Vom 25. bis 27. Januar lädt die Kunsthalle Mainz zu einem dreitägigen Veranstaltungsprogramm im Rahmen der Ausstellung „Unextractable: Sammy Baloji invites“ ein. Unter dem Titel „Transmission Through Transformation“ erwartet Sie ein vielfältiges Programm mit Künstlerrundgängen, Ausstellungsgesprächen, Panels & Performance.
Vom 25. bis 27. Januar 2024 laden die Kunsthalle Mainz und ihre Kooperationspartner*innen zum Abschlussprogramm anlässlich der Ausstellung Unextractable: Sammy Baloji invites ein. Es finden öffentliche Vorträge, Künstler*innenrundgänge, Paneldiskussionen und Performances statt. Mit Transmission durch Transformation als Leitgedanken liegt der Fokus dabei auf Praxen der Veränderung, die sowohl unterbrochene Wissensformen reaktivieren als auch kulturelle Arbeit als ständige Prozesse der Neuinterpretation begreifen. Die Arbeiten in der Ausstellung entstanden vor dem Hintergrund der weitreichenden Zerstörungen, die die Reduktion von Land auf Rohstoffe und seiner Bewohner*innen auf ausbeutbare Arbeitskräfte hinterlassen haben. Sie setzen sich unter anderem mit dem kolonialen Archiv auseinander; jenen Wissensformen, die diese Enteignungs- und Beherrschungsprozesse produziert haben und die heute weiter fortwirken.
Diesen misslichen Vermächtnissen gegenüber geht es um die Möglichkeiten, ausgehend von oft marginalisierten oder folklorisierten kulturellen Praxen, oder ihren Spuren, Anknüpfungen und Aneignungsformen zu entwickeln, die Weitergabe und Veränderung verbinden. Es geht um performative Neulektüren von Kreationen und Dokumenten aus kolonialen Kontexten, um Arbeitsformen entgegenzuwirken. Damit baut die Veranstaltung auf die kollaborative Praxis des von Künstler*innen getragenen Kulturzentrums Picha in Lubumbashi auf, welches Sammy Baloji 2008 mitgegründet hat. Im Zentrum des drei-tägigen Programms stehen die künstlerischen Praktiken der 13 in der Ausstellung gezeigten Künstler*innen.
Neben den Kunstschaffenden sind Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen aus ganz Europa eingeladen, um über ökonomische, ökologische und kulturelle Formen von Extraktivismus (Reduktion von Land, Menschen und Praxen auf ihre Verwertbarkeit unter Hinnahme irreversibler Zerstörungen), die Bedeutung von unabhängigen Strukturen und Kollektiven für künstlerische Praxen, sowie Formen von Sammlungspraktiken in der zeitgenössischen Kunst zu diskutieren. Das Vermittlungsteam der Kunsthalle bietet ferner zusammen mit den Gäst*innen Workshops für Kinder und Jugendliche an. Die Kunstschaffenden, die zum Teil aus der Demokratischen Republik Kongo anreisen, verbringen mehrere Tage in Mainz, setzen ihre Forschungen in Archiven fort, treffen Fachpublikum, und leiten Workshops mit Studierenden an den Kunsthochschulen in Frankfurt und Mainz.
Programm
Donnerstag, 25.01.2024
Aula der Städelschule (Dürerstraße 10) Frankfurt am Main
19 Uhr Unextractable? Sammy Baloji im Gespräch mit Bénédicte Savoy, moderiert von Lotte Arndt (auf Englisch)
Sammy Baloji setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit immer wieder mit der Geschichte des Bergbaus in und um seine Herkunftsstadt Lubumbashi im Südosten der Demokratischen Republik Kongo auseinander. Er dokumentiert die zerstörerischen Folgen der Bergbauindustrie in der Region Katanga für die sozialen Strukturen, die Verwandlung von Land in Ressourcen sowie die Behandlung ganzer Gesellschaften als bloße Reservoire an potenziellen Arbeitskräften. Dabei stellt er die Erinnerungen, Hoffnungen und Projekte der Menschen, die inmitten der Ruinen des Kolonialismus, des industriellen Bergbaus und der globalen kapitalistischen Wirtschaft leben, in den Vordergrund. Die Ausstellung Unextractable: Sammy Baloji invites, die derzeit in der Kunsthalle Mainz zu sehen ist, fokussiert auf kollektive Formen der künstlerischen Produktion und die Arbeit an verändernder Überlieferung unter prekären Bedingungen, die sich den anhaltenden toxischen Auswirkungen der wirtschaftlichen, ökologischen und soziokulturellen Ausbeutung widersetzen wollen.
Nach dem bahnbrechenden Bericht über die Rückgabe afrikanischen Kulturerbes (mit Felwine Sarr, 2018) und ihrer grundlegenden Arbeit zur Geschichte der Büste der ägyptischen Königin Nofretete (2011) hat die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy gemeinsam mit der Forschungsgruppe Umgekehrte Sammlungsgeschichte kürzlich den umfangreichen Sammelband Atlas der Abwesenheit (2023) herausgegeben. Dieser dokumentiert den massiven Raub von Kulturgütern aus Kamerun während des deutschen Kolonialismus und den anhaltenden Verlust, den diese Artefakte, die in deutschen Museumsdepots aufbewahrt werden, in der kamerunischen Gesellschaft hinterlassen. Das Buch ist das Ergebnis einer umfangreichen kollektiven Forschung, die von kamerunischen und deutschen Forscher*innen über mehrere Jahre hinweg gemeinsam durchgeführt wurde. Es soll neue Grundlagen für die Diskussion über die Restitution kultureller Objekte aus Kamerun in deutschen Museen schaffen.
Nach einführenden Präsentationen der beiden Referent*innen wird die Diskussion erörtern, welche Rolle transnationale Kulturarbeit beim „Richten von Unrecht“ (Gayatri Spivak) spielen kann. Welche Möglichkeiten, aber auch Fallstricke entstehen bei Versuchen, mittels Bildern und Objekten an unterbrochene Wissensketten anzuknüpfen? Welche Alternativen zu musealer Konservierung öffnen Restitutionsprozesse? Wie kann Transmission auf transformative Weise erfolgen, und so Folklorisierung oder Essentialisierung entgehen?
Freitag, 26.01.2024
Treffpunkt vor der Kunsthalle Mainz (Am Zollhafen 3—5)
15:30h Mainz – Postkolonial: Rundgang für und durch die Mainzer Neustadt
(auf Englisch und Französisch)
mit anschließender Möglichkeit zum Ausstellungsbesuch in der Kunsthalle Mainz.
Die Rundgänge, die mit Hinblick auf die Ausstellung in der Kunsthalle erarbeitet wurden, haben zum Ziel, den Menschen in Mainz einen neuen, anderen Zugang zu (ihrer) Stadt zu ermöglichen. Ab Oktober 2023 finden die 1,5-stündigen Rundgänge in regelmäßigen Abständen statt und zeigen auf, dass es überall in Deutschland, auch in Mainz, anhaltenden koloniale Auswirkungen gibt, die aktiv befragt und bearbeitet werden müssen.
Institut français (Schillerstraße 11), Mainz
19h Begrüßungsworte: Sylvain Thollon (Institut français), Yasmin Afschar & Marlène Harles (Kunsthalle Mainz)
Lotte Arndt und Sybil Coovi Handemagnon im Gespräch (auf Französisch mit Übersetzung ins Deutsche)
Lotte Arndt, Ko-Kuratorin der Ausstellung Unextractable: Sammy Baloji invites stellt das internationale Projekt Reconnecting „Objects“ (TU Berlin) vor, in dem sie seit 2022 über Epistemic Plurality and Transformative Practices in and beyond Museums forscht. Danach spricht sie mit der multi-disziplinären Künstlerin Sybil Coovi Handemagnon über ihre photographische und filmische Arbeit, und Beider Zusammenarbeit in dem Projekt. In dem Gespräch geht es um toxische Konservierung, koloniale Sammlungen und künstlerische Praxen in diesen Kontexten.
Im Anschluss laden wir zu einem Glas ein.
Am Samstag, 27.01.2024
stehen die Kunstschaffenden und Projektpartner*innen der Kunsthalle im Fokus des öffentlichen Programms.
Kunsthalle Mainz (Am Zollhafen 3—5)
11 h Ausstellungsgespräche mit der Ko-Kuratorin Lotte Arndt und den Künstler*innen Sammy Baloji, Nilla Banguna und Julia Tröscher
in Halle 1 der KHM (auf Englisch und Französisch)
12 h Ausstellungsgespräche mit der Ko-Kuratorin Yasmin Afschar und den Künstler*innen Sammy Baloji, Sybil Coovi Handemagnon, Hadassa Ngamba und Georges Senga
in Halle 2 & 3 der KHM (auf English)
Ausstellungsgespräche mit der Ko-Kuratorin Marlène Harles und den Künstler*innen Franck Moka, Fundi Mwamba Gustave & Antje Van Wichelen und Isaac Sahani Dato
in den Turmebenen der KHM (auf Englisch und Französisch)
11 – 13h Programm für Kinder im Werkraum der Kunsthalle Mainz
13 – 14h Mittagspause
14 – 15:30h Begrüßung: Yasmin Afschar
Panel – Produzieren und Sammeln von Zeitgenössischer Kunst in DR Kongo und darüber hinaus
Georges Senga (Picha), Sybil Coovi Handemagnon (Black(s) to the Future), Jean-Sylvain Tshilumba Mukendi (Picha), Michaela Oberhofer (Museum Rietberg), Katharina Fink (Artist Residency Schloss Balmoral)
Moderation: Marlène Harles
Die erste Diskussionsrunde beschäftigt sich mit der Bedeutung von unabhängigen Strukturen für die Kunstproduktion sowie Sammlungspraktiken in der zeitgenössischen Kunst in der DR Kongo und darüber hinaus.
16:00 – 17.30h Performance & Diskussion TRACER
Tracer ist ein kollektives künstlerisches Forschungsprojekt, bestehend aus Esther Mugambi, Emmanuelle Nsunda, Nizar Saleh, Emily Hardick, Anne Wetsi Mpoma, und Sarah van Lamsweerde, das einen kritischen Blick auf die Changwe Yetu Darbietung von 1958 wirft.
Moderation: Anne Brandstetter
18.00 – 19h Panel – Extraktivismus und Mining
Isaac Sahani Dato, Hadassa Ngamba, Timothy Makori (University of Maastricht), Livia Cahn (Rachel Carson Center Munich)
Moderation: Lotte Arndt
Das zweite interdisziplinäre Panel bringt Kunstschaffende und Forschende zusammen, die sich mit den extraktiven Strukturen und Folgen des Bergbaus in der Demokratischen Republik Kongo sowie ihrer Musealisierung und Darstellung in der zeitgenössischen Kunst beschäftigen.