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Das sensor 2×5 Interview: Nikan Rezai (1. Vorsitzende des PENG) über die Zukunft des PENG & mehr

Was ist das PENG?

Das PENG ist ein Verein zur Förderung von Design, Kunst und Kommunikation. Es ist es ein Spielfeld, auf dem alles stattfinden kann, was mit Kunstfertigkeit oder Kunst zu tun hat. Also Theater, Film, Ausstellungen, Musiker-Treffen, alles Mögliche. Wir sind um die 140 Mitglieder und ein kleiner harter Kern. Zu uns kommt man am besten Dienstagabend in das „offene Wohnzimmer“. Dort kann man sich und seine Idee vorstellen und in der Regel relativ schnell umsetzen.

Wo findet man Euch? Wir sind im Alten Rohrlager an der Weisenauer Straße 15, zusammen mit der Brauerei Kuehn Kunz Rosen und dem Fanprojekt Mainz, die Mitte August ihr Fanhaus öffnen. Wir haben dort einen offenen Säulengang, ein kleines Hausmeister-Häuschen mit zwei Stockwerken, wo pro Etage zehn Leute rauf dürfen und eine große Halle. Die Halle ist allerdings seit März geschlossen ist, da dort Schimmel entdeckt wurde. Insgesamt also sehr wenig Raum, was im Sommer ok ist, weil wir den großen Innenhof bespielen können. Aber auf Dauer ist das keine Lösung. Daher werden wir voraussichtlich im Oktober ausziehen und sind mal wieder auf der Suche nach einer neuen Location.

Wie hat sich das PENG in letzter Zeit so entwickelt?

Wir haben wieder ziemlich großen Zulauf bekommen an Leuten, die etwas machen wollen. Wir haben Erfahrung gesammelt. Wir teilen Verantwortung mehr auf. Bei einer Veranstaltung kümmert sich nicht mehr einer um alles. Es ist zwar immer noch so, dass es manche gibt, die alles machen und viele, die eher weniger machen. Aber das war schon immer so und wird wohl auch so bleiben.

Wie sieht die Zukunft des Vereins aus?

Im Moment liegt unser Fokus auf Atmosphäre. Es ist gerade sehr schön und witzig bei uns wie ich finde. Seit ich 1. Vorsitzende bin, habe ich mir auch angewöhnt, den Leuten ein Willkommensgeschenk zu machen, nämlich „Peng ist, was Du draus machst“ richtig zu erklären. Damit klar wird, es bedeutet auch Verantwortung. Es wäre toll, wenn in Zukunft neue junge frische Leute mehr Verantwortung übernehmen würden und sich das mit den älteren Hasen die Waage hält.

Kandidierst Du nochmal als 1. Vorsitzende?

Das habe ich nicht vor. Ich bin seit acht Jahren im PENG, das reicht. Es gibt Leute die motivierter sind, keine Jobs und Familie haben, die sollen das gerne übernehmen

Du bist seit 26 Jahren in Mainz, kommst aber gebürtig aus dem Iran?

Ja wir waren Flüchtlinge während des Iran-Irak-Kriegs und sind 1988 hier angekommen. Eine heftige Zeit war das. Unsere Familie musste getrennt voneinander flüchten. Ich kann mich nicht mehr gut daran erinnern. Wir waren zuerst im Asylantenheim, das war sauinteressant mit vielen unterschiedlichen Menschen. Dann ging es weiter nach Kaiserslautern und später nach Mainz. Ich bin in Marienborn aufgewachsen und auf dem Lerchenberg. Dort habe ich meinen Hauptschul-Abschluss gemacht und arbeite seit ich 15 bin in der Gastronomie.

Du bist aber nicht die typische Hauptschul-Absolventin, sondern eher im studentischen Milieu unterwegs. Wie kommt das?

Ich habe irgendwann mein Umfeld gewechselt. Ich fand schon damals auf der Hauptschule Gymnasiasten nicht schlimm, sondern interessant. Ich konnte nur noch nicht so gut deutsch sprechen. Das hab ich mir dann rein geprügelt, Wörterbücher gewälzt, Adjektive gelernt. Das war sehr anstrengend. Irgendwann wurde ein Zimmer in meiner Wohnung frei und eine Studentin zog ein. Mit ihr kam das pralle Leben. Sie hat meine Welt komplett auf den Kopf gestellt. Und dann kam ich irgendwann ins PENG, das war zuerst ein Schock. Ich habe die ganze Struktur nicht verstanden, bis ich irgendwann kapierte: Da gibt es nichts zu verstehen.

Warst Du später nochmal im Iran?

Ja mit 17, das war voll der Flash. Ich wurde erschlagen von der Natur, den Bergen. Alle Klischees über das Land wurden so hart über Bord geworfen. Bombastisch. Die Sterne, der Mond. Ich werde zwar niemals Iranerin sein und niemals komplette Deutsche, aber ich kann irgendetwas dazwischen sein. So habe ich meinen Seelenfrieden damit gemacht, dass ich keine richtigen Wurzeln habe. Ich habe trotzdem eine Verbindung in den Iran und zu den Menschen und kann vieles dort verstehen. Aber leben könnte ich dort nicht. Mein Verhalten und alles entsprechen nicht dem einer „normalen“ Iranerin, wo viel Wert auf Gepflogenheiten und den äußeren Schein gelegt wird. Das ist mir zu anstrengend.

Wie nimmst Du die Flüchtlingsdebatte wahr?

Als Kind wurde ich hin und wieder komisch angeguckt und habe nicht verstanden, was das alles bedeutet. Heute sehe ich, dass manche Flüchtlingskinder auch so angeschaut werden. Nach der Silvesternacht in Köln kam ich zum ersten Mal in ein paar blöde Situationen aufgrund meiner Herkunft. Allerdings hat sich das schnell wieder gelegt. Wenn die Leute hören, dass ich akzentfreies Deutsch spreche, sagen manche: „Wir meinen gar nicht Dich, sondern die anderen.“ Wenn ich so viele Flüchtlinge sehe, denke ich mir, dass viele von ihnen verloren sind. Ich würde mir wünschen, ich könnte ein paar integrieren. Ich weiß wie hart deren Weg war und dass sie viel zu erzählen haben. Aber jetzt müssen sie akzeptierten, dass sie hier neu anfangen müssen, dass alles anders läuft.

Was gefällt Dir an Mainz und was nicht?

Mainz hat für mich in all den Jahren eine Verwandlung vom hässlichen Entlein zum Schwan gemacht. Früher war die Neustadt nicht das, was sie heute ist. Da wollte kein Student wohnen. Ich find Mainz echt schön. Ein Amerikaner sagte mir mal, Mainz sei die freundlichste Stadt Deutschlands. Das würde ich so unterschreiben. Was mir nicht so gefällt ist, dass die Leute trotzdem nicht zufrieden sind und alles „verbessern“ wollen. Aber wir sind doch schon was Tolles. Man muss nicht werden wie alle anderen. Man kann doch einfach auch mal schätzen, was man hat.

Interview David Gutsche Foto Jana Kay