Text: Regina Roßbach
Fotos: Sonja Gärtner
Eis Schlecken kühlt ab, schmeckt lecker und sieht gut aus. Auch bietet es Anlass zu Diskussionen: Milch oder Frucht? Löffeln oder schlecken, oder gar beißen? Natürlich Bio oder künstlich mit Zungenfärbeeffekt? Diese wichtigen Fragen zu beantworten wäre nicht nur schade, sondern auch unmöglich. Wir konzentrieren uns deshalb auf eine Bestandsaufnahme der Mainzer Eislandschaft, testen Schoko und Erdbeere, prüfen Stärken und Schwächen. Gleich vorweg: Der Preis pro Kugel beträgt mit zwei Ausnahmen überall 90 Cent. Und: Alle Eisdielen verwenden, wenn saisonal verfügbar, frische Früchte. Interessant zu wissen ist auch, wo unsere Gelatieris eigentlich ursprünglich herkommen: Die meisten Eiscafés heißen nämlich nicht zufällig „Dolomiti“, „Rialto“ oder „Venezia“. Ihre Betreiber stammen alle aus Norditalien, wo es schon vor der Erfindung des Kühlschranks gefrorenes Wasser gab. In den fünfziger Jahren haben in Deutschland viele Italiener das Eis aus ihren Häusern heraus verkauft und verwendeten Holzdielen als Ladentheken. Daher der Begriff „Diele.“ Und jetzt wird losgeschleckt …
Eiscafé Florenz, Hopfengarten & Römerpassage
Fabio Ennas-Lulliri leitet das seit 25 Jahren bestehende Café in der Römerpassage, seine Frau Dorota den jüngeren Ableger in der Altstadt. Mit Blick auf die Augustinerstraße ist sie vielleicht von allen am schönsten gelegen, lädt zum Verweilen mit großem Becher („Schornsteinfeger“) ein. Die Theke in der Römerpassage dagegen empfiehlt sich für die Florenz-Wundertüten zum Mitnehmen: Smarties- (2,80 Euro) oder Biscottini-Wunder (3 Euro) sind nur zwei der zehn Varianten. Das Florenz-Erdbeereis hat eine saure Note. Schoko ist cremiger im Vergleich, geschmacklich volle Punktzahl. Nicht verpassen sollte man „Mozart“ (Pistazie, Marzipan und Schokostückchen). Florenz-Eis wird im eigenen Labor in Frankfurt produziert.
EisCafe De Covre, Schillerplatz
De Covre rangiert gaumentechnisch ganz vorne. Erdbeeriger geht es nicht und das Schoko-Milch-Verhältnis stimmt präzise. Die Sorten Mandel-Himbeere (köstlich wie ein Sterne-Dessert) und Joghurt-Holunder sind obligatorisch. Täglich frisch und vor Ort zubereitet stellen die kalten Leckereien sicher, was die Inhaberin Agnese Covre sich zum Prinzip gemacht hat: „Es muss besser schmecken als zu Hause.“ Wir durften einen Blick in die Hinterräume werfen, wo es aussieht wie im Chemielabor. Alles ist klinisch sauber, ein junger Mann braut mithilfe diverser Dosen und Listen die Eismasse zusammen, die dann in stattlichen Maschinen vor sich hin knetet. Auch wenn die verwendeten Pasten und Geschmacksrichtungen sich zwischen den Eisdielen kaum unterscheiden, erfolgt die Zusammensetzung doch überall individuell. Eis ist nicht gleich Eis – das kann man hier sehen und schmecken.
Eiscafé Venezia, Adolf-Kolping-Straße, vor der Römerpassage
Dass im Venezia anders produziert wird, erkennen aufmerksame Kaltspeisenliebhaber schon an der Theke: Die Portionen sind flach, das Eis ist nicht so effektvoll aufgetürmt wie sonst. Das liegt an der traditionellen Produktionsweise, bei der die Basis für Milcheis nur aus Milch, Ei und Zucker besteht. Auf diese Weise ist das Ergebnis weniger luftig und schwerer im Mund. Da keine Konservierungsstoffe enthalten sind, kann man es nur in kleinen Mengen produzieren. Auf diese Art und Weise wird Eis in Mainz – soweit unsere Recherche – nur noch bei Mario und Dolomiti hergestellt. Deshalb müssen die anderen nicht schlechter sein, die Produkte unterscheiden sich lediglich voneinander. Im Venezia bekommen wir den Tipp, die Differenz komme am besten beim Vanille-Vergleich zur Geltung. Also einfach mal ausprobieren … Schoko jedenfalls schmeckt hier kräftig, im Abgang ein wenig nach Zartbitter. Erdbeere hat eine zitronige Note. Ausgefallenste Sorten: Mon Chéri und Joghurt-Erdbeer.
Eiscafé Rizzelli, Leichhof 32, Am Brand 15
Möglichst frische Zutaten? Fabrizio Rizzelli macht sich da nichts mehr vor: Für den gewöhnlichen Schlecker sei die Farbe entscheidend, nicht der Inhalt. Mit viel Aufwand hat er einmal Pistazieneis nur aus echten Pistazien produziert. Das Ergebnis war gräulich, seine Kunden irritiert. Seitdem gibt es wieder grünes Pistazieneis, auch wenn Farbstoff rein muss. Zu empfehlen sind die Spezial-Sorten Zuppa Inglese (marmoriert mit in Likör getränktem Biskuit) oder Pfirsich-Aprikose, ganz besonders aber das traditionelle „Cassata“. Dieses der italienischen Schichttorte nachempfundene Eis mit kandierten Früchten ist ein echtes Qualitätsmerkmal im Eissegment, haben wir uns sagen lassen – kann halt nicht jeder. Alle Gelaterias variieren ihr Angebot je nach Monat und Nachfrage, deshalb gibt es Cassata nicht immer überall. Also beim nächsten Eisdielenbesuch einfach mal nachfragen. Zu Schoko: Wer viel Milch und wenig Kakao bevorzugt, ist hier richtig. In Sachen Erdbeere mögen‘s die Rizzellis süffig.
Dolomiti-Eis, Gutenbergplatz
Assunta Agnoli ist mit circa 40 Sorten Champion in Sachen Vielfalt. Hier gibt es originelle Richtungen wie Schwarzwald, Rossini (Mandel, Pistazie) oder Dolomiti (Vanille, Schoko, Himbeere). Das normale Schokoeis schmeckt zwar eher nach Kakaopulver, dafür gibt es für Schokoliebhaber aber weiße Schokolade mit Cerealien, Bitterschokolade und Joghurt-Schoko. Erdbeere ist auch hier stark gesüßt. Unter den hiesigen Speiseeisanbietern herrscht übrigens Einigkeit darüber, was die Mainzer am liebsten essen: Spaghettieis. Im Dolomiti kann man von dieser typischdeutschen Eisspezialiät (Italiener kennen durch die Nudelform gepresstes Vanilleeis nur in Touristenhochburgen) auch mal Varianten ausprobieren: Spaghetti-Exotic, -Carbonara (mit Krokant) oder -Joghurt. Da es das Dolomiti schon seit 1951 gibt, könnte es als die älteste Eisdiele in Mainz durchgehen …
Eispavillon Mario, Budenheimer Straße, Gonsenheim
… wenn es nicht den Eispavillon Mario gäbe. Der existiert nämlich schon seit Kriegszeiten, am jetzigen Standort seit ‘55. Noch nach Opas Rezept produzierend, residiert heute der Thronfolger Mario Nestola in dem weiß-blau gekachelten Häuschen auf einem zugegeben nicht sehr idyllischen Parkplatz in Gonsenheim. Trotzdem gibt es meist Andrang. Im Internet wird gar gemunkelt, Mario mache das „beste Eis von ganz Mainz“ – eine Meinung, die auch manchen Konkurrenten nicht unbekannt ist. Der hitzigen Diskussion, wem dieser Titel gebührt, kann auch unser Test kein Ende bereiten. Wenigstens eins: Mario ist nah dran. Sein Eis ist geschmeidig cremig, das Erdbeeraroma erschleckt sich auch mit geschlossenen Augen und der Schokoanteil scheint auffällig hoch. Lecker auch das karamellige Panna Cotta mit seiner butterigen Farbe. Preislich gewinnt Mario in jedem Fall: Eine Kugel kostet nur 70 Cent. Wem das Auto-Brausen den Genuss verleidet, der kann sich in den nahe gelegenen Wildpark zurückziehen.
„DasEis.“-Bus, Am Winterhafen
Wenn Eis ein Statement sein kann, dann dieses. Aufgepasst: Ohne jegliche künstliche Zusätze (nicht einmal industriellen Zucker), nur aus Bio-Zutaten, in Bio-Waffel, kompostierbarem Becher oder Mehrwegglas, alles atomstromfrei hergestellt. Diese Mutter Theresa von einer Süßspeise heißt „DasEis.“ und kommt von der Wiesbadener Firma healthy planet. Zu viel Bio kann abschrecken, wissen die Unternehmer über Erfahrungen in Frankfurt zu berichten. Mal sehen, ob die Mainzer weniger Berührungsängste haben. Jedenfalls wird DasEis. seit Kurzem in einem süßen braun-weißen Bus am Winterhafen feilgeboten. Sorten wie Ananas-Petersilie oder Cocos-Rahm bieten neuartige Zungenerlebnisse. Zu den Klassikern: Erdbeer schmeckt gesund und naturbelassen, dafür in der Konsistenz wässriger. Es fehlen Fasern und Kernchen (sonst in jedem Erdbeer-Eis). Die Schoko-Note tendiert gegen Nougat, auch hier das Schleckverhalten ungewöhnlich, wie gefrorener Kuchenteig. Sicher ist: Ein täglicher Fahrrad-Ausflug in den Winterhafen verbunden mit dem Bio-Eis könnte beim nächsten Italienflug das Nachhaltigkeits-Gewissen beruhigen. Oder man bleibt im schönen Mainz und verdrückt in rauhen Mengen italienische Kaltspeisen – nach unserer Erfahrung entspannter als jeder Kurzurlaub.