stehe. „Dafür benötigen wir allerdings den politischen Willen des Stadtrats, damit eine Mehrheit für diesen projektbezogenen Plan stimmt“, erklärt Schraut.
Die beiden Mainzer selbst sind guter Dinge, sprechen von vielen Für-Sprechern bei der Stadt, die das Projekt unterstützen wollen. Rentschler ergänzt: „Es sind kleine Hürden, die wir gerade knacken müssen.“ Die Antworten der städtischen Pressestelle vermitteln allerdings einen völlig anderen Eindruck – von kleinen Hürden ist da keine Rede. Vielmehr klingt die Nutzungsuntersagung endgültig. Solange die Angelegenheit nicht juristisch geklärt ist, bleibt Schraut und Rentschler nichts anderes übrig, als auf Veranstaltungen in den oberen Etagen des „Ollohofs“ zu verzichten – denn für jedes Event müssten sie zurzeit 5000 Euro Strafe zahlen.