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Das sensor 2×5 Interview mit: Silke Müller (Büchergilde Mainz)

Silke Müller führt nicht nur die Buchhandlung „Erlesenes & Büchergilde“ in der Neubrunnenstraße, sie ist auch eine der treibenden Kräfte hinter dem Lesefestival „Mainz liest“ , welches vom 2. bis 9. Juni in ganz Mainz stattfindet. Wir haben ihr 2×5 Fragen gestellt.

MENSCH

Was ist eigentlich die Büchergilde alles?
Die Büchergilde ist eine Buchgemeinschaft mit Sitz in Frankfurt. Ursprünglich aus dem Gewerkschaftsumfeld entstanden, ist sie mittlerweile eine eingetragene Verlagsgenossenschaft und feiert in diesem Jahr ihr 100. Jubiläum. Die Gründungsidee aus dem Jahr 1924 war: „Wir wollen Bücher machen voll guten Geistes und von schöner Gestalt“, und dieser Grundgedanke gilt bis heute. Die Auswahl der Bücher und die Gestaltung sind außergewöhnlich, regelmäßig erscheinen illustrierte Ausgaben. Und gerade die Buchgestaltung hat in Mainz auch Tradition und Aktualität, etwa mit der Hochschule, da gibt es regelmäßig Kooperationen. Und dann gibt es auch noch Buchhandlungen, wie „Erlesenes & Büchergilde“, die dieses Programm mit Freude und Herzblut vertreten. Davon gibt es etwa 120 in ganz Deutschland. In der Neubrunnenstraße ist der Laden schon seit fast 60 Jahren ein Ort, wo Menschen sich wohlfühlen und immer wieder gerne hinkommen.

Ihr gewinnt auch ständig Preise …
Wir haben den Deutschen Buchhandlungspreis jetzt schon viermal bekommen. Um die 600 Buchhandlungen bewerben sich dafür jedes Jahr aufwändig, und gut 100 bekommen den Preis. Er wird an Buchhandlungen vergeben, die ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm anbieten, sich in der Leseförderung engagieren und zum kulturellen Leben der Stadt beitragen.

Wann findet das nächste Neubrunnenstraßenfest statt?
Das entstand aus unserm Hoffest, und jetzt stemmen es alle beteiligten Geschäfte gemeinsam. Die Straße ist auch toll und ich hoffe, dass wir das Fest im Sommer wieder starten können. Neu dabei ist gegenüber die Schwimmschule, nur das Kollektiv Mainz ist leider in die Altstadt umgezogen, aber in die alte Feuerwache wird bestimmt wieder etwas neues Nettes einziehen.

Dazu kommt nun das große Lesefestival „Mainz liest“ Anfang Juni. Was erwartet uns hier?
Vom 2. bis 9. Juni tun sich wieder viele Mainzer Institutionen, Kulturschaffende und Buchhandlungen zusammen, um eine Woche lang die Stadt zur Bühne für einen Roman und für literarische Veranstaltungen und Begegnungen aller Art zu machen. Mehr als 30 Events finden statt rund um den Roman „Der Sprung“ von Simone Lappert. Die Schweizer Autorin wird die die gesamte Woche über in Mainz sein und bei der Eröffnung im Staatstheater ihren Roman gemeinsam mit der Musikerin Martina Berther präsentierten. Außerdem liest sie an drei Gymnasien der Stadt, im LEIZA, in der Bücherei Anna Seghers und im Gonsenheimer Wald. Das gesamte Programm findet man unter www.mainzliest.de

Sollte in Mainz mehr mit Literatur passieren?
Es passiert schon einiges. Es verteilt sich über die ganze Stadt und ist etwas unübersichtlich. Wiesbaden hat da ein Literaturhaus – eigentlich ist es erstaunlich, dass wir als Gutenberg- Stadt keins haben. Das Staatstheater macht aber inzwischen viele Lesungen und einige Buchhandlungen oder der Frankfurter Hof, das KUZ und auch andere Kulturlocations, etwa in der Neuen Synagoge, im Haus des Erinnerns und in der Landeszentrale für politische Bildung.

MENSCH

Wo kommst du eigentlich her?
Ich komme ursprünglich aus einem Dorf bei Limburg an der Lahn, und wir sind nach Mainz gezogen, als ich 12 Jahre war. Ich bin dann hier auf das Gutenberg-Gymnasium gegangen und habe danach meine Ausbildung in Wiesbaden gemacht in einer traditionellen Buchhandlung, ganz klassisch als Sortiments- Buchhändlerin. Mein Studium der Buchwissenschaft in Mainz habe ich dann für eine Leitungsstelle bei der Büchergilde Buchhandlung in Frankfurt im 5. Semester abgebrochen. Ich habe das nie bereut, es waren ganz wunderbare 17 Jahre in Frankfurt, bevor sich die Möglichkeit eröffnet hatte, die Büchergilde in der Neubrunnenstraße zu übernehmen.

Bist du also in den Chefposten reingewachsen?
Ich wollte schon immer gerne was Eigenes machen, schon als Kind. Ich hatte in Frankfurt aber auch einen tollen Chef, der mir viel Freiraum gegeben hat, ich konnte also üben. Ansonsten würde ich jedem, der sich selbstständig machen will, empfehlen, den Partner gedanklich mit ins Boot zu holen. Damit meine ich nicht, zusammenzuarbeiten. Aber es erleichtert einiges, wenn der andere mitträgt, was man tut. Das Gleiche gilt fürs Team, die Buchhandlung ist unser gemeinsames Projekt.

Hattest du auch mal Zweifel?
Ja, als die Pandemie kam und wir monatelang schließen mussten. Allerdings stellte sich bald heraus, dass diese Zeit zwar eine sehr anstrengende sein würde, aber auch die erfolgreichste für viele inhabergeführte Buchhandlungen: Kontaktloses Ausliefern, regelmäßige Newsletter, Beratung per WhatsApp, Telefon und E-Mail oder Buchtipps auf Social Media waren unser Tagesgeschäft, und die Menschen hatten außerdem viel Zeit zum Lesen!

Hat das Buch noch Zukunft?
Für große Buchhandlungen wurde es mit dem Online-Geschäft schon schwieriger. Aber der inhabergeführte kleine Buchhandel schafft es gut, wenn er kreativ und engagiert ist. Man hat schon mehr zu kämpfen, aber interessante Nischen oder schön gestaltete Bücher und die persönliche Beziehung zur Kundschaft – sowas kann man nicht ersetzen. Und auch bei jungen Menschen gibt es wieder ein großes Interesse an schönen Büchern. Das Buch ist noch lange nicht tot. Es steht in größerer Konkurrenz. Aber gerade das macht uns Spaß.

Liest du selbst noch privat, oder was hast du früher gelesen?
Wir alle im Team lesen sehr viel. Buchempfehlungen sind unser Kerngeschäft. Meine derzeitigen Favoriten: Thea Mengelers „Nach den Fähren“ und Julia Linhofs „Krummes Holz“. Als Jugendliche habe ich gerne Hermann Hesse gelesen, oder Kafka und Stefan Zweig – später auch Lily Brett, Connie Palmen, Haruki Murakami und Paul Auster. Aber ich bin auch sehr gerne draußen zum Gärtnern, Spazierengehen und Fahrradfahren. In der Natur sein, ist immer gut, oder mit meinem Lieblingsmenschen. Und ich bin auch schon mal einen Halbmarathon hier in Mainz gelaufen. Aber das ist lange her …

Interview David Gutsche Foto Jana Kay